Natürlich können Frauen alles mögliche: Fahrradreifen flicken, Holz hacken, Tiere ausbeinen, zum Mond fliegen, Königin und Kanzlerin werden. Der Papst-Thron ist noch tabu. Aber ansonsten steht ihnen in westlichen Kulturen nach jahrhundertelanger gesellschaftlicher und jahrzehntelanger ökonomischer Emanzipation theoretisch alles offen. Theoretisch. Faktisch gibt es hier in Deutschland zwar mehr Frauen (laut Zensus 51 Prozent) als Männer, die Mädchen sind in der Schule besser als die Jungs. Praktisch kommen trotzdem ganz oben an den Schaltzentralen der Macht in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft nur ganz wenige von ihnen an. Ja, so weit, so bekannt. Und mittlerweile auch so durchgenudelt, dass durch die inflationäre Penetranz des Themas Frauenquote eher Rückschläge denn schnellere Erfolge drohen. Wir sind an einem sensiblen Punkt angelangt, wo es Zeit für einen Strategiewandel ist. Ein bisschen was hat sich getan In den letzten drei Jahren war der massive Dauerdruck von Frauennetzwerken und -beauftragten genau die richtige Devise, um bei Entscheidungsträgern in Personalabteilungen, Vorständen und Aufsichtsräten nicht nur für Aufmerksamkeit, sondern für Alarmstimmung zu sorgen. Viele, die Frauenförderung anfangs noch als das übliche Gedöns abgetan haben, waren geradezu schockiert, mit welcher Beharrlichkeit sich Politik und Medien ausnahmsweise mal diesem Thema widmen. Langsam sickerte die Erkenntnis durch, dass eine Frau in den männlich dominierten Vorstands- und Aufsichtsratsreihen zumindest imagefördernd wirkt, wohl nicht einmal dem Geschäft schadet, am Ende gar noch zum operativen Erfolg beiträgt. Zwölf Jahre nachdem sich die deutsche Wirtschaft zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Frauenförderung durchgerungen hat, vier Jahren nachdem die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex gemahnt hat, dem wirklich Taten folgen zu lassen und zwei Jahre nachdem Spitzenpolitiker erkannt haben, dass sich auch bei diesem Thema mit Regulierungs- und Sanktionsdrohungen Wahlkampf betreiben lässt, hat sich ein bisschen was bewegt: Rund 17 Prozent der Aufsichtsräte aller börsennotierten Unternehmen sind weiblich und sechs Prozent der Vorstände. So weit, so entfernt von einem ausgewogenen Verhältnis. Doch jetzt muss die nächste Stufe gezündet werden, die über weitere 10, 20, 30 Prozent trägt. Und das bekommen die Frauen nicht allein hin. Die mächtigsten Politikerinnen von Kanzlerin Angela Merkel, über Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, ganz zu schweigen von Familienministerin Kristina Schröder bis hin zu EU-Kommissarin Viviane Reding, haben sich in der Quotendiskussion gegenseitig stranguliert. Und die Topmanagerinnen, die sich endlich in die Führungsetagen emporgekämpft haben, sind zu sehr mit sich beschäftigt, mit dem Quotenstigma, dem Erfolgsdruck. Da bleibt kein Raum, um als Gallionsfigur für die Chancen der Geschlechtsgenossinnen zu kämpfen. Schlimmer noch, es gibt resignierte Rückzugsgefechte und anonyme Leidensberichte aus der Elitenhölle. Eine deutsche Sheryl Sandberg, die sich mutig positioniert, motiviert und fördert, ist weit und breit nicht in Sicht. Die Positionen der Herren Chefs Da hilft nur eins: Lasst mal die Männer mit ran. Die halten die Machtzentralen der deutschen Wirtschaft noch besetzt. Und von dort oben muss das Signal für einen grundlegenden Wandel gegeben werden. Die Revolution von unten hat dafür einen guten Nährboden geschaffen. Nun muss die negative Alarmstimmung bei den Chefs in ein positives Aktionsklima verwandelt werden. Dafür ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt. Auch wenn sie vorher nur widerwillig mitgespielt haben, können die Herren Chefs sich jetzt sehr wohl mit so einem Thema wie Gleichbehandlung von Frauen und Förderung von Vielfalt in der Führung positionieren. Denn das ist eines der zentralen Themen für moderne Unternehmen, die sich dem grundlegenden Wandel in der Arbeitswelt stellen müssen. Wenn sie es zu ihrer Idee, zu ihrem Werk und zu ihrem Erfolg machen können, sind Männer auch bereit dafür zu kämpfen. Also lasst sie machen. Ein paar Vorkämpfer haben sich schon mit geradezu missionarischen Appellen an ihr Geschlechtsgenossen hervorgetan: Investmentguru Warren Buffett hat vor einigen Wochen erklärt, warum es absolut bullish ist, dass Frauen der Schlüssel zum Wachstum der USA sind ), Cisco-Chef John Chambers hat ein Loblied auf Facebook-Managerin Sandberg gesungen, deren Buch „Lean in“ ihm erst die Augen für die Situation von Frauen geöffnet habe. Chambers hat gleich eine ganze Fuhre des Bestsellers gekauft und seiner gesamten Führungsmannschaft als Pflichtlektüre verordnet (http://read.bi/ZKOkz6). Selbst in Deutschland haben sich sogar einige der Old Boys auf die Seite der Frauen geschlagen: Der langjährige Chef und zuletzt Aufsichtsratsvorsitzende der Lufthansa, Jürgen Weber, überschlug sich im vergangenen Jahr bei der Hauptversammlung fast vor Freude als er mit Simone Menne die erste Frau im Vorstand der Fluggesellschaft präsentieren konnte. Abseits des Protokolls holte er die Finanzexpertin sogar auf die Bühne und überließ ihr seinen Platz, um sich den Aktionären zu präsentieren. Mittlerweile ist mit Bettina Volkens sogar noch eine zweite Frau in das fünfköpfige Führungsgremium gezogen. Vor wenigen Tagen proklamierte RWE-Chef Peter Terium bei einer Veranstaltung des Frauennetzwerks FidAR , dass Frauen ein wesentliches Instrument seien, „um die deutsche Wirtschaft für die Zukunft besser aufzustellen“ ). Und Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen hat sich sogar dazu hinreißen lassen zu behaupten, er werde den Konzern nicht verlassen, bevor eine Frau in das oberste Führungsgremium eingezogen sei. Bislang ist das noch nicht der Fall. Aber an seinen Worten wird er sich messen lassen. Jenny Genger schreibt jeden Donnerstag an dieser Stelle über Unternehmensführung, Netzwerke und Karrierethemen.
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