Knapp einen Monat nach dem Start der Impfkampagne in Deutschland fällt die Zwischenbilanz ernüchternd aus: Chaotisch in der Organisation, zu langsam bei der Terminvergabe und zu wenig Impfstoffdosen lauten die Hauptkritikpunkte. Knapp 2,5 Prozent der Deutschen haben die erste Impfung bereits erhalten. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit weit hinter Großbritannien, den USA und Spitzenreiter Israel zurück.
Zwar hält Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Impfgipfel zwischen Bund, Ländern und führenden Pharmaunternehmen an einem allgemeinen Impfangebot, bis zum Ende des Sommers fest. Bis zum April dürfte der Impfstoff aber weiterhin knapp bleiben.
Impfstoffhersteller mit höheren Lieferzusagen
Die Impfstoffhersteller arbeiten indes auf Hochtouren, um die Produktion schnellstmöglich auszuweiten – mit Erfolg. Laut einer neuen Schätzung des Bundes könnten bis zum Jahresende 322 Millionen Dosen produziert werden. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet dabei nach 18,3 Millionen Dosen bis Ende März mit 77,1 Millionen im zweiten Quartal.
Vor dem Impfgipfel hatten einige Hersteller bereits versichert, die Liefermenge zu erhöhen. So kündigte das Mainzer Unternehmen Biontech am Montag an, im zweiten Quartal 75 Millionen zusätzliche Impf-Einheiten an die Europäische Union zu liefern. 14 Millionen Dosen würden dabei nach dem EU-Verteilungsschlüssel an Deutschland gehen. Einen Tag zuvor hatte bereits der britische Pharmakonzern Astrazeneca sein letztes Lieferversprechen leicht nach oben korrigiert. Nachdem er die versprochene Lieferung an die EU von 80 Millionen auf 31 Millionen Dosen korrigiert hatte, versprach Astrazeneca jetzt zumindest die Hälfte der ursprünglich vereinbarten Menge bereitzustellen.
Ein Teil der zusätzlichen Impfstoffmengen wird von anderen Herstellern produziert. Allein Biontech hat sein Netzwerk an europäischen Partnern von drei auf 13 ausgeweitet – und damit mehr als vervierfacht. Auch einige deutsche Unternehmen steigen in die Corona-Impfstoffproduktion ein.
Diese Standorte wirken bei der Impfstoffproduktion mit
Diese deutschen Standorte wirken an der Impfstoffproduktion mit

Biontech erhöht seine Kapazitäten. Im Impfstoff-Werk in Marburg, das der Konzern im vergangenen Jahr vom Schweizer Pharmakonzern Novartis übernommen hat, soll im Februar die Produktion anlaufen. Vollständig in Betrieb genommen könnte der Standort die Impfstoffproduktion um 750 Millionen Impfdosen im Jahr erweitern. Mit Mainz und Idar-Oberstein hat Biontech damit schon drei eigene Produktionsstandorte. Im ersten Quartal will Biontech die Liefermenge insgesamt von 8,9 Millionen Impfdosen auf 10,9 Millionen erhöhen. Bis zum Jahresende sollen zwei Milliarden Dosen hergestellt werden.

Im März soll die Impfstoffproduktion für Biontech und Pfizer auch im westfälischen Halle an den Start gehen. Mitte Januar erhielt das Pharmawerk des US-Konzerns Baxter den entsprechenden Auftrag. Das Werk in Halle ist eigentlich auf Krebsmedikamente spezialisiert. Ein Teil der Produktion muss deshalb erst auf die Impfstoff-Herstellung umgestellt werden. Auch der Impfstoff des US-Unternehmen Novovax könnte künftig von Baxter produziert werden, noch ist Novovax aber nicht zugelassen.

