
Lisa Jaspersist Mitgründerin des Fair Fashion Labels Folkdays. Zuvor studierte sie an der London School of Economics, arbeitete für Oxfam und als Beraterin. Die 34-Jährige ist Mitglied der Capital Jungen Elite 2016.
Wolltest Du immer Dein eigenes Unternehmen gründen? Da meine Eltern und mein Bruder selbstständig sind, konnte ich mir das auch gut vorstellen. Und ich war immer eine schlechte Angestellte: Ich wollte mir keine Anweisungen geben lassen, die für mich keinen Sinn machen. Aber mich interessierte immer das Thema Armutsbekämpfung – da konnte ich mir lange nicht vorstellen, wie das mit Unternehmertum zusammengehen kann. Wie hat es dann doch geklappt? Mit Folkdays habe ich, wie ich finde, die beste Form der Entwicklungszusammenarbeit geschaffen. Das Konzept macht Sinn für die Produzenten des Kunsthandwerks in den verschiedenen Ländern und ist trotzdem kompatibel mit meinem Businessplan.

Bis zur Gründung bist Du einen langen Weg gegangen: Studium an der London School of Economics, Stationen bei Oxfam und als Beraterin. Was war dann ausschlaggebend für den Schritt in die Selbstständigkeit? In meinem Job bei der Beratung war ich zwar gut, aber schon lange nicht mehr richtig happy. Dann habe ich mir irgendwann überlegt: Was macht mir eigentlich Spaß? Mir hat immer etwas Kreatives gefehlt, ich liebe es, andere Kulturen kennen zu lernen, und seit ich mich im Studium mit Entwicklungsökonomie beschäftigt hatte, war mir das Thema Armutsbekämpfung sehr wichtig. Ich habe dann überlegt, wie ich das alles zusammenbringen könnte und habe mich entschieden, ein nachhaltiges Label zu gründen. Wie bist Du dabei vorgegangen? Ich habe mich im Internet durchgeklickt, wie man einen Businessplan schreibt und habe mir Schritt für Schritt mein Modell zusammengebaut. Ich habe meinen alten Job erst gekündigt, als ich wusste, dass ich loslegen kann. Und die weiteren Schritte zur Gründung? Durch mein Studium kannte ich mich mit Handelspolitik und Importbestimmungen aus und in der Beratung habe ich gelernt, dass man einfach Leute anrufen kann, wenn man Hilfe braucht. Ich habe in meinem Umfeld viele Gründer, die ich um Hilfe gebeten habe, wenn ich nicht weiter kam. Außerdem habe ich mir zwei Mitgründer gesucht: Kimon und Heidi. Die beiden sind nicht nur tolle Menschen, sondern auch ganz anders als ich. Das ist unheimlich bereichernd. Kimon kennt sich zum Beispiel sehr gut mit Juristischem, Finanzen und Organisationsmodellen aus. Das hilft ungemein.
"Es ist ein klarer Vorteil, dass ich selbst schon einmal Chefs hatte"
Der Zeitpunkt der Gründung war also gut gewählt... Das Selbstvertrauen, diesen Schritt zu gehen, musste ich mir erst einmal erarbeiten. Was die Fähigkeiten angeht weiß ich jetzt, dass ich es auch früher hätte machen können. Aber ich finde, es ist ein klarer Vorteil, dass ich selbst schon einmal Chefs hatte und weiß, wie es ist, angestellt zu sein. Durch meine früheren Jobs habe ich gelernt, was eine gute Führungskraft ausmacht. Und was wäre das? Auf die Mitarbeiter einzugehen und dafür zu sorgen, dass sie zufrieden sind – da spielt Feedback eine große Rolle, aber auch Teamevents – und Vertrauen. Du hast aktuell zehn Mitarbeiter - bist Du selbst die Chefin, die Du dir immer gewünscht hast? Was man sich als Angestellte wünscht – zum Beispiel Flexibilität und Vertrauen – sieht aus Arbeitgebersicht natürlich ganz anders aus. Ich musste erst einmal lernen, meinen Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss zu geben. Zum Beispiel wenn man sie noch nicht gut kennt und es darum geht, dass sie ihre Arbeit gut machen – auch wenn sie später ins Büro kommen oder die Aufgaben anders angehen als ich es machen würde. Und manche Organisationsstrukturen muss man natürlich erst einmal ausprobieren: Wir zeichnen zum Beispiel unsere Teammeetings immer auf Video auf, so dass Mitarbeiter auch up-to-date sind, wenn sie mal nicht physisch anwesend sein können. Was war für Dich als Gründerin und Vorgesetzte die größte Herausforderung? Nicht überall rein zu funken. Ich musste erst einmal lernen, mich nicht in alles einzumischen. Es ist einfach nicht nötig, bei jedem einzelnen Thema den absoluten Überblick zu haben. Mikromanagement ist sehr anstrengend. Aber ich weiß mittlerweile: Mein Team leistet tolle Arbeit, die Mitarbeiter teilen sich ihre Aufgaben selbstständig ein. Und wenn es Fragen gibt, bin ich immer für sie ansprechbar.
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Seit 2007 sucht Capital für das Projekt „Junge Elite“ in ganz Deutschland nach Talenten wie Anna Herrhausen und kürt alljährlich die „Top 40 unter 40“ in den vier Kategorien „Unternehmer“, „Manager“, „Politik“ sowie „Staat und Gesellschaft“. Alle sind jünger als 40 Jahre, haben beachtliche Erfolge vorzuweisen und noch viel Potenzial. Einige sind schon an der Spitze, andere noch auf dem Sprung dorthin; manche machen durch bahnbrechende Ideen und Start-ups auf sich aufmerksam, andere gehen den Weg durch Konzerne und Institutionen.