Noch während ihres Jurastudiums hat Fränzi Kühne die Agentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr (TLGG) gegründet. Das ist über zehn Jahre her. Mittlerweile zählt das Unternehmen rund 180 Mitarbeiter. Außerdem sitzt Fränzi Kühne als jüngstes Mitglied im Aufsichtsrat der Freenet AG .
Capital: Von der Jura-Studentin zur Gründerin einer Digitalagentur. Es ist nicht gerade der gewöhnlichste Weg, den Du gegangen bist. War Dir immer klar, dass Du nicht juristisch arbeiten wirst?
Fränzi Kühne: Nein, überhaupt nicht. Ich wollte Richtung Strafrecht gehen und habe mich beim Bundeskriminalamt als Kriminalkommissarin beworben. Ich habe sogar den Eignungstest gemacht, dann bin ich leider aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschieden. Begründung: Ich sei zu stressresistent.
Also die perfekte Eigenschaft, um ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Das klingt so, ja. Aber ich habe später erfahren, dass das wohl bei der Polizei ein Synonym für eine zu hohe Frauenquote im Einstellungsjahrgang war. Dass ich nicht Kriminalkommissarin geworden bin, war also Zufall.
Genau wie der Umstand, dass Du dann eine Agentur gegründet hast?
So ungefähr. Ich hatte im Studium meine beiden Mitgründer kennen gelernt. Wir haben alle drei nebenbei bei einem Computerspiele-Publisher gearbeitet – zusammen haben wir das Online-Marketing aufgebaut. Gaming war jetzt nicht unbedingt unsere Traumbranche, aber Marken zu erzählen, was sie Sinnvolles mit Facebook, Twitter & Co machen können hat uns Spaß gemacht. Also haben wir die Agentur gegründet.

Das klingt so einfach.
Tatsächlich war es aus einer gewissen Leichtigkeit heraus. Ich war 25, das Thema hat sehr viel Spaß gemacht, ich hatte kein größeres Risiko, als das Stammkapital einzuzahlen. Wenn es nichts geworden wäre, hätte ich weiter Jura studiert.
Aber es hat sich ziemlich gut entwickelt. Wie schwierig war die Anfangszeit?
Wir hatten bei der Gründung direkt einen Kunden mitgenommen – die Frogster Interactive Pictures AG, wo wir zuvor als Studenten gejobbt hatten. Da wir zum Zeitpunkt der Gründung die einzigen Social Media Experten in Deutschland waren, haben wir auch schnell Kunden bekommen – anfangs oft über Werbeagenturen, die von ihren Kunden gefragt wurden, was sie nun mit diesem Facebook machen sollen. Die Agenturen haben uns dann als Experten dazu gebucht und so konnten wir Stück für Stück einen Kundenstamm aufbauen.
Gab es finanzielle Engpässe?
Klar saßen wir am Anfang auf Bierkästen statt auf schönen Büromöbeln, weil wir uns keine Einrichtung leisten konnten – dafür waren wir aber super stolz, dass wir ein eigenes Büro in Berlin-Friedrichshain hatten. Natürlich haben wir auch lange mit Freelancern gearbeitet, auch weil wir ziemlich viel Angst davor hatten, zusätzlich zu unseren Gehältern noch ein weiteres festes Gehalt einzuplanen. Als wir die erste Mitarbeiterin fest angestellt haben, war das ein großer Schritt für uns.
Vorher hast Du studiert. Hat Dich die Uni auf die Aufgaben als Geschäftsführerin vorbereitet?
Ich habe in der ganzen Zeit meines Lebens nicht so viel gelernt wie in der Anfangszeit bei TLGG. Das war das Ankommen in der echten Welt – im Erwachsenenleben. Da habe ich jeden Tag Neues gelernt - zum Beispiel, wie man die Buchhaltung für eine Firma macht. Dass wir Mentoren hatten, die uns mit Knowhow zur Seite standen, war wahnsinnig wichtig für uns.
Mittlerweile berätst Du selbst – nicht nur mit der Agentur, sondern seit Juni 2017 auch als Aufsichtsrätin bei der Freenet AG. Wie hast Du Dich auf diese neue Rolle vorbereitet?
Um mir ein möglichst umfangreiches Bild vom Unternehmen zu machen, bin ich erst einmal an alle möglichen Standorte gefahren. Ich habe mir zum Beispiel das Logistikcenter angeguckt, habe mit den Trainees gesprochen und mit der HR-Abteilung. Ehrlich gesagt bin ich anfangs etwas naiv an die Sache rangegangen. Ich wusste nicht, dass es als Aufsichtsratsmitglied nicht geht, einfach so irgendwo an den Standort zu fahren. Das kann zu rechtlichen Problemen führen, denn jeder Aufsichtsrat muss dieselben Informationen haben. Sich auf dieses Regelwerk einzulassen, war wirklich schwierig für mich, denn bei TLGG arbeite ich sehr operativ - manchmal sitze ich hier sogar an der Telefonzentrale.
Was kannst Du als Aufsichtsrätin einbringen?
Zwischen dem Aufsichtsrat und dem Unternehmen ist es ein Geben und Nehmen. Ich bringe zum Beispiel meine Erfahrungen im Digitalen ein, der Vorstand kann mich dazu befragen. Ich wiederum erhalte viele Einblicke ins Unternehmen, kann meinerseits Vorschläge machen und Fragen stellen.
Fehlt den Aufsichtsräten in Deutschland junges, digitales Know how?
Was fehlt ist eine gute Durchmischung – sowohl was Fachkenntnisse, als auch was Alter, Geschlecht, Bildungs- und Berufshintergründe angeht. Teams, die sich nicht nur gegenseitig in ihrem Urteil bestärken, weil sie fast deckungsgleiche Erfahrungen einbringen.
Was wünschst Du Dir von deutschen Unternehmen im Umgang mit der Digitalisierung?
Weil ich da nun einmal gerade am dichtesten dran bin: Kompetente Aufsichtsräte, die wissen, welche Fragen zu stellen sind. Viele sind leider so weit weg vom Thema Digitalisierung, dass sie es nicht mit den Vorständen diskutieren können, geschweige denn beurteilen, ob die Projekte sinnvoll sind , die der Vorstand vorschlägt.
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33, Mitgründerin und Geschäftsführerin von Torben, Lucie und die gelbe Gefahr, einer Agentur für digitale Transformation.

