Die Impfkampagne ist in den Sommerferien ins Stocken geraten. In vielen Arztpraxen wurde endlich der lange überfällige Urlaub genommen. Daneben haben sinkende Infektionszahlen bei manchen Menschen den Eindruck entstehen lassen, eine Immunisierung sei trotz der gefährlicheren Delta-Variante nicht nötig. Andererseits zeigt das hohe Interesse an Impfaktionen ohne Anmeldung, dass manche Bevölkerungsgruppen offenbar von der bisherigen Strategie schlecht erreicht werden. Hinzu kommt das Hin und Her um den Impfstoff Astrazeneca , der sich zunehmend zum Ladenhüter entwickelt.
204 Millionen Impfstoffdosen für 2022
Angesichts immer neuer Mutanten ist klar, dass neue beziehungsweise veränderte Impfstoffe gegen Covid-19 auch 2022 dringend benötigt werden. Nachdem die Bestellungen in der Europäischen Union und in Deutschland schleppend angelaufen waren, wollen die Verantwortlichen nun vorsorgen. Der Bund plant, für das Jahr 2022 insgesamt 204 Millionen Dosen an Impfstoffen zu kaufen. Das berichteten „Handelsblatt“ und das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf ein Papier des Bundesgesundheitsministeriums, der am 30. Juni 2021 dem Kabinett vorgelegt worden sei.
„Somit würde für Deutschland samt Sicherheitsreserve mit einer Versorgung von etwas mehr als zwei Dosen pro Einwohner gerechnet“, hieß es demnach. Die Kosten der Impfdosen für 2022 seien auf 3,9 Milliarden Euro beziffert worden. „Die notwendigen Haushaltsmittel stünden zur Verfügung, versichert das Gesundheitsministerium“, berichtete RND. Das Hauptaugenmerk liegt den Angaben zufolge weiterhin auf den neuartigen mRNA-Impfstoffen. Von diesen sollten laut dem Bericht aus Sicht des Robert-Koch-Instituts (RKI) genügend Dosen beschafft werden, um allein damit alle Impfungen abdecken zu können. Das Ministerium von Jens Spahn (CDU) plant laut dem Bericht daneben noch einen Vakzin-Mix als Sicherheitspuffer ein.
Auf diese Impfstoffe setzt Deutschland
Mit den nun geplanten Bestellungen würden zusätzliche Technologien berücksichtigt, „für die prinzipiell mit einer Eignung zur Auffrischung gerechnet“ werde, habe das Gesundheitsministerium das Kabinett informiert. Keine Rolle spielt hingegen der Impfstoff des deutschen Herstellers Curevac in den aktuellen Beschaffungsplänen. Das Vakzin aus Tübingen hatte in der finalen Analyse mit einer Wirksamkeit von nur 48 Prozent enttäuscht .
Mit diesen Impfstoffen will Deutschland 2022 die Bevölkerung vor dem Coronavirus schützen:
Die wichtigsten Impfstoffe 2022

Der Bund setzt bei der Impfstoff-Planung für 2022 auch auf Vakzine, die noch nicht zugelassen sind. Zu ihnen gehört das Präparat von Valneva. Laut RND hat das Bundesgesundheitsministerium vor, elf Millionen Dosen des Totimpfstoffs des französisch-österreichischen Pharmakonzerns zu kaufen. Das „Ärzteblatt“ hatte im April 2021 berichtet, dass Valneva eine abschließende klinische Studie zu seinem Impfstoff angekündigt hat. Bei der Studie solle VLA2001 mit dem Vakzin von Astrazeneca verglichen werden. „Verläuft sie erfolgreich, will Valneva im Herbst die Marktzulassung beantragen“, hieß es in dem Bericht. Zuvor habe Valneva die schleppenden Verhandlungen mit der EU-Kommission über mögliche Bestellungen des Impfstoffs kritisiert. Der Hersteller wolle das Vakzin deshalb einzelnen Staaten direkt anbieten. Das Vereinigte Königreich hat demnach bereits 100 Millionen Dosen bis 2022 bestellt.

Ebenfalls noch nicht zugelassen ist der Corona-Impfstoff des US-Herstellers Novavax. Die Prüfung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA läuft seit Februar 2021. Spahn plant laut RND bei diesem proteinbasierten Vakzin für 2022 mit 16,3 Millionen Dosen. Der WDR bezeichnete den Impfstoff Anfang Juli 2021 unter den neuen Kandidaten als den am weitesten fortgeschrittenen. „Studien zufolge lag die Wirksamkeit bei über 90 Prozent. Novavax ist weder vektorbasiert noch ein mRNA-Impfstoff. Er enthält stattdessen winzige Partikel von Spike-Proteinen des Sars-CoV-2-Virus, die im Labor hergestellt werden“, berichtete der Sender. Der Impfstoff müsse zweimal gespritzt werden und sei relativ leicht zu transportieren und zu lagern. Die Zulassung sei für das dritte Quartal 2021 geplant.

