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Interview „Der Mautauftrag ist für uns ein großer Schritt“

Eventim ist Europas größter Ticketanbieter und Live-Entertainment-Veranstalter. Nun baut Unternehmenschef Klaus-Peter Schulenberg ein neues Geschäftsfeld auf
Eventim ist Europas größter Ticketanbieter und Live-Entertainment-Veranstalter. Nun baut Unternehmenschef Klaus-Peter Schulenberg ein neues Geschäftsfeld auf
© Muir Vidler
Der Ticketriese Eventim soll künftig für den Bund die neue Pkw-Maut erheben. CEO Klaus-Peter Schulenberg über die Verbindung zwischen dem Ticketgeschäft und der Maut, Expansionspläne – und warum er keine Angst vor Problemen wie bei Toll Collect hat

Capital: Jeder kennt CTS Eventim als Ticketunternehmen, viele auch noch als Konzertveranstalter. Künftig mischen Sie auch bei der Pkw-Maut mit, die der Bund in dieser Legislaturperiode einführen will. Was hat denn die Maut mit Musik zu tun?

KLAUS-PETER SCHULENBERG: Die Maut hat nichts mit Musik zu tun. Aber die Maut hat mit den Bereichen Ticketing und E-Commerce zu tun, in denen CTS Eventim zuhause ist. Mit mehr als 250 Millionen verkauften Tickets im Jahr sind wir eines der größten E-Commerce-Unternehmen Europas. Wir haben umfassende Erfahrung im Management von Kundenbeziehungen – und zwar grenz-, sprach- und währungsüberschreitend. Diese Erfahrung können wir bei der Erhebung der Pkw-Maut einbringen.

Sie haben sich für den Auftrag mit dem österreichischen Infrastrukturunternehmen Kapsch zusammengetan. Warum?

Wir haben uns gemeinsam mit Kapsch an der EU-weiten Ausschreibung beteiligt , weil dieses Unternehmen bereits in 50 Ländern an Projekten zur Mauterhebung beteiligt gewesen ist. Diese Expertise wollen wir nutzen. Für die Erhebung der Pkw-Maut in Deutschland haben wir mit Kapsch ein Joint Venture gegründet, an dem CTS Eventim und Kapsch jeweils 50 Prozent halten. Das neue Unternehmen werden wir in unserer Bilanz künftig at equity konsolidieren.

Was genau ist die Aufgabe des Konsortiums?

Wir sind verantwortlich für die Erhebung der Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen. Dabei geht es in erster Linie um die Abrechnung der Mautgebühren sowohl für inländische als auch für Nutzer aus dem Ausland. Dafür bekommt das Konsortium vom Bund hoheitliche Aufgaben verliehen: Wir verschicken etwa die Abgabenbescheide an inländische Fahrzeughalter und wickeln den Einzug der Gebühren für den Bund ab. Zudem bauen wir ein Vertriebssystem auf, über das Fahrer aus dem Ausland, die Bundesautobahnen in Deutschland benutzen, eine elektronische Vignette kaufen können. Was dagegen nicht zu unserem Auftrag gehört, ist die Kontrolle. Diese wurde in einer separaten Ausschreibung an Kapsch vergeben.

Was bedeutet der Mautauftrag für CTS Eventim?

Der Auftrag ist für unser Unternehmen ein großer Schritt. Wir übertragen unsere E-Commerce-Kompetenz und unsere Ticketing-Expertise erstmals in großem Stil in einen völlig neuen Geschäftsbereich. Für die Erhebung der Maut können wir teilweise auf bestehende Software zurückgreifen. Parallel werden wir neue Applikationen entwickeln – beispielsweise für den Vertrieb elektronischer Mauttickets an Autobahnnutzer aus dem Ausland. Der Vertrieb und alle Serviceprozesse sollen so weit wie irgend möglich über digitale Kanäle laufen. Das zeichnet unser Konzept aus.

Der Bund kalkuliert mit Systemkosten für die Maut von rund 200 Mio. Euro pro Jahr. Wie viel davon fließt an Eventim/Kapsch?

Unser Vertrag mit dem Bund läuft über zwölf Jahre. Das Volumen des Auftrags beträgt für unser Konsortium über die gesamte Vertragsdauer knapp 2 Mrd. Euro.

Gibt es schon einen Namen für Ihr Mautsystem? Der Name Toll Collect ist ja schon vergeben – und ist nicht gerade positiv besetzt.

Die Erhebung von Lkw- und Pkw-Maut sind nur eingeschränkt miteinander vergleichbar. Die Investitionen in Anlagen sind für uns deutlich geringer, die Prozesse hinter den Systemen unterscheiden sich deutlich, und unsere Zielgruppe verlangt eine gänzlich andere Ansprache. Daher werden wir uns auch namentlich abgrenzen. Hier stimmen wir uns zurzeit mit dem Bund ab.

Bei der Lkw-Maut haben sich die beteiligten Unternehmen eine ziemlich blutige Nase geholt. Haben Sie keine Befürchtung, dass es Ihnen so ergeht wie Daimler und der Deutschen Telekom bei Toll Collect?

Wenn wir nicht sicher wären, das industrielle Risiko dieses Projekts zu beherrschen, hätten wir diesen Auftrag gar nicht erst übernommen.

Und was ist mit dem juristischen Risiko? Die Umsetzung der Maut ist ja hoch umstritten. EU-Partner wie Österreich und die Niederlande wollen das Projekt vor dem Europäischen Gerichtshof noch zu Fall bringen.

Für diesen Fall haben wir uns vertraglich abgesichert.

Im Ticketing sind hohe Skaleneffekte möglich, wenn erst einmal die Infrastruktur aufgebaut ist. Ist das bei der Maut ähnlich? Wird sich Eventim künftig auch in anderen Ländern um Mautaufträge bewerben?

Wenn wir hier in Deutschland ein erfolgreiches Projekt auf die Beine stellen, dann wird es möglicherweise auch Nachfragen aus anderen Regionen der Welt geben. Dann gibt es keinen Grund, sich denen zu verschließen.

Das heißt, Mautdienstleistungen sind ein potenzieller Wachstumstreiber für das Geschäft von CTS Eventim?

Absolut. Aber die Maut wird sicherlich nicht unser Kerngeschäftsfeld werden.

Ein Porträt über Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg lesen Sie in Capital 1/2019. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop , wo Sie die Print-Ausgabe bestellen können. Unsere Digital-Ausgabe gibt es bei iTunes und GooglePlay

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