Gewinnerin des diesjährigen Business Woman Award ist Verena Pausder, Geschäftsführerin und Gründerin von Fox & Sheep und Geschäftsführerin der HABA Digitalwerkstätten. Fox & Sheep entwickelt und vermarktet weltweit Apps für Kinder. Pausder will digitales Lernen für Kinder fördern und gründete 2017 den gemeinnützigen Verein Digitale Bildung für Alle e.V. 2016 ernannte das World Economic Forum Pausder zum Young Global Leader. Als vierfache Mutter setzt sie sich zudem für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein und gründete ein Gründerinnennetzwerk, um den Austausch von Gründerinnen zu fördern.

36, hat gemeinsam mit dem Nobelpreisträger Muhammad Yunus Yunus Social Business gegründet - Social Business Venture Capital Fond und Beratungsunternehmen.

26, hat die Initiative Startupboat gegründet. Auf einem Boot, zum Beispiel vor Griechenland, versammelt sie kluge Köpfe aus verschiedenen Branchen, die gemeinsam Lösungen für die Probleme von Flüchtlingen und Helfern finden sollen.

26, hat die Finanzierung von "Original Unverpackt" mit einer Crowdfunding-Kampagne eingesammelt. Zusammen mit Sara Wolf eröffnete sie 2014 den ersten Supermarkt ohne Einwegverpackungen in Berlin. Milena Glimbovski ist außerdem Autorin des Lebensplaners "Ein guter Plan".

29, gründete 2013 zusammen mit Sebastian Pollock den Online Sexshop Amorelie. Sie ist außerdem Verwaltungsrätin der Conrad Electronic SE.

30, hat zusammen mit Anna Kaiser die Jobsharing-Plattform Tandemploy gegründet. Die beiden Frauen teilen sich die Geschäftsführung.

37, hat zusammen mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne die Gesundheitsplattform Clue gegründet. Sie ist CEO des Unternehmens.

33, hat gemeinsam mit Heidi Strom Folkdays gegründet, ein Label für fair-nachhaltige Mode. Sie ist CEO des Unternehmens.

29, gründete 2014 mit Jonas Kakoschke Flüchtlinge Willkommen, eine Vernetzungsplattform, die Flüchtlinge als Mitbewohner vermittelt. Gestartet ist das Projekt mit einem Büro in Berlin, mittlerweile gibt es auch Repräsentanzen in Leipzig, München, Hamburg.

34, ist Gründerin und Geschäftsführerin der ReDI School of Digital Integration, einer gemeinnützigen Programmierschule, die Flüchtlinge mit Programmierkenntnissen ausstattet, um ihnen den Berufseintritt zu erleichtern.

31, gründete 2012 zusammen mit Julia Bösch den Personal Shopping Service Outfittery. Die beiden Frauen teilen sich die Geschäftsführung.