Das Auktionshaus RM Sotheby's bezeichnet es als den „ultimativen Scheunenfund“: Im August werden gleich 20 seltene und teilweise sehr alte Raritäten aus dem Hause Ferrari in den Verkauf gehen. „Entdeckt“ wurde die Sammlung in Indiana, wo sie seit etwa 20 Jahren Staub ansetzen.
Einige Exemplare stehen sogar schon deutlich länger. So fristet beispielsweise ein Ferrari 410 Superamerica Coupe Series I von 1956 seit 49 Jahren sein Dasein auf brüchigen Reifen.
Die Sammlung legte ein gewisser Walter Medlin über viele Jahre an. Medlin taucht selten in den Medien auf, da er als recht öffentlichkeitsscheu gilt. Ein Bericht im „Orlando Sentinel„ erzählt Teile seiner Geschichte – und die seiner Autos.
2004 machten die Ferraris wegen eines Hurrikans Schlagzeilen
Wie genau Medlin an das viele Geld kam, dass er für die Anschaffung der Autos benötigte, geht zwar auch daraus nicht hervor – bekannt ist nur, dass die Ferraris immer wieder Teil von Auseinandersetzungen mit der US-amerikanischen Steuerbehörde waren. Einige bezeichnen Medlin als Immobilienmogul, andere als Milliardär, wieder woanders heißt es, er habe als Röntgentechniker gearbeitet.
Diese Ferraris kommen unter den Hammer
Der Ferrari 500 Mondial Spider Series I wurde in den Sechszigerjahren schwer beschädigt und brannte in Folge eines Unfalls vollständig aus. Trotzdem wurden die Überreste nicht verschrottet. Seit 1978 lagerte das Wrack in der Sammlung von Walter Medlin. Insgesamt gab es mal 13 Exemplare – es könnte sich also lohnen, das Auto zu restaurieren. Der Preis für ein fahrbares Modell lag 2013 bereits bei 3,5 Millionen US-Dollar – das Wrack dürfte deutlich darunter liegen. Aber da es keinen Motor mehr gibt, wird die Ersatzteilbeschaffung sehr kompliziert. Sotheby's schätzt den Erlös auf bis zu 1,6 Millionen US-Dollar.
Für viele gilt der Ferrari Testarossa als Ikone der Achtziger. Dieses Exemplar von 1991 befindet sich seit 20 Jahren in der aktuellen Sammlung und wurde nicht mehr viel bewegt – genau genommen nur 94 Meilen weit. Technisch müsste er überholt werden, heißt es. Bei diesem Auto ist mit Preisen um 150.000 Euro zu rechnen – vielleicht etwas weniger, da Arbeit bevorsteht.
Bei diesem Ferrari 512 BB von 1980 ist vor allem der Motor interessant. Denn nur 924 Exemplare des Modells wurden mit Vergaser gebaut, bevor Ferrari auf Saugrohreinspritzung setzte. Das ist unter Sammlern begehrt. Sotheby's spricht davon, dass man vor allem die Technik überholen müsse, bevor es mit diesem Auto losgehen kann. Derartige Modelle brachten bei anderen Auktionen etwas über 200.000 US-Dollar.
42 Jahre lang musste der Ferrari 512 BB Competizione von 1978 auf eine neue Chance warten. Die aktuelle Beklebung stammt vom 24-Stunden-Rennen in Le Mans, für das der Ferrari hergerichtet wurde. Durch die lange Standzeit wird man wohl auch hier viel Arbeit haben, bevor es losgehen kann. Aufgrund seiner Historie und der Seltenheit ist der Preis schwer einzuschätzen. Ohne diese Extras wäre der 512 BB sogar relativ erschwinglich – 2022 verkaufte das Auktionshaus einen weniger prestigeträchtigen Wagen für rund 260.000 Euro. Sotheby's schätzt den Erlös des gut erhaltenen Renners auf bis zu 2,8 Millionen US-Dollar.
Der 1977er Ferrari 400 Automatic ist wohl das seltsamste Auto der Sammlung von Walter Medlin. Damals hatte Ferrari die Idee, hochmotorisierte Limousinen zu bauen, mit denen sich komfortabel und praktisch fahren lässt. Von dieser Konfiguration wurden nur 355 Stück gebaut. Da der Wagen 20 Jahre stand, muss man wohl vor der ersten Ausfahrt etwas Arbeit investieren. Für fahrbare Exemplare liegen die Preise unter 100.000 US-Dollar – bei diesem Auto dürfte es sich wohl um das günstigste Angebot aus der Sammlung handeln.
Wenige Kilometer, originaler Motor und Getriebe – der Ferrari 308 GTB Vetroresina aus 1976 ist eigentlich ein Sammlerstück. Aber es kommt viel Arbeit auf den neuen Besitzer zu. Sotheby's schreibt, dass der Wagen irgendwann zwischen 1979 und heute einen Schaden erlitten habe – wie man sieht. Was das mit dem Preis macht, bleibt offen. Gut erhaltene Modelle erreichten bei Auktionen Preise um 150.000 Euro.
