„Calendae“ hießen bei den Römern die Tage, an denen jeweils der neue Monat ausgerufen wurde. Weil es bei den Griechen so einen Brauch nicht gab, bedeutete „Ad Calendas Graecas“ das, was heute der Sankt Nimmerleinstag ist.
Irgendwann, sehr viel später. Vielleicht aber auch erst ganz lange danach.
Für die Euro-Politik sollte der Begriff 2014 wieder entstaubt werden. Denn was sich zwischen Brüssel und Athen abzeichnet, das ist die Umschuldung Marke „Ad Calendas Graecas“. Sie wird gebraucht, weil die nackte Wahrheit dann doch politisch zu peinlich wäre: Den Griechen muss von ihren Gläubigern – Europas Steuerzahlern - ein Großteil ihrer Schulden erlassen werden.
„Wir bitten nicht um einen Schuldenschnitt“, hat Griechenlands Finanzminister Giannis Stournaras gerade zum Auftakt der EU-Ratspräsidentschaft seines Landes erklärt; die von den Partnern ja schon versprochenen „Erleichterungen“ reichten aus. Die griechische Wirtschaft habe nun das Schlimmste überstanden, erklärte Premierminister Samaras zu Neujahr optimistisch. Und auch etliche Volkswirte setzen inzwischen auf einen langsamen Aufschwung.
Primärhaushalt ausgeglichen
Das alles klingt fast schon nach: Ende gut, alles gut. Aber ist es tatsächlich so, dass Griechenland demnächst wieder aus seinen Schulden herauswachsen wird? Natürlich nicht.
Eine unbestritten gute Nachricht ist, dass der griechische Staat heute seine regulären Ausgaben ohne neue Kredite finanzieren kann: Der sogenannte Primärhaushalt war Ende 2013 sogar im Plus.
Die schlechte Nachricht ist, dass Athen trotzdem weitere Schulden machen muss – um die alten Schulden bedienen zu können.
Der griechische Altschuldenberg erreicht inzwischen das gut 1,7fache des BIP. Das ist nicht nur fast das Dreifache des Maastricht-Limits. Es heißt auch, dass gewaltige, auf die Dauer politisch kaum durchzuhaltende Zinszahlungen an das Ausland aufgebracht werden müssen.
Und dass ein solcher Schuldner am freien Markt niemals neue Kreditgeber finden wird. Das Gemurmel über eine eigenständige griechische „Rückkehr an den Kapitalmarkt“ ist beim aktuellen Stand der Altlasten absurd. Der nächste Bankrott wäre ja schon absehbar.
Günstiger Zeitpunkt
Um die Schulden aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen, bräuchte das Land über viele Jahre ein hohes nominales Wachstum. Das ist nirgendwo zu sehen. Derzeit ist bestenfalls die Schrumpfung gestoppt. Die Industrieproduktion stagniert, die Exporte sinken und die Preise fallen noch.
Das Schuldenproblem muss also entschärft werden, und der Zeitpunkt dafür ist jetzt günstig. Am Beginn ihrer Ratspräsidentschaft kann die griechische Regierung einen ersten klaren Sanierungserfolg vorweisen. Zugleich bedeutet der ausgeglichene Primärhaushalt, dass sie sich ab jetzt selbst dann noch finanzieren könnte, wenn sie ihre Kreditverpflichtungen aufkündigen oder den Euro verlassen würde.
Solch ein einseitiger Schritt ist natürlich im Moment kein Thema. Aber allein die theoretische Möglichkeit stärkt die griechische Verhandlungsposition.
Worum es wirklich geht, hat Finanzminister Stournaras schon Ende vergangenen Jahres in einem Interview mit der französischen Zeitung „Libération“ gesagt: „Idealerweise müssten uns unsere Gläubiger ein Geschenk im Umfang der halben Schuldenlast machen. Aber wir wissen, dass das nicht passieren wird und nicht realistisch ist.“
Umschuldung Ad Calendas Graecas
Die realistische Forderung Griechenlands sei deshalb: „Bessere Konditionen, sei es in Gestalt niedrigerer Zinsen oder einer deutlichen Verlängerung der Tilgungszeiträume.“
So wird es dann demnächst wohl auch kommen. Im Extremfall lässt sich mit den genannten Stellschrauben ja sogar ein völlig zinsloser Kredit basteln, der erst am Ende aller Tage getilgt werden muss. Der ist dann faktisch dasselbe wie ein Geschenk. Sieht aber anders aus und heißt auch nicht so. Umschuldung Ad Calendas Graecas eben.
Wohlgemerkt: Eine Streichung eines Großteils der griechischen Schulden ist unvermeidlich. Das Land wird nicht alle Kredite zurückzahlen können, deshalb ist es richtig und notwendig, das verlorene Geld eines Tages abzuschreiben.
Das Spiel, das jetzt beginnt, würde man in der Privatwirtschaft allerdings schon mal Bilanzmanipulation nennen. In der Euro-Politik ist es Business as Usual, damit alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können.