Herr Spengler, Ihre Mitarbeiter installieren unter anderem Wärmepumpen, die stark nachgefragt werden. Ausgerechnet jetzt verringern Sie die Arbeitszeiten. Warum?
Unsere Leute arbeiten schon seit 15 Jahren sehr flexibel und teilen sich ihre Zeit nach Rücksprache mit dem Team frei ein. Jetzt wollten wir noch einen Schritt weiter gehen. Ich leite die Firma gemeinsam mit meinem Bruder, und wir beide sind fest davon überzeugt, dass es dem Freitag künftig ergehen wird wie früher dem Samstag. Der war ja bis in die 70er-Jahre ein normaler Arbeitstag, nur am Sonntag hatten die Leute frei. Wir sagen immer: Der Freitag wird der neue Samstag. Das gilt nicht für alle Branchen und nicht für jeden Betrieb, aber für viele. Es macht keinen Sinn, sich dagegen zu wehren.
Das klingt eher nach einer Kapitulation als nach einer Zukunftsvision.
Man muss die Realitäten anerkennen. Die Gesellschaft hat sich verändert. Bei unseren jungen Kolleginnen und Kollegen sehen wir das ganz extrem. Die legen nicht mehr so viel Wert auf Geld, die möchten Zeit haben, um zu leben. Viele arbeiten nicht Vollzeit, sondern weniger, manche sogar nur 30 Stunden. Für die ist die Viertagewoche extrem attraktiv. Natürlich gab es auch ein paar Kollegen, die haben nicht Hurra geschrien, als wir das Modell einführten. Die haben sich schon gefragt: Was, um Gottes Willen, soll ich mit einem freien Freitag machen? Aber jetzt, ein halbes Jahr später, sagen alle, es ist top.
Was machen die Leute mit ihrer Zeit?
Es passieren sehr schöne Dinge. Ein paar Mitarbeiter haben sich zusammengefunden und gehen jetzt freitags immer ins Fitnessstudio. Das finde ich ganz toll, auch für das Betriebsklima, und wir haben die Kosten für das Fitnessstudio übernommen. Die Familienpapas kümmern sich mehr um ihre Kinder oder erledigen den Wocheneinkauf. Das entlastet Familien.
Nehmen auch einige Minijobs an ihrem freien Tag an, um mehr Geld zu verdienen?
Nein, das würden wir auch nicht wollen. Unsere Erfahrung ist, dass die Mitarbeiter das als Freizeit nutzen. Wir haben zusätzlich die Wochenarbeitszeit von 40 auf 38 Stunden verringert, so dass im Prinzip alle eine schöne Lohnerhöhung von fünf, sechs Prozent bekommen haben.
In Deutschland haben wir schon jetzt einen erheblichen Fachkräftemangel. Wenn der Freitag ein freier Tag wird, wer erledigt dann die ganze Arbeit?
Ich habe als Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels zwei Möglichkeiten. Ich kann sagen, alle müssen länger arbeiten, weil so viel zu tun ist, oder ich kann die Arbeit interessanter machen, damit ich mehr Leute bekomme. Das ist unser Ziel. Wir verteilen die Arbeit auf mehrere Schultern. Wir kriegen jetzt auch viel mehr Bewerbungen und haben mehr Personal eingestellt. Außerdem sind Motivation und Effektivität gestiegen. Das ist viel wichtiger als lange Arbeitszeiten. Die Leute wissen, dass sie am Freitag frei haben, also machen sie den Job bis Donnerstag fertig. Das glaubt dir keiner, es ist aber so. Wenn also andere Unternehmer sagen, die Viertagewoche macht Arbeit zu teuer, sag ich: Nein, sie macht Arbeit effektiver. Wir sehen das an unseren Zahlen, an den Deckungsbeiträgen.
Beuten die Mitarbeiter sich dann selbst aus?
Nein, die arbeiten schon länger, statt acht achteinhalb Stunden am Tag oder sogar neun. Aber sie haben auch weniger Rüstzeiten, weniger tote Zeit wie etwa das Auf- und Abladen des Materials auf die Transporter, das darf man nicht unterschätzen.
Heißt das umgekehrt, dass viele Beschäftigte heute ziemlich faul sind und langsamer arbeiten als sie könnten?
Nein, ich würde sagen, dass einfach die Selbstmotivation wahnsinnig steigt. Die Leute sagen, ich hab Freitag frei, dann geb ich am Donnerstag noch einmal richtig Gas. Viele Chefs trauen das ihren Mitarbeitern nicht zu, aber die machen das. Wir haben auch anfangs gezweifelt, ob das funktioniert. Es funktioniert.
Was sagen andere Handwerksbetriebe zu Ihrem Experiment?
Die Handwerkskammer findet das super, dass wir da Vorreiter sind. Bei Handwerkerkollegen kommen wir nicht ganz so gut an. Wir wurden auch schon beschimpft als Spinner, es hieß, wenn wir das anfangen, dann müssten es ja alle machen. Ja, das ist auch so. Aber wer früh genug damit beginnt, hat noch einen Vorteil davon bei der Personalgewinnung. Irgendwann müssen alle es machen. Der Fachkräftemangel wird sich noch verschärfen. Es ist ein Arbeitnehmermarkt. Die Beschäftigten wissen ganz genau, was sie wert sind und was sie wollen: Die wollen weniger arbeiten und mehr verdienen. Da kann man als Unternehmer schimpfen und sagen, früher war das ganz anders, damals, als wir jung waren. Aber es ist so. Und ich würde sogar sagen: Es ist gut so.
Der Beitrag ist zuerst bei stern.de erschienen