Wenn Beschäftigten die Motivation fehlt oder sich die Kündigungen häufen, liegt das häufig am Umgang mit dem Mitarbeitergespräch – davon ist Rüdiger Hossiep überzeugt. Der Personalpsychologe von der Ruhr-Universität Bochum warnt: Unternehmen vernachlässigen zunehmend das regelmäßige Mitarbeitergespräch. Stattdessen fokussierten sich die Personalentwickler im Unternehmen oftmals auf Randthemen, die vermeintlich der „letzte heiße Scheiß“ seien, sagt der Experte und Autor des Ratgebers „Mitarbeitergespräche: Motivierend, wirksam, nachhaltig“ (Hogrefe).
Doch selbst, wenn das Mitarbeitergespräch in einem Betrieb feste Tradition ist: Für viele Vorgesetzte ist und bleibt das Treffen eine lästige Pflichtübung oder gar verzichtbares Extra, wenn gerade viel zu tun ist. Dabei kann die Bedeutung des Mitarbeitergesprächs gar nicht überbewertet werden, findet Hossiep.
Die größten Fehler im Mitarbeitergespräch
Er sieht in dem regelmäßigen Austausch geradezu den zentralen Moment, in dem Führung stattfindet. Dort könne die Entwicklung eines Beschäftigten beflügelt werden. Doch viele Führungskräfte lernten das nötige Handwerk nicht mehr, weil die Schulung in ihrem Betrieb ausbleibe. Die Folgen seien unübersehbar. Schlecht geführte Mitarbeitergespräche sind für Hossiep sogar der Hauptgrund dafür, dass in den Unternehmen Motivation ab- und Quiet Quitting zunimmt.
Diese fünf Fehler sind besonders gefährlich:
Fehler #1: Selbst reden und nicht zuhören
Ein Mitarbeitergespräch sollte eigentlich ein Austausch sein. Stattdessen arten die Treffen oft zu einer „Besprechung des Mitarbeitenden“ aus. „Die Führungskraft redet sich den Mund fusselig und der Mitarbeitende lernt, dass er hier sowieso nichts zu sagen hat und nichts beitragen kann“, kritisiert der Hossiep. Stattdessen sollten Vorgesetzte offene Fragen stellen und Pausen aushalten. Am meisten solle der Mitarbeiter zu Wort kommen.
Fehler #2: Mangelnde Vorbereitung
Nicht selten hat der Chef oder die Chefin keine Ahnung, was der Mitarbeiter zuletzt eigentlich gemacht hat und lässt sich erst einmal auf den aktuellen Stand bringen. Für Hossiep ist das gleich doppelt verheerend. Neben fehlender Führung im Alltag signalisiere man so deutlich mangelnde Wertschätzung. „Wenn man verstanden hat, dass das eine wichtige Sache ist und keine lästige Pflichtübung, dann ist das schon die halbe Miete“, gibt er Vorgesetzten zum Mitarbeitergespräch mit auf den Weg.
Fehler #3: Von sich auf andere schließen
Wenn Führungskräfte das Mitarbeitergespräch an sich reißen, liegt das laut Hossiep auch oft an der Fehlannahme, dass sie ohnehin schon wissen, was der Kollege denkt – nach dem Motto „Das haben Sie sich doch schon immer gewünscht“. Vertrauen und ehrliches Feedback gebe es aber nur, wenn offene Fragen gestellt würden und aufrichtiges Interesse signalisiert werde. Gerade für Letzteres hätten Beschäftigte ein sehr feines Gespür.
Fehler #4: Das Mitarbeitergespräch ausfallen lassen
„Wir reden doch eh ständig miteinander“– dieses Argument hören Beschäftigte häufig, wenn sie bei ihrem Vorgesetzten ein Treffen anregen. Mitarbeitergespräche sind laut Hossiep nicht nur Pflicht, sondern sollten auch systematisch geführt werden, um Vertrauen aufzubauen und zu erhalten.
Fehler #5: Alibi-Veranstaltung
Manchmal ist das Mitarbeitergespräch reine Augenwischerei. Hossiep erlebt es immer wieder, dass für das Treffen nur eine Viertelstunde eingeplant ist, das Protokoll schon fertig auf dem Tisch liegt und der Mitarbeitende schlicht gegenzeichnen soll. Sein Urteil fällt eindeutig aus: „Alibi-Führung führt zu Alibi-Arbeit. Wer so agiert, hat nicht die Legitimation, Menschen zu führen.“
Mitarbeitergespräch: Wie oft & wie lange?
Das Mitarbeitergespräch sollte laut Hossiep mindestens einmal pro Jahr stattfinden. Die Dauer könne stark variieren. Als Faustformel empfiehlt der Wissenschaftler 90 Minuten plus eine halbe Stunde als Zeitpuffer. Das kommt vielen Chefs sehr viel vor – vor allem bei vielen Mitarbeitern.
Hossiep empfiehlt deshalb, dass ein Vorgesetzter maximal rund zwölf Mitarbeiter anleiten sollte. Bei einem größeren Team „ist die Führungskraft tatsächlich in gewisser Weise schon auf verlorenem Posten“, warnt der Psychologe.