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Unstatistik Die Mär von der großen Armut

Die Unstatistik bringt die Wahrheit hinter den Zahlen ans Tageslicht. Diesmal: Deutschland – das Armenhaus Europas?

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen.
Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de. Jüngst erschienen im Campus Verlag ist das Buch „Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet - Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“

„Nie war die Armut in Deutschland so hoch“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Ulrich Schneider zur Armutsstudie seiner Organisation. Laut dieser Untersuchung gelten 12,5 Millionen Menschen in Deutschland als arm. Damit sei die Armut in Deutschland noch nie so hoch gewesen wie heute. Die Interpretation dieser Daten wurde von vielen Medien übernommen – zum Leidwesen der Unstatistik-Macher.

Die Unstatistik hat bereits in ihrer ersten Ausgabe 2012 die damalige Armutsstudie des Wohlfahrtsverbandes kritisiert. Doch „scheint die falsche Interpretation relativer Armutsquoten nicht auszurotten zu sein“ und daher bestehe Bedarf an einer erneuten Richtigstellung.

Methodische Probleme

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kommt in seiner Studie auf eine Armutsquote von 15,5 Prozent aller Bundesbürger. Das sind die Menschen, die pro Monat weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung haben. Doch diese Prozentzahl habe mit Armut nichts zu tun: „Denn dieser Prozentsatz bleibt der gleiche, auch wenn sich das reale Einkommen aller Bundesbürger verdoppelt. Und wenn es allen schlechter geht, nimmt die so gemessene Armut unter Umständen sogar ab.“

Die Untersuchung habe methodische Probleme. So würden regionale Armutsquoten ausgewiesen, weil laut der Studie Stuttgart nicht mit dem Ruhrgebiet vergleichbar sei. Die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten würden aber nicht miteinbezogen. „Dann würde sich hinsichtlich der ‚Armenhäuser’ in der Republik sehr wahrscheinlich ein sehr unterschiedliches Bild ergeben“, schreiben die Unstatistiker.

Ihr Fazit: Relative Armutsquoten stellten nur ein schlechtes Maß für die Einkommensungleichheit dar und hätten mit Armut im herkömmlichen Sinne nichts zu tun haben. Und dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes rufen die Unstatistiker zu: „Beamen Sie sich mal zurück in das Jahr 1948! Da ging es allen gleichermaßen dreckig, aber nach Ihrer Definition war so gut wie niemand arm.“

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