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Bernd Ziesemer Das Bleigewicht der Siemens AG

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Die Beteiligung an der früheren Energietochter Siemens Energy zieht auch den Mutterkonzern herunter. Eine Lösung ist nicht in Sicht

Eigentlich läuft es doch rund bei Siemens. Eigentlich. Der Münchner Konzern macht mit Industriesoftware immer bessere Geschäfte, marschiert bei der Künstlichen Intelligenz ganz vorn mit und präsentiert sich alles in allem als zukunftsfest. Wären da bloß nicht die Probleme der früheren Energiesparte, die seit September 2020 unter dem Namen Siemens Energy AG firmiert und an der Börse ein kümmerliches Eigenleben fristet. Die Aktie der Tochter notiert inzwischen rund ein Drittel unter ihrem Ausgabekurs und belastet damit auch den Mutterkonzern massiv, dessen Beteiligung immer weniger wert wird.

Vor der jüngsten Gewinnwarnung von Siemens Energy lag die Beteiligung der Siemens AG noch bei 31,9 Prozent und war knapp 4 Mrd. Euro wert. In den Büchern des Mutterkonzerns stehen die Aktien noch mit 20 Euro, an der Börse bekommt man sie jedoch für 15 Euro, so dass Siemens-Finanzchef Ralf Thomas im nächsten Quartalsbericht eine saftige Summe auf die Beteiligung abschreiben muss. Sie hängt wie ein Bleigewicht an den Füßen der Siemens AG, die sich doch so gern als leichtfüßige Organisation wie Microsoft oder Apple präsentieren möchte. Ihre Aktie kommt so lange nicht recht voran, wie das Problem Siemens Energy auf eine Lösung harrt.

Offenbar rechnet im Mutterkonzern so gut wie niemand mehr damit, dass die frühere Energiesparte ihre anhaltende Misere in ihrem Windenergiebereich in den Griff bekommt. Das sollte eine Warnung sein für alle, die immer mal wieder auf ein Wunder bei Siemens Energy hoffen. Am Mittwoch trennte sich der Mutterkonzern von einem großen Aktienpaket, die Beteiligung sinkt auf 25,1 Prozent. Weil sich aber kein richtiger Käufer in dieser Gemengelage findet, geht das Aktienpaket nur an den konzerneigenen Pensionsfonds, der sich nicht wehren kann. Ralf Thomas hat die Belastung also nicht wirklich verringert, sondern schiebt sie nur aus seiner Bilanz.

Eher Abschlag als Aufschlag

Bisher ist nicht erkennbar, wie die Siemens AG ihre restliche Schachtelbeteiligung loswerden kann. Normalerweise gehen solche Pakete mit einem Aufschlag über den Ladentisch, im Fall von Siemens Energy aber müsste Thomas mit einem Abschlag auf den jetzigen lausigen Aktienkurs rechnen. Denn schon gehen die Gerüchte um, dass wohl mit weiteren Belastungen bei Siemens Energy zu rechnen ist. Dabei verspricht Energy-Chef Christian Bruch immer wieder, man habe die technischen Probleme im Bereich der Windkraftanlagen „nun“ gelöst. In Wahrheit kann davon keine Rede sein. In der Branche spricht man inzwischen offen von Konstruktionsfehlern in den Anlagen, die möglicherweise gar nicht final zu beheben sind.

Der eigentliche Verantwortliche für das Desaster heißt jedoch nicht Christian Bruch, sondern Joe Kaeser. Der jetzige Aufsichtsratschef von Siemens Energy und frühere Vorstandsvorsitzende der Siemens AG war in seinen verschiedenen Funktionen an allen Fehlentscheidungen führend beteiligt – von der Fusion mit dem spanischen Windkraftturbinenhersteller Gamesa 2016 bis zu seiner vollständigen Übernahme im letzten Jahr. In früheren Jahren stilisierte sich „Kaiser Kaeser“ gern als globaler Großmanager. Doch wie sich jetzt zeigt, verstieß der Siemens-Mann gegen die einfachste Kaufmannsregel: schlechtem Geld nicht noch weiteres Geld hinterherzuwerfen.

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