Capital: Frau Braun, woran erkenne ich schlechte Kommunikation in einer Firma?
MARIE-THERES BRAUN: An der schlechten Stimmung. Oft liegt es daran, dass Probleme nicht angesprochen werden. Manche Menschen sind konfliktscheu und schweigen, wenn sie unzufrieden sind. Oder das Vertrauen fehlt, um es bei der Führungsriege anzusprechen. Das schwelt dann.
Was sind die Vorteile von guter Kommunikation am Arbeitsplatz?
Kommunikation ist ein Wirtschaftsfaktor. Wenn man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnimmt und überzeugt, tragen sie die Unternehmensziele freiwillig mit. Sie sind motivierter, leisten mehr und stehen hinter der Firma und ihrer Arbeit.
Welchen Einfluss haben Führungskräfte auf die Kommunikation im Team?
Leiten Führungskräfte ihre Angestellten mit Macht statt auf Augenhöhe – vielleicht aus Zeitdruck, Stress oder Unkenntnis, wie sie es besser anstellen könnten –, schlägt das auf Stimmung, Motivation und Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wieso sollen die sich denn anders oder besser verhalten als die Führungskraft? Für ein Team ist es gut, wenn alle auch alle Dinge ansprechen können und sagen dürfen, was sie für ihre Arbeit brauchen. Die Firma sollte ein angstfreier Raum sein. Wenn im Unternehmen keine positive Gesprächskultur existiert, dann regieren Anspannung und die Angst, etwas Falsches zu sagen.
Welcher Gesprächstrick lockert die Stimmung in angespannten Meetings?
Thematisieren Sie die komische Stimmung, zum Beispiel durch „Emotional Labeling“. Das ist eine kooperative Gesprächstechnik, bei der ich in der Luft hängende Emotionen anspreche, etwa Zweifel: „Ich sehe, Sie zweifeln grade? Was ist es, was Sie beschäftigt?“ Wenn eine Person auf ihre Emotionen angesprochen wird, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass sie ehrlich antwortet. Menschen können schlecht über ihre eigenen Emotionen lügen.
Und was, wenn das nichts nützt?
Alternativ kann die Prokatalepsis helfen, die Vorwegnahme von Gedanken und Einwänden. Vielleicht haben Sie vor dem Meeting bereits gehört, welche Bedenken gegen Ihr Projekt bestehen. Dann sprechen Sie diese direkt zu Beginn des Termins an, zum Beispiel: „Unsere Vorgehensweise in diesem Projekt ist für viele schwierig und anstrengend. Die Frage ist, ob sich die Mühe am Ende überhaupt auszahlt. Genau darum soll es heute gehen.“ Dadurch erreichen Sie, dass die Anwesenden sich verstanden fühlen. Sie müssen kein „Ja, aber“ mehr im Kopf haben, denn die Gegenargumente wurden bereits ausgesprochen. So können sie viel offener sein und Ihrem Anliegen besser zuhören.
Was raten Sie Angestellten, die bei der Chefin oder dem Teamleiter eine Gehaltserhöhung erreichen oder einen Dienstwagen bekommen wollen?
Auf solche Gespräche sollten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut vorbereiten. Sie sollten sich aber nicht allein zurechtlegen, warum ihre Forderung berechtigt ist, zum Beispiel vergangene hervorragende Arbeit – das sind selbstreferentielle Argumente. Besser ist es, sich zu überlegen, was der vorgesetzten Person wichtig ist und was ihr Vorteil dabei ist. Nehmen wir als Beispiel den Wunsch nach einem Dienstwagen. Sicher haben Sie beim letzten Projekt gut abgeliefert und sich den Wagen verdient. Doch solche Argumente hört die Chefin öfter. Legt die Chefin allerdings viel Wert auf das Image der Firma, könnten Sie etwa anbringen, dass ein Geschäftswagen repräsentativer als Ihre alte Rostlaube ist. Sie überzeugen, indem Ihre Forderungen auf die Werte und Ziele des anderen einzahlen.
Es gibt zahlreiche Themen, die auch im Büro die Gemüter erhitzen, etwa veganes Essen in der Kantine, Wahlergebnisse oder die Frauenquote. Was mache ich, wenn ich mich mit Kolleginnen und Kollegen gestritten habe, aber weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten muss?
Zunächst müssen wir einsehen, dass wir nie alle in allem einer Meinung sein können oder immer jeden von unserem Standpunkt überzeugen können. Selbst wenn jemand eine Sache komplett anders sieht, sollte das allein kein Grund für einen Kontaktabbruch sein. Denn was passiert, wenn wir uns nur mit Gleichgesinnten umgeben? Dann verlieren wir komplett unsere Gesprächskompetenzen und unsere Kritikfähigkeit. Wenn Sie und ein Kollege bei einer Sache unterschiedliche Ansichten haben, gibt es vielleicht andere Themen oder eine andere Ebene, auf der Sie gut klarkommen. Betonen Sie Gemeinsamkeiten, das verbindet. Und das kritische Terrain sparen Sie aus.
Und wie deeskaliere ich, wenn ich mitten in solch einer Diskussion stecke?
Touch-turn-talk, abgekürzt TTT, ist da eine geeignete Methode. Finden Sie heraus, für welchen Wert die andere Person einsteht. Wer sich zum Beispiel gegen das Gendern ausspricht, fordert meist mehr Pragmatismus und will nicht immer auf rohen Eiern laufen. Erkennen Sie diesen Wert an – das ist der Touch, der Berührungspunkt. Wenn Sie zustimmen können, dass es manchmal einen gewissen Pragmatismus braucht, finden Sie eine Gemeinsamkeit. Dann können Sie in den Turn übergehen, also umlenken und sagen, warum es aus Ihrer Sicht manchmal trotzdem sinnvoll ist, sich über Sprache Gedanken zu machen. Und dann kommt der Talk, das Gespräch, für das Ihr Gegenüber jetzt viel offener sein dürfte. Ihr Gegenüber will meist gar nicht überzeugt werden oder gar den eigenen Standpunkt ändern. Rechthaber wollen recht haben, also geben wir denen erstmal recht.
Lassen sich kooperative Gesprächstechniken denn auch im Schriftverkehr anwenden?
Ja, im Schriftlichen sind kooperative Gesprächstechniken umso wichtiger und sollten verstärkt angewendet werden. Schließlich fehlen Stimme und Körpersprache und dieses Vakuum füllt der Empfänger einer Nachricht mit seiner eigenen, meist negativen Interpretation. Ein erster Schritt wäre, dem Absender positive Absichten zu unterstellen. Ich sage immer, in der Kommunikation schadet ein bisschen Naivität nicht: Möglicherweise ist die Person auf der anderen Seite des Bildschirms gerade geplatzt, aber ich unterstelle jetzt einfach mal Positives. Wenn ich selbst etwas schreibe, sollte ich umgekehrt überlegen, was die negativste Unterstellung ist, die die andere Person daruntersetzen könnte, und ändere meine Wortwahl dementsprechend nochmal.
Gibt es eine Sache, die man in beruflichen Gesprächen auf keinen Fall tun sollte?
Es gibt zwei Dinge, weil es zwei Kommunikationsextreme gibt, die sich gegenüberstehen: Konfliktscheu sein und zu konfrontativ sein. Es existiert Raum dazwischen, den wir leider viel zu selten nutzen. Kooperative Gesprächstechniken helfen, diesen Raum zu füllen.