Unmittelbar nach dem Impfgipfel hatten Curevac und Bayer ihre Kooperation bei der Impfstoffproduktion bekanntgegeben. Dabei gab Bayer bekannt, den Curevac-Impstoff künftig in seinem Werk in Wuppertal zu produzieren. Für 2022 sollen 160 Millionen Dosen am Standort hergestellt werden. Das Tübinger Unternehmen Curevac ist noch auf dem Weg zur Zulassung. Sein mRNA-basierter Impfstoff befindet sich noch in Phase III. Bei rechtzeitiger Zulassung könnte die ersten Lieferungen Ende dieses Jahres erfolgen.

Eigentlich wollte der französische Pharmakonzern Sanofi in seinem Werk in Frankfurt-Höchst seine eigenen Impfstoffe produzieren. Da die Entwicklung stockt, soll dort ab Juli der Biontech-Impfstoff abgefüllt werden. Dass erst im Sommer mit der Produktion begonnen wird, liegt an aufwendigen Umrüstungsarbeiten im Werk. Bis Ende des Jahres könnten in Frankfurt-Höchst 125 Millionen Impfstoffdosen produziert werden.

Im Juli 2021 soll die Impfstoffproduktion für Biontech in Hameln starten. Der Arzneimittelhersteller Siegfried hat dafür Ende 2020 spezielle Maschinen bauen lassen. Siegfried arbeitet vor allem an der Abfüllung und Verpackung des Impfstoffs. Genaue Zahlen über die vereinbarte Menge an Impfstoffdosen sind nicht bekannt. Medienberichten zufolge ist von einem Auftrag im hohen zweistelligen Millionenbereich die Rede.

Seit Januar produziert IDT Biologika den britisch-schwedischen Impfstoff von Astrazeneca. Die ersten acht Millionen Dosen wurden schon ausgeliefert. Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Infektionsforschung (DZIF) arbeitet das Unternehmen an einem eigenen Impfstoff, die Ergebnisse der ersten Phase blieben allerdings hinter den Erwartungen zurück. In Zukunft könnte IDT Biologika auch weitere Impfstoffe produzieren. Der Bund prüft bereits, wie die Produktionskapazitäten des Unternehmens für Corona-Impfstoffe genutzt werden könnten. Auch die Entwickler des russischen Impfstoffs „Sputnik-V“ prüfen eine Kooperation.

Zwar nicht an der Abfüllung, aber am Herstellungsprozess des Biontech-Impfstoffs beteiligt, ist das Biopharmaunternehmen Rentschler. Am Hauptsitz in Laupheim in Baden-Württemberg produziert Rentschler in einem aufwendigen Verfahren den fertigen Wirkstoff, indem es das Ausgangsmaterial weiterverarbeitet und die synthetisierte mRNA von Verunreinigungen befreit.

Mit dem Biotech-Impfstoff BNT162b2 produziert Dermapharm das erste Mal einen Impfstoff an seinem Standort in Brehna. Schon im September 2020 schloss der Arzneimittelhersteller eine Kooperation mit Biontech. In Brehna wird das Vakzin aufbereitet, abgefüllt und verpackt. Dermapharm hat bisher vor allem patentfreie Markenarzneimittel produziert, hat aber einen Sterilbetrieb und ausgebildetes Personal, das für die Impfstoffproduktion nötig ist. Zuletzt hatte Dermapharm angekündigt, die Produktion zu steigern. Mitte Januar wurde bekannt, dass künftig auch die Dermapharm-Tochter Allergopharma aus Reinbek in die Produktion für Biontech einsteigen soll.

Der russische Pharmakonzern R-Pharm investierte zuletzt mehrere Millionen in den Ausbau seiner deutschen Tochter im bayerischen Illertissen. Noch im ersten Quartal 2021 soll dort die Fertigung des Astrazeneca-Impfstoffs AZD1222 starten. Nach aktuellem Stand ist die Kapazität auf 500 Millionen Impfstoffdosen ausgelegt. Der fertige Impfstoff wird an 35 Länder gehen, unter anderem nach Russland, Kasachstan und Armenien. Für Deutschland und andere EU-Staaten sind die Impfstoffe nicht bestimmt.