Der Ferrari 365 GTC aus 1972 war ein vornehmlich amerikanisches Auto. Von den 500 gebauten Exemplaren ging ein Großteil in den US-Markt. Er bot mehr Platz als andere Modelle und ermöglichte komfortables Reisen – nach Ferrari-Maßstäben. 2011 kam er in die Sammlung des aktuellen Halters, der damit nur wenig fuhr. Der 365 GTC/4 gehört zu den weniger gefragten Modellen und holt im fahrbaren Zustand Preise um 200.000 US-Dollar.
Es ist nicht der Zustand, sondern die Seltenheit, die den Ferrari 330 GT 2+2 von 1966 ausmacht. Nur 36 Exemplare mit einem Lenkrad auf der rechten Seite wurden jemals gebaut. Seit 1984 gehört er zur Sammlung, die nun versteigert wird. Wie man schon an dem Bild sehen kann: Dieses Auto bedeutet zunächst sehr viel Arbeit. Aber: Es könnte vergleichsweise günstig werden. Bereits deutlich besser erhaltene Exemplare liegen unter 200.000 US-Dollar.
Auch dieser Ferrari 365 GTB Daytona Berlinetta war eigentlich mal blau. Der erste Halter entschied sich aber für das heutige Rot. In der aktuellen Sammlung befindet sich das Fahrzeug seit 1996. Nach einer Instandsetzung kann es eigentlich sofort losgehen, schreibt Sotheby's. Fahrzeuge in einem guten Zustand kosten rund eine halbe Million US-Dollar, dieser Ferrari könnte sich als "Schnäppchen" entpuppen.
Noch ein Ferrari 365 GTB Daytona Berlinetta aus den Siebzigerjahren, genauer 1972. Dieser Wagen wurde scho zwei Mal vollständig überlackiert – erst in Schwarz, dann wieder in Rot. Über die Jahre wurde relativ viel an dem Auto verändert, aber Motor, Getriebe und Karosserie sind noch original. Auch hier empfiehlt Sotheby's eine Restauration – der übliche Preis von einer halben Million US-Dollar dürfte also vermutlich unterboten werden.
Schwer getroffen hat es auch den Ferrari 365 GT 2+2 aus 1969. Er befindet sich seit 1979 in Medlins Sammlung und wurde 2004 durch einen Dacheinsturz der Lagerhalle beschädigt, als der Hurrikane Charley über Florida hinwegzog. Auch hier bahnt sich ein Schnäppchen für Sammler an, denn auch gut erhaltene Modelle kommen bei Auktionen nur knapp über 200.000 US-Dollar.
Nur 153 Exemplare des Ferrari Dino 206 GT haben das Werk jemals verlassen. Bereits 1977 kam er in die Sammlung von Walter Medlin, der das Auto seither einlagerte. Leider befindet sich der Dino in keinem guten Zustand mehr – es ist also sehr viel Arbeit zu erledigen, bevor er wieder fährt. Im besseren Zustand ist der Dino rund 370.000 Euro wert.
Von dem Ferrari 330 GTS von 1967 soll es laut Auktionshaus nur 99 Exemplare geben. Dieser stand seit Mitte der Neunziger in der Sammlung von Walter Medlin. Sotheby's betont, dass er nie auf einem Ferrari-Treffen ausgestellt wurde und man damit eine Premiere vor sich hätte – wenn man den Wagen vorher restauriert. Vergangenes Jahr wurde ein rotes Exemplar verkauft – der Hammer fiel bei rund 2 Millionen US-Dollar.
Der Ferrari 275 GTB 6C von 1965 stand 44 Jahre lang im Lager des aktuellen Halters. Laut Auktionshaus benötigt er eine vollständige Restauration. Preise für fahrbare Modelle liegen jenseits der 2 Millionen Euro. Sotheby's schätzt den Erlös auf bis zu 2,5 Millionen US-Dollar.
Rund 200 Exemplare des Ferrari 275 GTS sollen je gebaut worden sein. Dieses Exemplar von 1965 war eigentlich mal gelb, wurde aber leider in den Neunzigern neu lackiert. Der aktuelle Halter kaufte den Wagen 2003 und stellte ihn für rund 20 Jahre in seine Garage. Sotheby's schreibt, dass man zumindest den Motor überholen müsste, bevor es losgehen kann. Ein Wagen im besseren Zustand wurde zuletzt für 1,4 Millionen US-Dollar verkauft – vielleicht werden es hier etwas weniger.
