„Den Facebook-Konzern verlassen seine Führungskräfte“: Was haben Sie jüngst bei dieser Meldung gedacht? Ich folgte zunächst dem frame , wie die nahegelegte Interpretation einer Nachricht heute so gerne genannt wird. Denn zu der Information, „der langjährige Zuckerberg-Vertraute und Produktchef Chris Cox scheidet aus“, gesellten sich in den Artikeln viele Krisen-Symptome von Facebook. Bei mir als Leser kam damit die folgende Botschaft an: Weil Chris Cox seine Arbeit nicht mehr gefällt, muss es schlecht um Facebook stehen.
Aber geht diese Formel wirklich auf: Missfallen = Misserfolg?
Wirkt der Kaffee schon?
Ich war vergangene Woche auf einer Konferenz, bei der ich mal nicht gesprochen habe, das ist selten. Ständig wurde ich gefragt: Wie bewerten Sie den Vortrag, den Tagungsraum, das Essen, das Hotel, den Kaffee, die Bedienung? Feedback, bitte!
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Mir ist das relativ egal! Denn ich will Ihnen nicht gefallen, sondern eine Wirkung erzielen. Das ist ein wesentlicher Unterschied, wenn es um mehr als eine Rückmeldung zum Kaffee geht. Auch in Unternehmen wird heute nach jedem zweiten Meeting, Vortrag, Projekt oder einer Personalmaßnahme ein Feedback-Bogen verschickt – dort steht dann in anderen Worten: „Wie fandest du’s?“ Das ist genauso unnütz wie bei Universitäten. Nach jedem Semester müssen meine Studenten einen langen Fragenkatalog ausfüllen – den Bogen bekomme ich dann auch zugeschickt und soll daraus lernen. Aber was zeigen die Feedbacks?
Was ist Wirkung?
Der Fragebogenausfüller bewertet: Denkt der Mensch da vorne genauso wie ich? Passt das zu meinen Annahmen, zu meinen Glaubenssätzen, was der da sagt? Fand ich den Referenten kompetent (ob er das ist , kann er oft gar nicht einschätzen). Es wird also Gefallen gemessen, aber darauf kommt es bei einer Universität genauso wenig an wie bei Unternehmen!
Die entscheidende Messgröße muss für Führungskräfte, Referenten oder Dozenten lauten: Habe ich bei meinem Publikum eine Wirkung erzielt? Wirkung ist für mich, wenn der Zuhörer durch mich etwas neu reflektiert oder sein Verhalten ändert. Ein guter Impulsgeber (oder Vorgesetzter) sollte auch Fragen stellen, die sein Zuhörer richtig bescheuert findet, die er nicht mag. Aber: Die ihn weiterbringen.
Seine primäre Referenz muss der Markt sein, dort muss er Wirkung entfalten. Ob ihn seine Mitarbeiter dafür abfeiern, ist sekundär.
Gottschalk vs. Zuckerberg
Bei Vorträgen bekomme ich auch oft Feedback. Inzwischen nehme ich mir vor, das rigoros zu ignorieren. Denn ich will ja Wirkung erzielen, dass sich was verändert. Meine Zuhörer sollen sich ruhig auf den Schlips getreten fühlen und ihr Verhalten und Denken reflektieren. Und das darf dann auch unangenehm sein.
Wenn im Publikum hinterher einer erbost ist oder demonstrativ geht, ist das von der Wirkung vielleicht besser und sinnvoller. Nämlich dann, wenn er sechs Monate später erkennt: Mmh, da war vielleicht doch was dran … Auch wenn er in einer Befragung direkt nach dem Vortrag sagen würde: Das war totaler Mist, Klebepunkt auf den bösen Smiley. Fertig.
Wenn in Unternehmen ständig nach der Gefälligkeit gefragt wird, landen wir in der Unterhaltungsbranche. Dann wird der Erfolg eines Meetings oder einer Schulung nicht mehr danach bemessen, ob darin eine gute Strategie entstanden ist, sondern ob es Spaß gemacht hat. In dieser Kategorie erhielte Altmeister Thomas Gottschalk vermutlich bessere Bewertungen als Mark Zuckerberg. Aber würden Sie Gottschalk die Leitung von Facebook übertragen?
Entscheidend ist auf dem Platz
Jetzt, da Sie keine Feedback-Fragebögen mehr verteilen, werden Sie fragen: Wie erkenne ich, dass das Meeting, Seminar oder die Strategie erfolgreich waren? Woran erkenne ich Wirkung? Die Antwort gefällt nicht auf den ersten Blick: Denn Wirkung zu messen, erfordert Zeit und Sie müssen die Ungewissheit bis dahin ertragen.
Ob eine Maßnahme wirkt, ob sie neue Blickwinkel erzeugt oder ob sie gute Werkzeuge vermittelt, zeigt sich nicht beim Verlassen des Vortragsraums, sondern erst Wochen später bei der Konfrontation des Neuen mit der Realität. Das ist bei einer Führungskraft oder einem Dozenten nicht anders als bei einem Tennistrainer. Ein Tennisschüler beherrscht den Top-Spin noch nicht, während ihm der Trainer diesen erklärt – er lernt den Schlag erst in der Anwendung auf dem Platz.
Genauso müssen Sie Ihre Mitarbeiter zunächst mit der Praxis konfrontieren und abwarten, wie sich deren Verhaltensänderungen beim Kunden oder auf dem Markt niederschlagen. Erst hinterher wissen Sie, ob etwas gewirkt hat – egal, wie viele Like-Buttons Sie zuvor auf Ihrem Feedback-Fragebogen zum Meeting hatten.
Von Jürgen Klopp lernen?
Ob Mark Zuckerberg mit seiner künftigen Strategie erfolgreich sein wird, lässt sich nicht daran bemessen, ob die Neuausrichtung seinem langjährigen Intimus Chris Cox gefällt. Mich erinnert die Meldung an das letztjährige Saisonfinale im Fußball. Damals machte die vermeintliche Untergangsmeldung die Runde, dass Jürgen Klopp beim FC Liverpool seinen langjährigen Co-Trainer und Vertrauensmann Zeljko „das Gehirn“ Buvac verliert. Der Grund: Unstimmigkeiten über die zukünftige Ausrichtung! Buvac gefielen Klopps Vorhaben nicht mehr.
Mancher Sportbeobachter unkte: Ohne sein „Gehirn“ ist Klopp nunmehr die Hälfte wert. Doch Liverpool steht heute dank Klopps Strategie besser als im Vorjahr da. Wer weiß, wie wir in einem Jahr von Facebook sprechen? Von Buvac redet niemand mehr. Die Wirkung einer Maßnahme zeigt sich eben immer erst hinterher. Sie muss nicht gefallen.