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Aktie im Abwärtsstrudel Nach drei Tiefschlägen steckt Bayer in der Aufspaltungsfalle

Das Logo von Bayer leuchtet auf dem Werksgelände in Leverkusen
Das Bayer-Kreuz, das Logo des Unternehmens, leuchtet auf dem Werksgelände von Bayer in Leverkusen
© Thomas Banneyer / Picture Alliance
Mit trüben Aussichten, hohen Schulden, tausenden Gerichtsfällen und einer schwächelnden Pharmasparte verprellt Bayer die Anleger. Vorstandschef Bill Anderson bleibt kaum eine Alternative, als den Konzern aufzuspalten

Wer sich noch auf die Investorenseiten der Bayer-Homepage verirrt, den begrüßen dort die Worte „Werte schaffen für unsere Aktionäre“. Doch davon ist der Pharma- und Agrarkonzern derzeit weit entfernt: Seit Anfang der Woche hat das Unternehmen aus Leverkusen knapp 8 Mrd. Euro Börsenwert vernichtet, die Aktie stürzte um 20 Prozent ab. Das war in der Geschichte des Unternehmens noch nie zuvor passiert. Und macht nun radikale Änderungen nötig. 

Das Drama ausgelöst hat eine ganze Reihe schlechter Nachrichten: Die Pechsträhne startete am Freitag, als der Mischkonzern aus Leverkusen eine Charge seines Krebsmedikaments Vitrakvi zurückrufen musste, weil bei routinemäßigen Tests Verunreinigungen gefunden worden waren. Glück im Unglück – die Arzneimittel waren noch nicht verabreicht worden.    

Noch am gleichen Tag verurteilte das Gericht im US-Bundesstaat Missouri Bayer zu einer Strafzahlung von 1,5 Mrd. Dollar. Die Richter machten Bayer für die Krebserkrankungen von drei Landwirten verantwortlich, die den glyphosathaltigen Unkrautvernichter der Bayer-Tochter Monsanto „Roundup“ benutzt hatten.

Drei Tiefschläge hintereinander

Am Montag folgte der dritte Tiefschlag: Bayer musste die kostenintensive Entwicklung des Blutverdünners Asundexian in Phase drei, also in einem fortgeschrittenen Stadium, wegen schlechter Wirksamkeit abbrechen. Mit mehr als 30.000 Teilnehmern in 40 Ländern zählte eine klinische Studie zu den größten, die Bayer je unternommen hatte. Das Unternehmen hatte sich von dem Mittel für schlaganfallgefährdete Patienten Umsätze bis zu 5 Mrd. Euro erträumt. Und für den Asundexian-Vorläufer Xarelto, mit dem Bayer in diesem Jahr bereits 3 Mrd. Euro eingenommen hat, laufen bald die Patente aus. Dann dürften andere Hersteller das Produkt nachahmen und der Umsatzanteil von Bayer schwinden. 

Die Bayer-Tochter Monsanto handelte sich zu Wochenstart ebenfalls weiteren Ärger ein: In Seattle hatten sechs Lehrer und ein Hausmeister geklagt, weil die von Monsanto hergestellte Chemikalie PCB, die in Baustoffen verwendet wird, bei ihnen zu Krebs, Hirnschäden und anderen gesundheitlichen Problemen geführt haben soll. Das Unternehmen sei dafür verantwortlich, befand das Geschworenengericht und verurteilte Monsanto zu einer Zahlung von 165 Mio. Dollar. Weitere Zahlungen in dreistelliger Millionenhöhe könnten folgen.  

Dass die jüngsten Tiefschläge nahezu zeitgleich auf Bayer niederprasselten, mag Zufall sein. Aber sie haben eine lange Vorgeschichte und gehen auf „den größten Managementfehler der Geschichte“ zurück, wie manche Investoren meinten. 2018 akquirierte Bayer den US-Konkurrenten Monsanto für horrende 63 Mrd. Euro. Das war damals an der Grenze des leistbaren und Bayer verschuldete sich massiv, um die Übernahme stemmen zu können. Der damalige Vorstandschef Werner Baumann glaubte, damit Bayer vor der Übernahme durch Monsanto gerettet zu haben. Seither besteht Bayer aus drei Sparten: Pharma, Crop Science (Düngemittel) und Consumer Health (nicht-verschreibungspflichtige Medikamente).

