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Credit Suisse Die Illusion der Sicherheit

Die Schweizer Großbank Credit Suisse wird von der UBS übernommen
Die Schweizer Großbank Credit Suisse wird von der UBS übernommen
© IMAGO / Andreas Haas
Eine bessere Regulierung sollte Bankenpleiten nach der großen Finanzkrise 2008 verhindern. Der Absturz der Schweizer Großbank Credit Suisse zeigt: Strengere Regeln sind gut, doch am Ende geht es nicht ohne den Staat

Wenn es nicht so ernst wäre, im Schicksal der Schweizer Großbank Credit Suisse liegt eine fast schon provokante Leichtigkeit: Wie einfach es doch war, eine der größten Banken der Welt einfach hinwegzufegen – wer hätte das vor ein paar Tagen noch gedacht? Trotz aller Skandale und Verluste, nach ihren Zahlen war die Credit Suisse immer noch grundsolide. Und doch, wenige Tage der Unsicherheit, ein ungeschicktes Interview in Saudi-Arabien und ein hektisches Wochenende reichten, um eine der wichtigsten Banken der Welt mehr oder weniger abzuwickeln.

Das wirft viele Fragen auf, die am Tag danach kaum mit Sicherheit zu beantworten sind. Vor allem aber sagt es nichts Gutes über die vergangenen 15 Jahre. Gerade mal 15 Jahre sind nämlich vergangen seit der letzten großen Finanzkrise, in der Banken mit hunderten Milliarden Steuergeld vor dem Kollaps gerettet werden mussten, um einen kompletten Zusammenbruch der Weltwirtschaft zu vermeiden. 15 Jahre, in denen Manager, Aufseher, Zentralbanker und Finanzpolitiker auf der ganzen Welt eigentlich daran arbeiten wollten, dass so eine Situation möglichst nie wieder entsteht: Dass sich eine große Bank plötzlich als so schwach erweist, dass sie in einer Nacht- und Nebelaktion vom Staat oder zumindest mit tatkräftiger Unterstützung des Staates aufgefangen werden muss. „Nie wieder“ war damals eine sehr oft benutzte Redewendung – die nicht lang gehalten hat.

Gut möglich, dass Historiker mit etwas Abstand in einigen Jahren den Untergang der Credit Suisse als einen der teuersten Unfälle der Wirtschaftsgeschichte beschreiben werden. Denn von ihrer Kapitalausstattung und ihrem Geschäftsmodell hätte die Großbank weiter eine Zukunft haben können. Es war vielmehr eine Verkettung hausgemachter Fehler und unglücklicher Umstände, die die Bank schließlich hinwegfegten. Insofern stellt sich umso mehr die Frage, wie die Pleite einer US-Regionalbank Anfang vergangener Woche, die ihre eigenen Investments nicht gegen ein Zinsänderungsrisiko abgesichert hatte, einen Koloss der Branche so schnell dahinraffen konnte? Und diese Frage berührt zwei sehr grundsätzliche Irrtümer über die Bankenregulierung seit der letzten großen Finanzkrise 2008.

Trügerischer Glaube an die Regulierung

Der erste Irrtum betrifft die schärferen Regulierungsregeln für Banken, die strengeren Eigenkapitalvorschriften und Transparenzvorschriften. Sie sollten mehr Sicherheit schaffen, und die Credit Suisse hielt sie überwiegend ein – die zahlreichen Skandale der Bank (Greensill-Pleite, Archegos) zeigten aber bereits in den letzten Jahren, dass auch noch so strenge Vorschriften keine wirkliche Sicherheit schaffen. Die strengere Regulierung hat die Banken zwar sicherer gemacht, aber keinesfalls sicher – im Gegenteil: Sie hat auch eine Illusion von Sicherheit geschaffen, die wiederum besonders gutgläubig machte. Der Glaube an die Regulierung war auch eine bequeme Begründung für die Politik, sich ansonsten mit der Finanzbranche nicht weiter beschäftigen zu müssen.  

Was zum zweiten Irrtum führt, der uns alle betrifft: Dieses „Nie wieder“ aus der letzten Finanzkrise war immer eine Form von Selbstbetrug. Die Empörung damals über gierige und skrupellose Banker war so groß, dass sie nach Vergeltung und Gerechtigkeit verlangte. Aber letztlich ist Banking kein Ort für Vergeltung. Banken erfüllen einen lebenswichtigen Zweck für die Wirtschaft, für Unternehmen und Privatkunden. Niemand kann ernsthaft wollen oder glauben, dass eine Bank wie die Credit Suisse einfach dichtmacht und nur die Aktionäre haften. Nein, eine solch unkontrollierte Pleite hätte so gravierende Folgen für den Finanzsektor und die Realwirtschaft, dass dagegen eine staatliche Rettungsaktion für diese eine Bank, sei sie noch so teuer, vergleichsweise günstig erscheint.

Im besten Fall wird der gestrige Eingriff der Schweizer Regierung eine große Ansteckung in der Finanzindustrie verhindern. Selbst dann sollte dieses Wochenende aber Anlass sein, um den Bankensektor und seine Regulierung noch mal neu anzugehen.

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