Eines seiner letzten Geschäfte fädelte Bernd Otto in einem Dortmunder Partykeller ein. Die Co op AG brauche schnell Geld, mahnte der Vorstandschef an einem düsteren Oktoberabend 1988 die Manager der konzerneigenen Pensionskasse. Um den Untergang abzuwenden, sollten die Herren, die die Betriebsrenten der 50.000 Mitarbeiter verwalteten, ins Unternehmen einsteigen – für 308 Mio. Mark. Andernfalls sei einer der größten deutschen Handelskonzerne bald pleite.
Bei Schnittchen und Bier, so schilderte es später „Der Spiegel“, schlugen die Herren ein. Und das, obwohl das Magazin kurz zuvor Ottos Machenschaften aufgedeckt hatte.
Wenige Wochen nach dem Deal war der Vorstandschef gefeuert, fristlos – und die Co op AG mit rund 5 Mrd. Mark heillos überschuldet. Ein Schock nicht nur für Mitarbeiter, Banken und Anleger, sondern auch für die deutschen Gewerkschaften. Sie hatten den Handelskonzern in den zwei Jahrzehnten davor aus Dutzenden regionalen Konsumgenossenschaften geformt. Und über Jahre hinweg nicht so genau hingeschaut, was Otto und seine Vorstandskollegen da fabrizierten.
Undurchsichtige Unternehmensstruktur
Weil die Genossen nach dem Skandal um die Wohnungsgesellschaft Neue Heimat mit ihren Beteiligungen nicht mehr viel zu tun haben wollten, hatten sie ihre Co-op-Anteile auf Treuhandgesellschaften übertragen. Die bestanden oft aus wenig mehr als einem Briefkasten, der Zugriff lag wiederum bei der Co op und ihren Vorständen – also vor allem bei Otto: dem gelernten Färber aus Wuppertal, Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, ehemaliger Gewerkschaftssekretär.
Die Manager nutzten die komplizierte Unternehmensstruktur, um in der Schweiz und Liechtenstein einen Parallelkonzern aufzubauen, an den große Teile der Umsätze flossen – und verschwanden. Für den Börsengang 1987 musste Otto lange nach einer Bank als Konsortialpartner suchen, so undurchsichtig war das Konstrukt. Ein Jahr später, nach dem ersten Bericht des „Spiegel“, fiel Ottos Reich in sich zusammen. Durch falsche Bilanzen hatten er und seine Kollegen Kredite über mehr als 2 Mrd. Mark ergaunert, zugleich hatten sie die Aktienkurse manipuliert.
Zunächst floh Otto nach Südafrika, stellte sich später aber einer Anklage wegen Untreue, Bilanzfälschung und Betrugs – und wurde zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Große Teile des verschwundenen Geldes tauchten nicht mehr auf, auch nicht die 308 Mio. Mark der Pensionskasse. Beim Konzern waren aber ohnehin nur 70 Mio. gelandet.
Hauptperson
Bernd Otto wurde am 9. September 1940 in Wuppertal geboren. Er erlernte zunächst das Handwerk des Färbers, studierte über den zweiten Bildungsweg Wirtschaftswissenschaften und wurde Sekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund. 1974 wechselte er als Arbeitsdirektor zur Co op AG in Frankfurt am Main; von 1980 bis 1988 war er ihr Vorstandschef. Unter dem Titel „Kollege Otto – die Co-op-Affäre“ verfilmte Heinrich Breloer 1991 den Stoff, 1996 veröffentlichte Otto seine Version des Skandals.
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