Kurz nach der Monsanto-Übernahme schoben zehntausende Nutzer des Monsanto-Mittels „Roundup“ jedoch eine enorme Klagewelle in den USA an. Baumann hatte eigentlich auf Schutz aus dem US-Justizministerium gehofft, doch dort hielt man sich raus. Mit so vielen Wählern wollte man es sich nicht verscherzen. Bayer verlor einen Prozess nach dem anderen und musste Unsummen an Schadensersatz zahlen: 16 Mrd. Dollar hat der Konzern zum Teil bereits gezahlt oder für Strafen zurückgelegt.

Aktie fällt von 100 auf 33 Euro

Die hohe Verschuldung, gepaart mit den nicht enden wollenden Prozessen in den USA, hat immer mehr Investoren verjagt. Zum Zeitpunkt des Monsanto-Deals stand der Aktienkurs etwa bei 100 Euro. In den vergangenen knapp sechs Jahren ist er auf 33 Euro gefallen.  

Ein solches Szenario ruft aktivistische Investoren auf den Plan: Anfang des Jahres stieg Bluebell Capital aus London bei dem Dax-Unternehmen ein und warb bei den anderen Investoren dafür, dass Bayer das wachstumsstarke Consumer-Health-Segment mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten wie Aspirin abspalten und damit den Schuldenberg von rund 36 Mrd. Euro abbauen solle. Dieser Schuldenberg trübe die Perspektive von Bayer in einem Umfeld steigender Zinsen weiter ein. Auch US-Investor Inclusive Capital stieg ein und zog mit Bluebell an einem Strang.        

Anteilseigner Union Investment ist ebenfalls dabei: „Am sinnvollsten wäre es, sich im Rahmen eines Spin-offs von Consumer Health zu trennen“, sagt Portfoliomanager Markus Manns auf Capital-Anfrage. An der Börse würde das Unternehmen höher bewertet werden als innerhalb des Konzerns.  

Die Eigner können es als Teilerfolg verbuchen, dass Baumann im Februar den Hut nahm. Sein Nachfolger Bill Anderson, der zuvor als Pharmachef beim Schweizer Konzern Roche umfassende Änderungen angestoßen hatte, galt damals als neuer Hoffnungsträger. Heute steht er unter Druck.  

Denn es geht um weit mehr als nur die Altlasten. Die Aussichten aufs kommende Jahr sind verhalten: „Im Bereich Crop Science dürfte es unter anderem wegen geringerer Maisanbauflächen und Preisdruck beim Pflanzenschutz zu Gegenwind kommen, während das Pharmageschäft weiterhin unter Preis- und Erstattungsdruck stehen dürfte“, schreibt Deutsche-Bank-Analyst Falko Friedrichs. Er rechnet zudem mit hohem Kostenruck und einem Gewinnrückgang im Jahr 2024.

Ausweg Aufspaltung?

Eigentlich hat Anderson keine Wahl mehr. Er muss die Aufspaltung verkünden, wenn er den Aktienkurs retten will. Und er wäre auch nicht der erste Pharma-CEO, der diesen Schritt gehen würde: Johnson&Johnson hat bereits die Consumer-Health-Sparte Kenvue an die Börse gebracht, Sanofi bereitet eine Abspaltung vor und die Konzerne Glaxo und Pfizer haben ihr gemeinsames Unternehmen für Verbrauchergesundheit, Haleon, ausgegliedert.  

Analyst Friedrichs geht jedoch davon aus, dass es noch eine Weile dauern wird, bis Anderson den möglicherweise rettenden Schritt verkündet. „Deshalb stehen weiter die operativ schwierigen Aussichten für 2024 im Vordergrund.“  

Das heißt aber nicht, dass Anleger jetzt verkaufen müssen. Zwar haben einige Häuser wie auch die Deutsche Bank die Aktie herabgestuft. Zum Verkauf rät aber keiner. Denn wie Manns von Union Investment sagt: „Der giftige Cocktail aus hohen Zinsen, Glyphosat-Klagen und nun Schwächen in der Pharmasparte ist für das Unternehmen nicht existenzgefährdend.“ Im Notfall könnte Bayer auch die Dividende kürzen oder frisches Kapital an der Börse aufnehmen. Wichtig sei, dass Andersons Strategie inhaltlich sauber aufgesetzt sei. In der Zwischenzeit sind also vor allem Geduld und starke Nerven gefragt. Denn wenn Anderson dem Druck des Kapitalmarkt standhält, wird er seine neue Strategie erst wie angekündigt beim Kapitalmarkttag im März 2024 ankündigen.

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