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Markus Väth 3 Dinge, die für einen erfolgreichen Change-Prozess wichtig sind

Markus Väth
Markus Väth
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Mit grundlegenden Transformationen sollten Organisationen behutsam umgehen, schließlich geht es um Menschen. Wenn sich ein Change-Prozess nicht vermeiden lässt, sollten einige Grundregeln beachtet werden

„Übung macht den Meister“, verheißt ein altes Sprichwort. Und in der Tat ist unser ganzes Leben ein ständiges Lernen und Üben. Vom Radfahren und Rasieren über die Bedienung von Computerprogrammen bis hin zu ausgefeilten künstlerischen und artistischen Tätigkeiten können Menschen ganz außergewöhnliche Fähigkeiten erwerben. Dabei dienen diese Fähigkeiten nicht nur dazu, Aufgaben an sich zu bewältigen. Erfolgreich absolvierte Aufgaben haben auch einen sogenannten Sekundärnutzen: Sie lassen uns vor anderen kompetent erscheinen, machen uns Freude und erhöhen die Selbstwirksamkeit, das heißt unsere Überzeugung, die Welt um uns herum und unser Leben beeinflussen und gestalten zu können. 

Man sollte daher annehmen, dass diese Art der Übung auch für Change und Transformation in Organisationen gilt. Landläufig nehmen Führungskräfte, Personaler, aber auch Organisationsentwickler an, Menschen könnten sich sozusagen an den Change gewöhnen und nach der Devise „Übung macht den Meister“ eine Art Transformationskompetenz ausbilden. Ganz weit hergeholt ist der Gedanke nicht. Schon der Philosoph Karl Popper postulierte: Alles Leben ist Problemlösen. Der Sinn des Problems wird somit ein konstituierender; Probleme sind da, um gemeistert zu werden. Und da Veränderung ein kontinuierliches Problem des menschlichen Lebens an sich und auch des organisationalen „Lebenszyklus“ ist, könnte man argumentieren: Change und Transformation kann gelernt werden. Mehr noch: Da Übung ja bekanntlich den Meister macht, sollte der Kompetenzfaktor mit mehreren Change-Projekten hintereinander sogar zunehmen. Salopp formuliert, hätte eine Organisation nach drei, vier Change-Projekten wahre „Change-Profis“ trainiert. Doch leider ist diese Schlussfolgerung eine bittere Fehlannahme. 

Mehrfacher Change zerstört die Selbstwirksamkeit

Geht eine Organisation mehrfach durch eine Transformation, kann das nachweislich negative Konsequenzen haben: für das Vertrauen in das Management, die Arbeitszufriedenheit, die Absicht, die Organisation zu verlassen, Zynismus und die weitere Offenheit für Veränderungen. Warum ist das so? Grundsätzlich bedroht jede größere organisationale Veränderung den sogenannten „psychologischen Arbeitsvertrag“. Dieser Arbeitsvertrag ist die Summe der gegenseitigen Erwartungen zwischen der Organisation und den einzelnen Menschen, die in ihr arbeiten. Er repräsentiert ein oft unausgesprochenes und unhinterfragtes Bündel an Verhaltenswerten und -normen, die zentrale Dinge in einer Organisation regeln: Leistung, Sozialverhalten, Commitment etc. Und solange diese gegenseitigen Erwartungen in einem Change nicht offen auf den Tisch kommen, ist es so, als würde die Organisation mit der Selbstwirksamkeit des Menschen Russisches Roulette spielen: Es kann gutgehen, und der Einzelne aktiviert seine Change-Kompetenzen. Oder eben nicht. Dann denkt sich der Mensch: „Ich bin raus“ – entweder tatsächlich durch Kündigung oder mental durch eine zynische Haltung und Dienst nach Vorschrift beziehungsweise durch eine innere Kündigung. 

Diese Dinge sollten Führungskräfte im Change beachten

Was also tun? Es ist ja nicht so, dass sich Organisationen Change oder Transformation aussuchen würden. Oft gibt es reale Notwendigkeiten, die zu einem Change führen: ein neues Marktumfeld, Produktinnovationen, neue Regulatorien etc. Wenn eine Organisation Change nicht vermeiden kann, sollte sie wenigstens einige Grundregeln beachten:

1. Sehen Sie Change-Bereitschaft nicht als gegeben an

Mitunter denken Führungskräfte: „Die Mitarbeiter müssen das doch sehen. Es ist so offensichtlich, dass wir uns hier tiefgreifend verändern müssen.“ Nein, das ist nicht so. Überschätzen Sie nie die implizite Veränderungsbereitschaft der Menschen. Wir sind alle „Warum“-Wesen. Erklären Sie die Notwendigkeit: Warum geschieht die Transformation? Warum jetzt? Warum so? Wozu dient sie? Seien Sie bereit, solche Gespräche mehrmals, auch mit den gleichen Leuten, zu führen. 

2. Diskutieren Sie den psychologischen Arbeitsvertrag

Es mag hart klingen, aber eine Transformation ist ein wenig wie Fremdgehen in der Partnerschaft. Kommt es zu einem Seitensprung, müssen Sie sich – eventuell – wieder zusammenraufen und fragen: Können wir uns noch vertrauen? Wie ehrlich sind wir eigentlich zueinander? Nutzen Sie in der Transformation die Chance, sich das Vertrauen der Menschen wieder zu erarbeiten. Nichts fördert den Zynismus und die Verbitterung der Menschen besser als sich hintergangen zu fühlen – weil die blumigen Versprechen des Top Managements und die Wirklichkeit deutlich auseinanderklaffen.

3. Flüchten Sie nicht in technokratische Aspekte von Change

Menschen können anstrengend sein. Daher ist es für viele Führungskräfte einfacher, über Organigramme zu diskutieren, irgendwelche Zahlen oder Prozessverbesserungen. Alles wichtige Dinge, keine Frage. Aber vergessen Sie nicht die Menschen, die in den Organigrammen stecken, die Zahlen, welche von den Menschen erzeugt werden und die Menschen, die überhaupt erst Prozesse antreiben und durchführen. Nicht umsonst werden Organisationen heutzutage als „sozio-technische Systeme“ bezeichnet. Den technischen Teil verstehen Führungskräfte meist sehr gut. Nur mit der Akzeptanz des „sozio“ hapert es mitunter. 

Vielen Führungskräften, Personalern und Organisationsentwicklern kommt die Phrase „Nach dem Change ist vor dem Change“ locker über die Lippen. Aber denken Sie daran: Jeder echte Change startet erst einmal wieder bei null, was das gegenseitige Vertrauen, die gegenseitigen Erwartungen und die gemeinsame Erfahrung von Veränderung angeht. Transformieren Sie nur, wenn Sie wirklich müssen. Aber wenn Sie es müssen, investieren Sie in sorgfältige Kommunikation, Ehrlichkeit und Vertrauen.  

Markus Väth ist Arbeitspsychologe und Schöpfer des Begriffs „Radikal Arbeiten“. Dahinter verbirgt sich eine Philosophie, die Arbeit wieder zu ihrem Kern zurückführen soll: weniger Sinnlosigkeit und Demotivation, mehr Wirksamkeit und Freude. Er ist mehrfacher Buchautor und arbeitet unter anderem als Vortragsredner und Organisationscoach.  

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