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Benzin und Diesel Vier Gründe für die hohen Preise an den Tankstellen

Die Tankstellenpreise bleiben trotz staatlicher Fördermaßnahmen in Deutschland hoch
Die Tankstellenpreise bleiben trotz staatlicher Fördermaßnahmen in Deutschland hoch
© IMAGO/Bihlmayerfotografie
In der vergangenen Woche hat die OPEC angekündigt, mehr Öl zu fördern. Was passierte? Der Ölpreis stieg – und daraufhin auch der Benzinpreis. Das steckt hinter dem Paradox

Wie angespannt die Lage am Ölmarkt ist, zeigte sich am vergangenen Donnerstag. Kurz nachdem die OPEC+, das mächtige Kartell der erdölproduzierenden Länder, ankündigte, ihre Fördermenge zu erhöhen, schossen die Preise in die Höhe. Mittlerweile kostet ein Barrel wieder so viel wie kurz nach dem Kriegsausbruch. An den Tankstellen zeigt sich das gleiche Bild: Trotz Sprit-Steuersenkung kostet ein Liter Benzin laut ADAC mittlerweile wieder 2,02 Euro. Wie kann das sein: Mehr Angebot und trotzdem höhere Preise? Vier Gründe, warum die Öl- und Tankpreise aktuell so hoch sind.

1. EU-Embargo

Der maßgebliche Grund für die jüngste Preisrallye war das weitgehende EU-Embargo gegen russisches Öl. Fast drei Millionen Barrel müssen bis zum Jahresende irgendwie ersetzt werden. Das treibt die Preise am Weltmarkt.

2. Geringeres Angebot durch OPEC+

Dass die Rohölpreise nach der OPEC+-Ankündigung gestiegen sind, ist nur auf den ersten Blick überraschend. „Das war ein Taschenspielertrick der OPEC+. Nicht mehr und nicht weniger“, sagt Carsten Fritsch, Rohstoff-Analyst der Commerzbank. Schon vor einiger Zeit kündigte das 17 Länder umfassende Kartell an, ab September für drei Monate 430.000 Barrel mehr pro Tag zu fördern. Die waren also schon im Markt eingepreist. Die OPEC+ ist im Vergleich zur Kernorganisation OPEC (13 Mitglieder) etwas größer und produziert etwa 40 Prozent des globalen Ölangebots.

Jetzt kündigten die OPEC+-Länder zudem an, bereits ab Juli 650.000 Barrel mehr pro Tag zu fördern – aber nur für die kommenden zwei Monate. Real kommt also weniger Öl auf den Markt, wenn die OPEC+-Länder die Fördermengen nicht verlängern. Das trieb die Preise nach oben auf fast 125 Dollar für ein Barrel der Nordseesorte Brent. Hinzu kommt, dass Russland in dieser Ausweitung mit vorgesehen ist. „Dass Russland aber im Juli und August bis zu 170.000 Barrel pro Tag mehr produziert, ist unrealistisch“, sagt Fritsch. Auch in anderen Ländern scheinen die Fördermengen ambitioniert.

Schon in den vergangenen Monaten förderten die OPEC+-Länder konstant weniger als angekündigt. Nach Daten von S&P Global lagen sie durchschnittlich 2,6 Millionen Barrel pro Tag unter Plan, was beinahe drei Prozent der weltweiten Ölnachfrage entspricht. „Eigentlich gibt es nur vier OPEC-Länder, die das Potenzial hätten, mehr zu produzieren“, sagt Fritsch. „Die haben nun im Juli und August einen Spielraum von zusätzlichen 110.000 Barrel pro Tag. Das ist fast nichts.“ Vielmehr fallen zum Jahresende drei Millionen Barrel russisches Öl pro Tag aus dem Markt, die normalerweise in die EU gegangen wären. Auch China und Indien werden das nicht im selben Maße abnehmen und kaufen weiter am Weltmarkt. Das verschärft den Angebotsengpass weiter.

3. Fehlende Investitionen

In den vergangenen Jahren wurde rückblickend zu wenig in neue Ölfelder investiert, um den aktuellen Bedarf zu decken. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen waren die Ölpreise lange niedrig, was Investitionen wenig lukrativ machte. Außerdem gab es politische Gründe und zahlreiche Anschläge auf Pipelines, die das Investitionsklima unattraktiv machten. Bei den Investitionen gibt es aber Unterschiede: Bis eine Bohrinsel im Meer ans Öl-Netz geht, vergehen in der Regel bis zu zehn Jahre. Dazwischen liegen zahlreiche Expeditionsfahrten, fehlgeschlagene Probebohrungen und langwierige Genehmigungsverfahren. So summieren sich die Startkosten für eine Bohrinsel schnell auf über 100 Mio. Euro. Anders ist es zum Beispiel bei konventionellen Ölfeldern im Nahen Osten.

