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Lars Vollmer Sorgenrepublik Deutschland: So können Firmen die Lähmung überwinden

Lars Vollmer
Lars Vollmer ist Unternehmer, Vortragsredner und Bestsellerautor.
© André Bakker
Die Sorgen in der Wirtschaft sind groß. Dieser Zukunftspessimismus ist besorgniserregend. Aber es gibt einen Ausweg: Die Unternehmen hierzulande können jetzt handeln

Ganz Deutschland macht sich Sorgen. Das beobachte ich nicht erst seit der Wahl in Thüringen und Sachsen, sondern schon deutlich länger. 

Die einen äußern Sorge über den Rechtsruck, die anderen über den Linksruck, wieder andere über die Energiepolitik, die unkontrollierte Migration oder die Entkopplung der Finanzmärkte, über KI oder die Verrohung der Gesellschaft. Im aktuellen Sorgenangebot weit oben rangieren darüber hinaus Themen wie der Wahlausgang in den USA, der Konflikt zwischen China und Taiwan, natürlich die Lage in Nahost und der Ukrainekrieg sowieso.

Was mir am meisten auffällt, ist, dass inzwischen anscheinend jeder einen Grund hat, um ständig zutiefst besorgt zu sein. Auch die Wirtschaft und ihre Akteure. Diese Stimmung ist ansteckend – und besorgniserregend.

In resignativer Erstarrung

Was aus dieser Stimmung entsteht, ist eine Art kollektive Resignation über den Fortschritt in diesem Land. Der Trübsinn kriecht wie Fließbeton in alle Ritzen und lässt das Land erstarren. 

Diese Erstarrung spiegelt sich bereits in den Wachstumszahlen, die im Vergleich zu allen anderen EU-Ländern schlecht ausfallen. Da werden Vermutungen geäußert, Deutschland sei der kranke Mann Europas. Andere wenden ein: Nein, nicht krank, sondern nur alt. Na ja, ich weiß nicht, was von beidem weniger niederdrückend klingt.

Jedenfalls fühlen sich viele Unternehmer durch die derzeitigen Wachstumsprognosen in ihren Sorgen bestätigt und weiter befeuert. 

Die richtigen Worte

Ich kann mich da selbst nicht ganz ausnehmen: Auch ich mache mir anfallsweise große Sorgen. Gleichzeitig erscheint in solchen Phasen Jogi Löw vor meinem inneren Auge.

Es ist der Sommer 2014, die 88. Spielminute im WM-Finale Deutschland gegen Argentinien. Der Spielstand: ein nervenaufreibendes 0:0.

Der Nationaltrainer nimmt Miroslav Klose vom Feld und wechselt Mario Götze ein. Er schlingt diesem den rechten Arm um den Hals, zieht ihn zu sich heran und flüstert ihm ins Ohr: „Mache dir am besten jetzt besonders viele Sorgen, ob es dir gelingen wird, das entscheidende Tor zu erzielen.“ 

Die falschen Worte

Das hat Jogi Löw natürlich nicht gesagt. Denn wie jedem guten Trainer war ihm klar, dass Sorgen auf dem Platz nichts bringen. Im Gegenteil: Sie stehen der Leistung einer Mannschaft im Weg.

Das ist einerseits eine Binsenweisheit, andererseits ein realer Erfahrungswert. Deshalb wundert es mich doppelt, dass ich von Unternehmern reihenweise Interviews höre oder lese, in denen sie sich in tiefer Sorge ergehen. 

Die Leistungsbremse 

Vielleicht ist das nur der Tatsache geschuldet, dass sie der Presse ja irgendetwas sagen müssen, wenn sie gefragt werden. Ich fürchte aber, viele meinen das auch so. 

Worüber sich diese Unternehmer allerdings wirklich Sorgen machen sollten: Diese zur Schau getragener Zukunftspessimismus ist der Leistung in ihren Betrieben abträglich!

Die Frage, die ich mir deshalb stelle, lautet: Was braucht dieses Land, damit die Sorge wieder in Aktivität umschlagen? Was kann den Einzelnen dazu bewegen zu sagen: „Ich handele jetzt!“, selbst wenn die anderen nicht handeln?

Der Leistungsturbo

Ich würde sagen, dass jeder Unternehmer für sich in seinem Einflussbereich genau das tun kann: Er kann handeln.

Er kann neue Produkte entwickeln, selbst wenn er Sorge hat, ob jemand diese kaufen wird. Er kann Investitionen anstoßen, selbst wenn er Sorge hat, ob die sich lohnen. Er kann seinen Betrieb auf Leistung hin ausrichten, selbst wenn er Sorge hat, dass Teile der Belegschaft die mangelnde Unternehmenskultur beklagen werden.

Seine Besorgnisse zu äußern, kann er sich ja für den Abend oder für seine Verbandstreffen aufheben. In seinem Unternehmen aber sind seine Handlungen das, was für eine andere Stimmung sorgt.

Zudem: Schlägt das allgemeine Stimmungspendel irgendwann wieder um, sind seine neuen Produkte schon da, liegen seine Innovationen auf dem Tisch, steht der eigenen Leistungsfähigkeit wieder ausreichend Nachfrage gegenüber.

Und wo bleibt die mentale Gesundheit?

Wenn Sie Ihre Organisation auf Leistung trimmen, bedeutet das nicht, dass Sie Ihre Mitarbeiter ab jetzt ausbeuten oder systematisch überlasten. Sie entfernen nur konsequent die Hürden der Wertschöpfung in Ihrem Unternehmen, indem Sie Bürokratie abbauen, Silos aufbrechen, Schnittstellen gestalten, Schutzräume für Innovationen schaffen etc. 

Dadurch kann endlich jeder Einzelne mit seiner Arbeit zur Wertschöpfung beitragen – und Erfolg war schon immer das beste Mittel zur Förderung einer mentalen Gesundheit. 

Kein Grund zur Sorge!

Mit diesen Maßnahmen können Sie zwar vorerst nur die Lähmung in Ihrem eigenen Unternehmen lösen. Ob das reicht, die Lähmung in diesem Land generell zu lösen, wenn nur genug Unternehmer sich dem anschließen, wage ich nicht zu prognostizieren. 

Aber jeder Unternehmer, der sich mit seiner Firma mehr Bewegungsfreiheit schafft, hat für sich und seine Leute schon erheblich gewonnen. Und er ist dann, wenn die Stimmung im Land sich tatsächlich erholen sollte, allen anderen voraus. Um diese Unternehmer mache ich mir persönlich am wenigsten Sorgen …

Lars Vollmer ist Unternehmer, Vortragsredner und Bestsellerautor. In seinem Buch „Der Führerfluch – Wie wir unseren fatalen Hang zum Autoritären überwinden“ stellt er den aktuellen Krisen die Idee einer Verantwortungsgesellschaft entgegen.

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