Saori Dubourg bekommt jetzt im Nachhinein recht. Als Vorstandsmitglied der BASF hatte sie 2022 mehrfach vor der 10-Mrd.-Euro-Investition ihres Konzerns in China gewarnt, der größten in der ganzen Geschichte des Konzerns. Doch der damalige Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller und Aufsichtsratschef Kurt Bock bügelten die Kritik an dem Großwerk in Zhanjiang ab und drängten Dubourg im Februar 2023 holterdiepolter und unter unwürdigen Umständen aus dem Unternehmen.
Jetzt gibt der Nachfolger Brudermüllers, Markus Kamieth, notgedrungen erstmals zu: Der Verbundstandort im Süden Chinas wird die erhofften Margen nicht abliefern, wenn er im nächsten Jahr voll in Betrieb geht. Grund dafür seien die „deutlichen Überkapazitäten“. Das Angebot sei viel höher als in der Planung des Konzerns erwartet, erklärte Kamieth in der vergangenen Woche. Den Namen Dubourg nannte der BASF-Chef nicht, obwohl sie gerade vor diesen Überkapazitäten in China gewarnt und die euphorischen Erwartungen der Konzernspitze infrage gestellt hatte.
Eigentlich müsste der Konzern seine damalige Managerin, die inzwischen als CEO einen Konzern in Österreich leitet, rehabilitieren. Doch das gibt es in der deutschen Industrie so gut wie nie – und bei BASF schon gar nicht. In Ludwigshafen herrscht seit Jahrzehnten eine verfehlte Führungskultur, in der harte Kritik verpönt ist und die falschen Entscheidungen der Vergangenheit nicht offengelegt, sondern vertuscht werden. Der Konzern rekrutiert seine Topmanager nahezu ausschließlich aus den eigenen Reihen, Input von außen gibt es kaum. Und die Aufsichtsratsspitze besetzt stets ein ehemaliger Vorstand, der sich also selbst desavouieren müsste, wenn er einen radikalen Kurswechsel einleitet.
BASF-Aktienkurs hat sich seit 2017 mehr als halbiert
Obwohl es in den letzten zehn Jahren mit BASF nicht vorwärtsgeht, spiegelt der Konzern der Öffentlichkeit vor, alles laufe nach einem großen Plan geordnet weiter in die richtige Richtung. Dabei hat sich der Kurs der BASF-Aktie seit seinem Hoch Ende 2017 mehr als halbiert. Damals verdiente der Konzern 12,7 Mrd. Euro (EBITDA), im vergangenen Jahr nur noch 7,9 Mrd. Euro. Über die Jahre hörte man zahllose Versprechungen, dass es nun bald besser werde. Doch sie wurden enttäuscht.
Dem heutigen BASF-Chef Kamieth kann man zugutehalten, dass er etwas offener kommuniziert, wie es mit dem Konzern tatsächlich steht. China ist nur ein Beispiel von vielen. Doch die Führungskultur des Konzerns zwingt ihn zu einem Ritt auf der Rasierklinge. Jeden tieferen Einschnitt gilt es stets in ein Bekenntnis zur Kontinuität zu kleiden. Jede grundsätzliche Kritik an dem geheiligten Prinzip des sogenannten „Verbunds“ in der Chemieproduktion fällt unter das Denkverbot der Altvorderen. Deshalb produziert BASF ungerührt weiter schwer verkäufliche Basischemikalien, egal ob in Ludwigshafen oder jetzt auch in Zhanjiang.
Was den Verbundstandort in Zhanjiang betrifft, bereitet man die Aktionäre auf schlechte Zahlen vor, scheut aber nach wie vor die volle Wahrheit: Der Konzern wird in China niemals die Ziele erreichen, die man sich vor Jahren gesteckt hat.