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Kolumne Der Lira-Schock

Die türkische Währungskrise trifft auch den schwächsten Euro-Patienten: Griechenland kann nichts weniger gebrauchen als verschärfte Billigkonkurrenz von nebenan. Von Christian Schütte
Christian Schütte
Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik
© Trevor Good

Die Schwellenländer kriseln. Aber muss es gleich Europa beunruhigen, wenn hinten, weit, in der Türkei die Zocker auf die Lira prügeln? Leider schon. Erste Kollateralschäden drohen schließlich gleich nebenan, beim schwächsten Euro-Patienten Griechenland. Und möglicherweise auch in Zypern.

Um den Absturz ihrer Währung zu stoppen, hat die türkische Zentralbank in dieser Woche die Zinsen scharf angehoben. Ob das zur Stabilisierung reicht, muss sich zeigen. Mit einer deutlichen Abschwächung des Wachstums und weiteren Turbulenzen um die Regierung Erdogan ist aber in jedem Fall zu rechnen. Das türkische Wirtschaftswunder dürfte vorerst zu Ende sein.

Das wird unmittelbare Auswirkungen auch auf Griechenland haben. Die Regierung in Athen und ihre europäischen Partner hatten zuletzt eigentlich schon in den „Jetzt-wird-alles-besser“-Modus geschaltet. Das griechische Haushaltsdefizit wurde 2013 so weit gesenkt, dass neue Kredite nur noch für den Schuldendienst aufgenommen werden müssen, nicht mehr zur Finanzierung der regulären Staatsausgaben. Die Regierung feiert diese schwarze Null im sogenannten Primärhaushalt mit einigem Recht als Meilenstein.

Außenwirtschaftlich sieht es trüb aus für Griechenland

Wenn Griechenland aber tatsächlich einmal auf eigenen Beinen stehen soll, dann muss es nicht nur seine öffentlichen Finanzen in Ordnung bringen. Es muss vor allem mehr wettbewerbsfähige Produkte herstellen. Güter, die sich gegen Importwaren durchsetzen und die auf Auslandsmärkte exportiert werden können. Nur so kann das Land seine Abhängigkeit von immer neuen Finanzspritzen überwinden. Nur so kann es im Übrigen auch das Geld verdienen, das es zur Bedienung seiner verbleibenden Auslandsschulden braucht.

Die gute Nachricht des vergangenen Jahres war, dass der Fremdenverkehr boomte und ordentlich Geld aus dem Ausland nach Griechenland brachte. Abgesehen von dieser Schlüsselbranche sieht die außenwirtschaftliche Bilanz aber ziemlich trübe aus.

Der griechische Exportsektor erreicht ohnehin nicht einmal ein Sechstel des BIP, ist also bislang viel zu klein, um eine ähnliche gesamtwirtschaftliche Dynamik zu entfalten wie zuletzt etwa die starken Exportbranchen Irlands oder auch Spaniens.

Urlaub in der Türkei ist billiger geworden

Die jüngsten griechischen Handelsdaten sind aber erst recht ernüchternd. Nachdem die Exporte 2012 spürbar zugelegt hatten, ist dieser Aufwärtstrend im Herbst 2013 wieder weggeknickt. Nach den neuesten Zahlen lagen Griechenlands Ausfuhren im November um mehr als ein Fünftel unter dem Wert des Vorjahresmonats.

Die schwache Nachfrage aus der Euro-Zone und der relativ starke Euro sorgen für Gegenwind. Und jetzt droht noch ein Extra-Schock. Denn die Türkei ist der wichtigste Handelspartner der Griechen, sie kauft bei ihnen rund doppelt so viel Waren wie Deutschland oder auch das benachbarte EU-Mitglied Bulgarien. Die Türkei konkurriert mit den Griechen gleichzeitig auch um die Touristenströme ins östliche Mittelmeer.

Die türkische Lira hat gegenüber dem Euro allein im Dezember gut zehn Prozent abgewertet. Ein Urlaub in der Türkei ist im Vergleich also entsprechend billiger geworden. Und Griechenlands Produkte in Istanbul entsprechend teurer.

Dieser Effekt wird dadurch abgemildert, dass die Inflation in der Türkei hoch ist – derzeit über sieben Prozent -, während die griechischen Euro-Preise fallen. Ein weiterer Absturz der Lira und ein heftiger Wachstumseinbruch beim wichtigsten Nachbarn würde die Griechen aber empfindlich treffen. Der ersehnte Aufschwung müsste weiter vertagt werden.

Runter mit den Importen, rauf mit den Exporten

Die Türkei war mit ihrer kräftigen Nachfrage bislang ein Teil der Lösung für Griechenland. Wenn die internationalen Investoren sich nach den Jahren des Booms von ihr abwenden, dann wird sie für die Griechen zu einem Konkurrenten und zum Teil des Problems.

Denn dann wird auch in der Türkei eine harte Anpassung unvermeidlich: Sie muss runter mit ihren Importen, rauf mit ihren Exporten. Die Türken haben aber den Vorteil einer eigenen Währung. Wenn die abwertet, lassen sich sehr schnell Wettbewerbsvorteile aufbauen.

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