Es gab Zeiten, da versammelte sich die allererste Reihe der deutschen Wirtschaft im Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Jeder Vorstandschef hielt es für eine besondere Ehre, wenn ihn der Ruf des Kreditinstituts ereilte. Inzwischen zieht es niemanden aus der deutschen Industrie mehr in die Reihen der Oberaufseher: Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank kommt vollständig ohne Corporate Germany aus, ja auf der Kapitalbank (bis auf den Wirtschaftsprüfer Norbert Winkeljohann) auch ganz ohne Deutsche. Als Vertreter der Eigentümer findet man dort hauptsächlich britische und amerikanische Investmentbanker, Börsen- und Kapitalmarkt-Spezialisten. Das nötige Finanzfachwissen kann man ihnen nicht absprechen – wohl aber den Bezug zur deutschen Wirtschaft. Das mutet vor allem vor dem Hintergrund der neuen Strategie der Deutschen Bank, die sich ja verstärkt auf ihre Wurzeln in ihrem Heimatland besinnen will, seltsam an.
Die Aufsichtsbehörden können daran nichts ändern: Sie prüfen nur die fachliche und allgemeine Eignung eines Kandidaten – und klopfen ihn vor allem auf mögliche Interessenkonflikte ab. Genau an dieser Hürde stolpert der neue Aufsichtsrat Jürg Zeltner, wie letzte Woche verlautete. Die Bankenaufsicht sieht einen massiven Interessenkonflikt, weil der Schweizer hauptberuflich selbst eine Bank leitet. Die Großaktionäre der Deutschen Bank aus Katar wollten „ihren“ Mann Zeltner trotzdem durchboxen. Und der schwache Aufsichtsratschef Paul Achleitner machte sich ihren Wunsch willig zu eigen – und steht nun, wieder einmal, als Verlierer da. Ihm fehlt nicht die Fähigkeit, eine Bank zu beaufsichtigen, wohl aber die Fortune. Und vor allem die Einsicht, wann es besser wäre, endlich das Feld zu räumen.
Kandidaten drängen sich nicht auf
Die Causa Zeltner wirft ein Schlaglicht auf die ganze Aufsichtsratsmisere bei der Deutschen Bank. In dem Gremium sitzt niemand, aber auch gar niemand, der Paul Achleitner kurzfristig ersetzen könnte. Der Aufsichtsratschef selbst hat durch seine Personalpolitik dafür gesorgt, dass ihm niemand gefährlich werden kann. Was zunächst Machiavellismus war, verwandelt sich mittlerweile in eine Tragödie: Der Ruf der Deutschen Bank ist so angeschlagen, dass sich niemand mit geeigneter Statur in das Amt drängt. Dabei gehört es zu den mit Abstand bestbezahlten Mandaten in ganz Deutschland.
Die Aufsichtsratsmandate in den Banken gelten unter früheren Vorstandschefs aus anderen Branchen als schwierigstes Betätigungsfeld überhaupt. Die meisten Kandidaten, die sonst gern in so gut wie jedem Aufsichtsrat Platz nehmen, winken sofort ab. Man scheut die viele Arbeit, den hohen Grad an notwendiger Kompetenz und vor allem das enorme Risiko des Jobs. Und deutsche Berufsaufsichtsräte aus der Finanzbranche gibt es so gut wie gar nicht. Ehemalige Bankvorstände dienen sich lieber Hedgefonds oder Private-Equity-Investoren an, wo sich viel Geld verdienen lässt, als einen (aus ihrer Sicht) nur mäßig besoldeten Sitz in einem Aufsichtsrat anzunehmen.
Deshalb kann man zwar Achleitner viel Schuld an der jetzigen Misere geben – aber keineswegs nur ihm allein. Es sind die Aktionäre, vor allem die Großaktionäre, die für einen kompetenten Aufsichtsrat sorgen müssen. Bei der Deutschen Bank haben gerade sie versagt. Die Fall Zeltner ist nur das letzte Beispiel dafür.
Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen .