Noch ist es nicht sehr viel mehr als ein Gerücht: Der Staatskonzern Adnoc aus Abu Dhabi prüft angeblich die Übernahme von Wintershall Dea, der Erdöl- und Gas-Tochter von BASF. Für den deutschen Chemiekonzern, der gut zwei Drittel der Wintershall-Aktien kontrolliert, wäre es ein Befreiungsschlag. Seit Jahren bemühen sich die Manager des Ludwigshafener Traditionsunternehmen, den gescheiterten Ausflug in die Welt der Exploration und Förderung zu beenden. Doch immer kam in letzter Minute etwas dazwischen – zuletzt die faktische Enteignung des Russland-Geschäfts von Wintershall Dea. Nun könnte es klappen – wenn man sich final über die Bewertung einigt. Rund 10 Mrd. Euro könnten in die Kassen von BASF fließen, die man in Ludwigshafen dringend braucht für die Umstellung des Konzerns auf erneuerbare Energien und Wasserstoff.
So wie BASF geht es gegenwärtig gleich mehreren deutschen Konzernen: Sie wollen sich unbedingt von dem Ballast unrentabler Bereiche befreien und hoffen, dass 2024 für sie zu einem Jahr der Befreiung werden könnte. So verhandelt Thyssenkrupp mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky über die Stahlsparte des Konzerns, die man in Essen seit über zehn Jahren losschlagen möchte. Siemens Energy sucht nach einem Weg, das Windkraftgeschäft des Konzerns zu sanieren – und würde am liebsten den ganzen Onshore-Bereich verkaufen.
Einen Sonderfall kann man in Leverkusen beobachten: Die Bayer AG kommt seit der Übernahme von Monsanto nicht mehr auf die Füße. Doch ein Verkauf der Agrarsparte ist so gut wie unmöglich, solange immer neue Prozesse gegen den Konzern in den USA anlaufen. Deshalb dürfte sich Bayer demnächst eher von seiner Sparte für rezeptfreie Medikamente trennen, für die sich leicht ein Käufer finden dürfte. Irgendetwas muss der neue Bayer-Chef machen, weil es auch im Pharmageschäft (dem dritten Standbein des Konzerns) schlecht aussieht.
Konglomerate funktionieren nicht
Die Bereinigungsaktionen zeigen: Viele deutsche Konzerne haben in den letzten Jahrzehnten viel Geld in die falschen Investitionsprojekte gesteckt. Oft sind die heutigen Probleme das direkte Ergebnis verfehlter Übernahmen – wie bei BASF oder Bayer. Zugleich sind sie ein Beispiel dafür, dass Konglomerate nicht besonders gut funktionieren. Wo könnte Siemens Energy heute zum Beispiel stehen, wenn man sich auf das weiterhin profitable und zukunftsträchtige Offshore-Geschäft konzentriert hätte statt den spanischen Konkurrenten Gamesa schrittweise zu übernehmen? Und wäre Thyssenkrupp nicht sehr viel besser gefahren, wenn der Essener Konzern nicht so viele Jahre lang vergeblich versucht hätte, unterschiedlichste Geschäftsfelder unter einem Dach zu halten?
Die Sucht nach Größe führt seit jeher zu schwersten Managementfehlern. Die „Regenmacher“ der Investmentbanken laufen den Vorständen in der Industrie die Bude ein mit immer neuen Vorschlägen für angeblich „logische“ Übernahmen, die sich am Ende stets selbst rechnen sollen. Wer erinnert sich noch an die vielen Millionen, die Goldman Sachs und Co bei dem Monsanto-Deal eingenommen haben? Die Investmentbanker sind die einzigen, die immer gewinnen, egal wie es läuft und egal ob ihre Prophezeiungen eintreten oder nicht: Jetzt können sich wieder viel Geld kassieren, wenn die Industriekonzerne ihren Ballast abwerfen und neue Käufer für ganze Unternehmenssparten suchen.