Mittlerweile, so Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch, seien die Preise aber wieder lukrativ für Investitionen. Er rechnet daher damit, dass das Angebot in den kommenden Monaten sukzessiv ausgebaut wird. „Zwar langsam, aber die Produktion sollte schon zulegen.“

4. Verarbeitungsprobleme

Selbst wenn plötzlich unendlich viel Rohöl zur Verfügung stünde, wäre damit nur wenig geholfen. Es kommt nämlich darauf an, wo das Öl herkommt. Raffinerien können nicht jedes beliebige Rohöl zu Benzin oder Kerosin verfeinern. Öl aus dem Nahen Osten ist beispielsweise saurer als die Nordseesorte Brent, hat also einen höheren Schwefelgehalt und wird aufwendiger aufbereitet.

Öl aus Kanada wird zunächst mit heißem Dampf aus dem öligen Sand herausgewaschen und erst dann weiterverarbeitet. Generell gilt: Fast jedes Öl muss anders verarbeitet werden. Das heißt aber auch, dass zusätzliche Fördermengen – beispielsweise aus den OPEC-Staaten – nur bedingt helfen. Jedenfalls nur in dem Maße, wie die Raffinerien das Öl aus OPEC-Staaten verarbeiten können. Und da die globalen Raffineriekapazitäten laut der Internationalen Energieagentur (IEA) 2021 erstmals seit 30 Jahren gesunken sind, wird das zunehmend schwierig. 

Crack Spread

Öl- und Benzinpreise hängen zwar zusammen, aber der Einfluss schwankt. Die Ölpreise sind aktuell zwar hoch, aber Spritpreise liegen vergleichsweise aber deutlich höher. Ausgedrückt wird das im sogenannten „Crack Spread“. Der Name geht auf das Zerlegen des Erdöls („cracken“) in der Raffinerie zurück. „Beim Crack Spread spielt nicht nur der Erdölpreis an der Börse eine Rolle, sondern auch die Raffineriekapazitäten bzw. die Produktherkunft“, erklärt Professor Dominic Möst von der Technischen Universität Dresden gegenüber Capital. Auffällig: Dieser Crack Spread ist aktuell so hoch wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnung 2007.

Der Anstieg begann schon im November 2021, also vor Ausbruch des Krieges. Dafür gibt es drei Gründe: Zum einen sind die Raffineriekapazitäten wie beschrieben 2021 gesunken. Zwischenzeitlich hat sich die Nachfrage aber nach der Coronakrise erholt, was zu einem ersten Angebotsschock führte. Hinzu kamen jetzt das Öl-Embargo gegen Russland und geringere Rohstoffexporte aus China.

Auf dem Ölmarkt gibt es also einen größeren Angebotsschock. „Diese Umstellung führt gegenwärtig zu einem Anstieg des Spreads, da Kapazitäten als langfristige Infrastruktur sich nicht sofort an die neue Situation anpassen. Ergänzend lassen sich auch Mitnahmeeffekte der Konzerne nicht ausschließen“, erklärt Möst. Es geht also darum, die Raffinerie-Kapazitäten auszubauen. Gerade das wollen die Betreiber aber offensichtlich nicht tun. Nur die wenigsten wollen sich auf Capital-Anfrage hierzu äußern. Shell kündigte allerdings an, sich weltweit auf nur noch fünf Standorte zu konzentrieren.

Wann sinken die Preise?

Analysten überbieten sich derzeit mit ihren Szenarien. Morgan Stanley schätzt, dass der Ölpreis bald das Allzeithoch von 150 Dollar pro Barrel übersteigen könnte. JP Morgan erwartet sogar 175 Dollar, Goldman Sachs immerhin 140 Dollar. „Wenn ich diese Anhäufung von bullischen Kommentaren sehe, dann ist das für mich eher ein Indiz dafür, dass wir schon nah an der Spitze sind“, sagt Fritsch. Der Commerzbank-Analyst will zwar nicht ausschließen, dass die Preisniveaus aus dem März kurzfristig erreicht werden – darüber hinaus ist er aber skeptisch. „Dass wir 150 Dollar überschreiten, halte ich als Aussage nicht für seriös.“

Viele blenden aus, dass in den kommenden Monaten große Mengen aus strategischen Ölreserven freigegeben werden – nämlich insgesamt 240 Millionen Barrel bis Oktober. Die USA dürften zudem deutlich mehr Öl produzieren. Commerzbank-Experte Fritsch aber auch andere Analysehäuser erwarten daher niedrigere Preise im zweiten Halbjahr.

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