Ein Ferrari 250 GT Coupe Series II aus 1960 ist selten und begehrt. Das liegt auch daran, dass er zwar den Grundstein für die Serienproduktion bei Ferrari legte, aber nur 352 Mal gebaut wurde. Wie viele Autos aus Walter Medlins Sammlung, hat auch dieser Ferrari 250 GT Coupe nicht mehr seine ursprüngliche Farbe – er mal war grau. Das Fahrzeug befindet sich seit 1987 in der Sammlung und hat viele Teile, die nicht dem Originalzustand entsprechen. Bei Preisen von normalerweise rund einer halben Million US-Dollar, könnte dieses Fahrzeug also eine Chance sein, zumindest den Kaufpreis niedrig zu halten. Was die Reparatur kostet, steht auf einem anderen Blatt.
Nur 124 Exemplare soll es von dem Ferrari 330 GT 2+2 Series I Interim geben, schreibt Sotheby's. Auch dieses Auto wurde im Zusammenhang mit dem Hurrikane Charley beschädigt, wenn auch nicht so sehr wie andere Fahrzeuge. Aufgrund seiner Seltenheit – und dem Zustand – ist ein Preis schwer zu schätzen. Ein deutscher Händler taxiert ein gut erhaltenes Modell der Baureihe auf 350.000 Euro.
Der Ferrari 250 GT L Berlinetta Lusso von 1964 gehört unter Sammlern zu den begehrtesten Modellen des Herstellers. Dieses Fahrzeug kam vor 20 Jahren in die Sammlung, wurde überholt und dann 20 Jahre eingelagert. Sotheby's empfiehlt eine Generalüberholung vor dem ersten Trip. Ein vergleichbares Fahrzeug hatte Sotheby's lange nicht im Angebot, der Schätzpreis, vor allem aufgrund des Zustands, ist daher unklar.
Rund ein halbes Jahrhundert durfte dieser Ferrari 410 Superamerica Coupe Series I nicht auf die Straße. Ursprünglich war er mal blau, es handelt sich also nicht mehr um den Originallack des seltenen Fahrzeugs. Dem Preis dürfte das nicht schaden. 2012 verkaufte Sotheby's ein vergleichbares Fahrzeug für knapp 2 Millionen US-Dollar. Was das Restaurationsobjekt bringt, wird man abwarten müssen.
Fast 50 Jahre stand der 1956er Ferrari 250 GT Coupe Speciale im Lager. Auch wenn die Rostflecken Charakter haben, so verraten sie leider viel über den Zustand: Dieses Auto muss vollständig überholt werden. Doch das dürfte sich lohnen – denn nur vier Exemplare dieses Modells existieren heute noch. Der erste Halter war übrigens Mohammed V., der damalige König von Marokko. 2012 kam ein ähnliches Fahrzeug für 1,4 Millionen US-Dollar unter den Hammer – weniger wird es diesmal wohl kaum. Sotheby's schätzt den Erlös auf bis zu 2,3 Millionen US-Dollar.
Nun gehen die Autos in den Verkauf. Viele wundern sich, dass es die Fahrzeuge überhaupt noch gibt. Denn die ursprüngliche Halle, in denen sie aufbewahrt wurden, fiel 2004 dem Hurrikan Charley zum Opfer. Dieser legte die Sammlung nach langem Dornröschenschlaf erstmals frei. Einige Autos tragen noch heute sichtbare Schäden von diesem Ereignis.
Was viele Sammler aber nicht wussten: Medlin ließ die Autos anschließend in eine andere Halle bringen, wieder, um sie dem Zahn der Zeit auszuliefern. Größere Instandsetzungen erfolgten nicht, die Autos kamen so nach Indiana, wie sie in Florida aufgeladen worden waren.
Auktion ohne Mindestpreis
Nun haben viele Autos eine zweite Chance, sollten sich für sie Käufer finden. Bei nahezu jedem Ferrari empfiehlt das Auktionshaus eine vollständige Restauration, mindestens wird aber eine technische Generalüberholung nötig sein, um den alten Motoren wieder Leben einzuhauchen.
Den möglichen Preisen schadet das offenbar nicht. Selbst für ein vollkommen ausgebranntes Wrack eines Ferrari 500 Mondial Spider erwartet Sotheby's siebenstellige Erlöse. Denn obwohl der Zustand einiger Fahrzeuge sehr schlecht ist, sind einige Modelle inzwischen unglaublich selten – und damit eine echte Chance für Sammler.
Recht ungewöhnlich für solch seltene Fahrzeuge: Sämtliche Ferraris aus der „Lost & Found Collection“ von Walter Medlin werden ohne Reserve, also ohne Mindestpreis angeboten. Das bedeutet, dass Sotheby's zwar einen Startpreis angeben kann, aber das letzte Gebot in der Regel gilt. Egal, wie hoch oder niedrig es ist.
Der Beitrag ist zuerst bei stern.de erschienen