Hightech auf der Schiene – produziert in Krefeld. Damit hat Siemens schon in der Vergangenheit die Weltmärkte erobert. Aber der ägyptische Auftrag im Wert von 8,1 Mrd. Euro stellt alle anderen in der 175-jährigen Unternehmensgeschichte in den Schatten: In Ägypten sollen die Münchner ein neues Hochgeschwindigkeitsbahnnetz aufbauen, auf dem eine Variante des deutschen ICE verkehren wird. Der Zug wird mit Geschwindigkeiten bis zu 230 km/h 60 Städte des Landes miteinander verbinden.
Geplant ist der Bau eines 2000 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsnetzes. Die Bahnsparte Siemens Mobility werde 41 Hochgeschwindigkeitszüge, 94 Regionalzüge und 41 Güterlokomotiven liefern, heißt es. Dazu gehöre Bahninfrastruktur, acht Betriebs- und Güterbahnhöfe sowie ein Wartungsvertrag über 15 Jahre. Ägyptische Konsortialpartner sind Orascom, eine private Bau-, Telekom- und Hotelgruppe, und der Baukonzern The Arab Contractors.
Laut Siemens-Chef Roland Busch entsteht damit das sechstgrößte Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnsystem der Welt, das etwa 90 Prozent der Ägypter Zugang zu sicheren, sauberen und erschwinglichen Verkehrsmitteln verschaffe. Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der bereits das Megaprojekt einer neuen Hauptstadt vorantreibt, sprach vom Beginn einer neuen Ära für die Eisenbahn in Ägypten, Afrika und im Nahen Osten.
Der Auftrag ergänzt einen bereits im September letzten Jahres unterzeichneten historischen Vertrags, der den Grundstein legte für ein integriertes Bahnnetz von 660 Kilometern Länge für den Personen- und Güterverkehr zwischen Rotem Meer und Mittelmeer. Dieses soll nun auf ein 1800 Kilometer langes Hochgeschwindigkeitsnetz erweitert werden, das am Nil entlang nach Süden führt.
Die Schnellzüge vom Typ Velaro haben sich für Siemens in den vergangenen Jahren zum Exportschlager entwickelt. In diesen Ländern sind sie unterwegs.
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Der deutsche ICE steht im Pariser Bahnhof Gare de l’est auf einer Nachbarschiene zu Frankreichs Flaggschiff, dem von Alstom gebauten TGV, Train à grande vitesse. Der Valero D erreicht Spitzengeschwindigkeiten von 320 km/h mit einer Zugkraft von 8000 kW. Anders als sein französisches Gegenstück kann der Siemens-Schnellzug made in Krefeld auf deutschen wie auf französischen Schienen verkehren – punktet also mit hoher Mobilität in Europa.

Der französisch-belgisch-britische Konzern Eurostar stellte 2014 insgesamt 28 Züge des Siemens-Modells für die Verbindung unter dem Ärmelkanal in Dienst. Das Auftragsvolumen lag bei 600 Mio. Euro. Weitere 200 Mio. Euro flossen in die Modernisierung der bestehenden TGV-Flotte. Eurostar freute sich über die „modernste Eisenbahnflotte Europas“. Der E320 bewältigt die Strecke London-Paris in etwas weniger als zweieinhalb Stunden. Da die Siemens-Züge im Gegensatz zu den TGVs kompatibel zu anderen europäischen Streckennetzen sind, bietet Eurostar weitere Verbindungen zu Zielen auf dem Kontinent an.

In Russland firmiert der Velaro als „Sapsan“, zu Deutsch Wanderfalke. Der Zug ist für Temperaturen von bis zu minus 50 Grad Celsius ausgelegt. Er verkehrt auf der Pendelstrecke zwischen Moskau und Sankt Petersburg: 650 Kilometer in drei Stunden und 45 Minuten. Der Startschuss für den Bau der ersten Sapsans fiel schon 2011. Vier von 13 Velaro-RUS-Zügen, in Design und Ausstattung ähnlich dem ICE3 der Deutschen Bahn, wurden an die russische Staatsbahn RZD ausgeliefert. Dann griff Präsident Putin die Ukraine an – und Siemens kappte die Verbindung. Die ausstehenden Züge würden nun „gefertigt und eingelagert“, so Siemens Mobility. Das Auftragsvolumen lag bei rund 1,1 Mrd. Euro – inklusive der Instandhaltung der Züge für 30 Jahre.

Im vergangenen Juni erhielt die staatliche türkische Eisenbahngesellschaft TCDD den 19. und vorerst letzten Zug, den sie bestellt hat. Die mit jeweils acht Waggons ausgestatteten Velaro-Züge verkehren auf den Hochgeschwindigkeitstrassen von Ankara nach Eskisehir (von dort soll es weiter nach Istanbul gehen) und nach Konja. Die Stadt Eskisehir ist ein wichtiges Zentrum für die Luftfahrtindustrie, während Konja eine bedeutende Drehscheibe für Autozulieferer und Landmaschinen ist und das Getreidedepot der Türkei beherbergt.

Die Bezeichnung des Siemens-Schnellzugs leitet sich aus dem spanischen „veocidad alta“ ab. Denn Spanien ist in Europa ein Pionier der hohen Geschwindigkeiten auf der Schiene – und Siemens ein traditioneller Partner. Schon die erste Strecke entstand für die Expo 92 von Madrid nach Sevilla und halbierte mit Spitzengeschwindigkeiten von 300 Km/h die Fahrzeit. 15 Jahre später machte der in Krefeld und Cornella gebaute Velaro E Schlagzeilen mit Testgeschwindigkeiten von 404 km/h in der Spitze. Seit 2008 verkehren die Schnellzüge AVE S 103 auch zwischen Madrid und Barcelona, von wo an das französische TGV-Netz angeschlossen wird – und auf der europäischen Spurweite. Damit setzte sich Spanien vom iberischen Maß und von Portugal ab.

Die Volksrepublik suchte Lösungen für den Massentransport und vereinbarte mit Siemens den Bau einer breiteren und längeren Version des Velaro. Ein erster Auftrag vom November 2005 umfasste 60 Schnellzüge, die mit 300 Kilometern pro Stunde zwischen Peking und Tianjin sowie Wuhan und Guangzhou verkehren. Es folgten Passagierzüge mit 16 Waggons und 400 Metern Länge für bis zu 350 Km/h und mehr als 1000 Fahrgästen zwischen Peking und Schanghai, die seit 2010 operieren. Inzwischen sind auf dem chinesischen Hochgeschwindigkeitsnetz mehrere hundert Züge mit Siemens-Technologie im Einsatz.

In Südafrika haben Siemens Mobility und die Bahngesellschaft PRASA in der Provinz Gauteng zuletzt ein neues Signalsystem in den Bahnhöfen Johannesburg Park, Braamfontein und Pretoria installiert. Für ein neues Hochgeschwindigkeitsnetz gibt es Pläne für Verbindungen zwischen Pretoria, Durban und Johannesburg. Über beginnende Machbarkeitsstudien sind sie aber noch nicht hinausgekommen. China hat bereits Interesse an einer Partnerschaft signalisiert. Die Volksrepublik hat in Nigeria eine Schnellstrecke zwischen der Metropole Lagos und Ibadan im Südwesten des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas gebaut. Die benötigt jedoch für etwa 150 Kilometer zweieinhalb Stunden.