Der Impfstoff von Johnson & Johnson ist mit großen Erwartungen gestartet. Bei ihm ist nur eine Dosis für den vollen Impfschutz notwendig. Allerdings fällt der deutlich geringer aus als bei anderen Präparaten. Hinzu kamen zuletzt Befürchtungen über Lähmungserscheinungen (Guillain-Barré-Syndrom, GBS), die nach Impfungen mit dem Vakzin des US-Konzerns aufgetreten sein könnten. „Auch im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung mit dem Vakzin von Astrazeneca wurden GBS-Fälle berichtet. Die von den Behörden erhobenen Zahlen stellten aber keine besorgniserregende Erhöhung der GBS-Rate dar und derzeit gebe es auch keinen Beleg für einen kausalen Zusammenhang kommentiert Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN“, teilte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie am 14. Juli 2021 mit. Der Bund plant angeblich für 2022 mit 18,3 Millionen Dosen des Vektorimpfstoffs von Johnson & Johnson.

Das drittwichtigste Vakzin im Mix von Spahn stammt laut RND von Moderna. Der zugelassene mRNA-Impfstoff soll demnach 2022 mit 31,8 Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Spikevax, so der offizielle Markenname, erhielt Anfang Januar 2021 als einer der ersten Impfstoffe eine bedingte Zulassung in der EU. Bei der neuartigen Technologie wird ein Bauplan für ein Merkmal des Coronavirus in die Zellen eingeschleust. Auf diese Weise soll der Körper gezielt Antikörper gegen das SARS-CoV-2-Virus bilden können. Dem Impfstoff des US-Herstellers wurde nach beiden Impfungen eine Wirksamkeit von rund 95 Prozent bescheinigt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt ihn derzeit für Menschen ab 18 Jahren.

Die Impfstoffbeschaffung der EU wurde von Lobby-Verdacht überschattet. Insbesondere Frankreich wurde vorgeworfen, unbotmäßig auf eine Berücksichtigung des nationalen Pharmakonzerns Sanofi gedrängt zu haben, obwohl dessen Vakzin noch nicht einsatzbereit war. Der Verdacht lautete: Wurde deswegen weniger beim deutschen Anbieter Biontech bestellt? Das Ganze hat derartige Wellen geschlagen, dass diese Frage in den FAQ der Seite „Zusammen gegen Corona“ des Bundesgesundheitsministeriums einen eigenen Unterpunkt erhalten hat. „Sanofi ist ein bewährter und namhafter Hersteller, der seine Impfstoffe nach traditionellem Verfahren in Europa produziert. Dieses Verfahren ist etwas langsamer, aber dafür sehr sicher. Das Sanofi Produkt ist nur bedingt mit einem Impfstoff nach dem komplett neuen Verfahren von Biontech/Pfizer, CureVac oder Moderna vergleichbar“, hieß es dort. Sanofi und Glaxo-Smith-Kline haben im Mai 2021 mit der Phase-3-Studie begonnen. Der Bund setzt stark auf das Präparat. Er plant laut RND den Kauf von 42,7 Millionen des proteinbasierten Vakzins.

Impfstoff Nummer eins in Deutschland wird 2022 aber der hierzulande entwickelte Impfstoff von Biontech bleiben. 84,4 Millionen Dosen sollen laut RND zur Verfügung stehen. Dies entspreche Deutschlands Anteil an einer EU-Bestellung bei dem deutschen Pharmahersteller und dessen US-Partner Pfizer. Damit könnte theoretisch nahezu jeder Deutsche eine einmalige Dosis, zum Beispiel als Auffrischung, erhalten. Die Europäische Kommission hatte im April 2021 mit ihrem Biontech-Deal für Aufsehen gesorgt. Sie sicherte sich bis 2023 rund 1,8 Milliarden Dosen des begehrten Vakzins namens Comirnaty. Das ist auch deshalb so wichtig, weil das Präparat seit Juni 2021 von der EMA für Personen ab zwölf Jahren zugelassen ist. Die Stiko empfiehlt bislang (Stand Juli) die Biontech-Impfung erst für Kinder und Jugendliche der Altersgruppe, die bestimmte Vorerkrankungen haben oder bei denen sich Personen im Umfeld nicht selbst schützen können, zum Beispiel jüngere Geschwister oder Schwangere. Auch Jugendliche mit höherem Risiko am Arbeitsplatz fallen unter die Stiko-Empfehlung.