Sie können das ganze Frauengedöns nicht mehr hören? Eigentlich finden Sie, dass dieses Gleichstellungsbrimborium in den letzten Jahren nun wirklich zur Genüge rauf und runter dekliniert wurde? Mittlerweile fragen Sie sich, was die Damen eigentlich wollen, wenn Sie sich nach überschaubarer Zeit – siehe Familienministerin Kristina Schröder - doch wieder von ihren Topposten zurückziehen? Und außerdem gibt es ja wohl keinen Zweifel, dass es gerade jetzt in den laufenden Sondierungsrunden und anstehenden Koalitionsverhandlungen wirklich wichtigere Themen gibt?
Kann man so sagen und sagen selbst engagierte Gleichstellungsaktivisten. Die sind genervt bis frustriert, in jedem Fall hochgradig verärgert. Denn es geht in der Frauenpolitik nicht um einen hinterhältigen Komplott oder um ein „kleines schmutziges Geheimnis“ wie Anti-Frauenquotenministerin Schröder nach ihrer Rückzugsankündigung brutalst offen enthüllt hat. Da würden doch tatsächlich einige eine „fifty-fifty-Verteilung“ herbeiputschen wollen. Oh my god!
Schröder hat in ihrer Amtszeit erfolgreich gegen eine 50-, 40-, 30-Prozent und jegliche noch so mickrige Quote gekämpft. Sie ist bekennende Blockiererin. Aber selbst eine glühende Verfechterin wie ihre Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen hat keinen verbindlichen politischen Konsens zur Frauenförderung erzielt. Zwei Legislaturperioden lang wurde an dem Thema ein bisschen herumdiskutiert, ohne dass eine der beiden Regierungskoalitionen Union-SPD und Union-FDP ihrem Auftrag nachgekommen wäre. Der ist im Gegensatz zu anderen wichtigen Themen sogar im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland - Artikel 3, Absatz 2 - verankert: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“.
Merkel bleibt nebulös
Der Staat sorgt mit Kita-Ausbau und Elterngeld für bessere Rahmenbedingungen, fördert aber die Durchsetzung der Gleichberechtigung nicht. Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Förderung von Frauen bringt keine befriedigenden Fortschritte. In den vergangenen drei Jahren ist die Frauenquote in den 160 großen börsennotierten Unternehmen hierzulande von 10 auf 17,4 Prozent gestiegen. Der Anteil weiblicher Vorstände verdoppelte sich von drei auf 6,1 Prozent – und verringert sich mit jedem der in den letzten Wochen bekannt gewordenen Abgänge wieder rapide.
Das sind Zahlen des "Women-on-Board-Index", den der Verein "Frauen in die Aufsichtsräte" (Fidar) erhebt, der wiederum vom CDU-geführten Familienministerium gefördert wird. Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow hält diese Drei-Jahres-Bilanz für ernüchternd und machte bei der Vorstellung der Zahlen zwei Tage vor der Bundestagswahl ihrer Enttäuschung über die Regierung Luft: „Von der Kanzlerin hätte ich mir mehr erwartet“.
Die mittlerweile dreifach gekrönte Regierungschefin, die sich zu keiner konkreten Positionierung in der Frauenpolitik hinreißen lässt, hatte im Mai bei einem Treffen mit Topmanagerinnen im Kanzleramt, zwar auch eingeräumt, dass die bisherigen Ergebnisse mager seien und in das Schneckentempo Bewegung kommen müsse. Wie das geschehen soll, sagte die laut Forbes-Magazin mächtigste Frau des Planeten aber nicht. Und – Scheinheiligenschein ick seh Dir blinken - auch nicht, dass ihre Union kurz zuvor den Endspurt zu einer gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquote für Aufsichtsräte scharf ausgebremst hatte.
SPD stellt Forderungen
Die zuvor fraktionsübergreifend unterstützte und sicher geglaubte Abstimmung über die feste Quote wurde in einem Showdown im Bundestag abgeblasen. Der Machtkampf innerhalb der Union, den an vorderster Front Arbeitsministerin von der Leyen gegen Merkel und deren Exekutor, Unions-Fraktionschef Volker Kauder, ausgefochten hat, zeigt, wie viel Zunder im Frauengedöns steckt. Den befürchteten Koalitionsknatsch mit der Anti-Frauenquotenpartei FDP hat die Union zwar abgewendet und das Thema anschließend konsequent aus dem Wahlkampf ausgeblendet. Doch die Wunden aus dem Abstimmungskampf im April sind bei vielen verprellten CDU- und CSU-Frauen noch nicht verheilt – bei der SPD, die den Gesetzentwurf initiiert hatte schon gar nicht.
Das wird sich in den Koalitionsverhandlungen rächen. Während in den Sondierungsgesprächen vor allem die großen Themen – Steuern, Energie, Mindestlohn – ausgelotet werden, mahnen erste Sozialdemokraten wie Elke Ferner, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), dass sie einem Bündnis mit der Union erst zustimmen, wenn im Koalitionsvertrag auch die Frauenquote in Aufsichtsräten festgeschrieben werde. Die SPD hatte im Wahlkampf sogar mit einer Quote von 40 Prozent sowohl für Aufsichtsräte wie für Vorstände bis 2017 geworben.
Die CDU wird das Thema nicht wieder aussitzen können. Braucht sie auch nicht. Denn von der Leyen hatte ihren Parteikollegen im April vor der Bundestagsschlappe bereits abgerungen, sich erstmals öffentlich zu einer festen Quote zu bekennen: 30 Prozent Frauenanteil in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen ab 2020. Ein entsprechendes Gesetz werde gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode verabschiedet, versprach Kauder damals.
Also Kauder, ran da: Treiben Sie das Thema selbst voran. Sie haben sogar noch ausreichend Verhandlungsmasse. Weitere sieben Jahre müssen Sie der Wirtschaft nun wirklich nicht noch Zeit lassen, das geht auch früher. Die Unternehmen spüren den Druck schon längst und sind auch schon dabei den weiblichen Nachwuchs zu rekrutieren. Sich lediglich auf die Quote im Aufsichtsrat zu konzentrieren ist ohnehin schon der kleinste, nun wirklich zumutbare Nenner. Und Herr Kauder, wenn Sie sich ganz überraschenderweise für das Thema stark machen sollten, können Sie damit mal Popularitätspunkte sammeln. Sie wären ein echter Trendsetter.
Die letzten Kolumnen von Jenny Genger: Jetzt lasst mal die Männer ran, Anarchismus der Anzugträger, Hopp, hopp – bewegt Euch! und Grube im Kummerland
E-Mail: genger.jenny@capital.de
Fotos: Trevor Good; Getty Images