Sein Wort hat Gewicht: Martin Wolf ist einer der weltweit einflussreichsten Wirtschaftsjournalisten und bei der „Financial Times“ Chefkommentator zu ökonomischen Fragestellungen. Pünktlich zu Weihnachten hat Wolf seine Lieblingsbücher dieser Disziplin herausgesucht, die in den letzten Monaten neu erschienen sind. Ein paar Trends zeichnen sich ab – so glauben nicht mehr alle Autoren bedingungslos an das westliche Wirtschaftssystem, große geopolitische Fragen werden diskutiert, Sorgen um die planetaren Grenzen geäußert. Aber es geht auch um Fintechs und den Versicherungsmarkt. Bitteschön:
„Financial Times“-Ranking: Die besten Wirtschaftsbücher 2022
von Martin Chorzempa
In nur einem Jahrzehnt hat China das Bargeld vollkommen hinter sich gelassen. Verantwortlich dafür: eine kleine Anzahl an Fintech-Unternehmen. Martin Chorzempa dokumentiert den raschen Aufstieg der chinesischen Fintechs. Wie haben sie China bereits verändert und was bedeutet das für die chinesische Regierung und den Rest der Welt?
PublicAffairs - 28,84 Euro
von J. Bradford De Long
Die Geschichte der modernen Wirtschaft ist eine bemerkenswerte, findet J. Bradford De Long. Mit der Industrialisierung entkam die Menschheit zwar auf wundersame Weise der bedrückenden Massenarmut. Doch das geht auf Dauer nur gut, wenn eine Innovation der anderen folgt. Der Berkeley-Professor meint, das sei nun vorbei.
Basic Books - 35,24 Euro
von Aeron Davis
Das britische Finanzministerium ist eine der mächtigsten Institutionen im Vereinigten Königreich. Ein Gespür für Haushalte, für den Markt, für Freihandel und Preisstabilität prägten über Jahrhunderte die britische Politik. Aeron Davis, Professor für politische Kommunikation an der Victoria University of Wellington, dringt in umfangreichen Interviews in den Kern der Institution ein. Alles deutet darauf hin, dass der Konservatismus des Finanzministeriums sich nicht unbedingt nur als Segen erwiesen hat – ganz im Gegenteil.
Manchester University Press - 21,04 Euro
von Liran Einav, Amy Finkelstein und Ray Fisman
Versicherungen wollen Kunden, die nur selten eine Versicherung in Anspruch nehmen. Folglich sind Versicherungen teuer und nicht immer notwendig. Wie das sein kann, erklären die drei amerikanischen Professoren in einem meisterhaften Buch über das Versicherungswesen.
Yale University Press - 29,77 Euro
von Ray Dalio
Wie lernt man aus den Fehlern der Vergangenheit? Hedgefondsmanager Ray Dalio analysiert ganze Jahrhunderte. Eine seiner Lektionen: Geld verliert wegen des großen Schuldenüberhangs an Wert.
Avid Reader Press - 29,99 Euro
von Clara E. Mattei
Für die Verfechter der freien Marktwirtschaft ist diese Lektüre harte Kost. Clara E. Mattei macht sich auf die Suche nach den Ursprüngen der Austeritätspolitik. In einer Sache hat sie zweifelsohne Recht: Wirtschaftspolitik ist immer politisch.
The University of Chicago Press - 28,99 Euro
von Jón Daníelsson
Wie kommt es zu Finanzkrisen? Worüber sollten sich die Regulierungsbehörden Gedanken machen? Jón Daníelsson, Professor für Finanzen an der London School of Economics, fordert das Ende einer Finanzmonokultur. Zu viele Probleme seien hausgemacht und zu oft gingen Risikomodelle an der Realität vorbei. Der Autor hat fünf spannende Empfehlungen für seine Leser verfasst.
Yale University Press - 30,44 Euro
von Gary Gerstle
Der Fall und Aufstieg des Neoliberalismus beginnt mit Ronald Reagan und endet mit Donald Trump. Gary Gerstle, Professor für amerikanische Geschichte in Cambridge, skizziert die Geschichte einer politischen Ordnung, deren Mittelpunkt in den USA lag. Das Buch führt dem Leser den beharrlichen Wandel der Welt vor Augen.
Oxford University Press - 21,99 Euro
von William Magnuson
Der texanische Professor William Magnuson stellt das unternehmerische Handeln erstmals in einen historischen Kontext. Es geht los in der römischen Republik und mit der Frage, wie die moderne Kapitalgesellschaft entstand. Denn da, wo der Einzelne scheitert, schaffen Unternehmen oft Großes. Trotzdem dienen die Unternehmen heute vor allem den Interessen von Eigentümern und Managern und richten sich oft sogar gegen gesellschaftliche Interessen. Wie konnte es dazu kommen?
Basic Books - 29,99 Euro
von Christopher Marquis und Kunyuan Qiao
Lange dachte man im Westen, dass mit der freien Marktwirtschaft auch die Demokratie in China Einzug halten würde. Xi Jinpings Machtkonsolidierung hat diese Hoffnungen mit einem Schlag zunichte gemacht. Das war schon immer naiv, glauben die Autoren Christopher Marquis und Kunyuan Qiao. Denn die maoistischen Ideen leben nicht nur in der Partei, sondern auch in den Unternehmen Chinas fort.
Yale University Press - 31,88 Euro
von John Odling-Smee
Alle Bemühungen, die Länder der ehemaligen Sowjetunion in erfolgreiche Marktwirtschaften zu verwandeln, sind gescheitert. Der Brite John Odling-Smee war in den 1990er Jahren als hochrangiger IWF-Beamter an vorderster Front dabei. Seine Erklärung: Eine unabhängige Marktwirtschaft war das Letzte, was die politischen Machthaber gebrauchen konnten.
Hamilton - 24,56 Euro
von Nouriel Roubini
Wie schlimm wird die Zukunft? Nouriel Roubini übertrifft mit seiner Zusammenfassung aller potenziellen Megabedrohungen alle bisherigen Untergangsfantasien. Nur eine vernünftige Politik könnte die eine oder andere Katastrophe noch aufhalten, aber auf keinen Fall alle. Science-Fiction-Fans werden dieses Buch lieben.
John Murray/Little, Brown - 23,99 Euro
Von Stephen Roach
Nach Ansicht von Stephen Roach, Ex-Chef von Morgan Stanley und Senior Fellow an der Yale University, könnten die chinesisch-amerikanischen Beziehungen besser sein.Die Supermächte hätten sich durch falsche Narrative verzettelt. Wie kann der große Konflikt zwischen den USA und China noch verhindert werden?
Yale University Press - 34,14 Euro
von Andrew Smithers
Vom Buchtitel sollte man sich nicht in die Irre führen lassen. Das Buch ist keinesfalls eine Anleitung zum Geldverdienen an der Börse. Ganz im Gegenteil stellt es alle gängigen Annahmen der Ökonomie in Frage: Ist die Ökonomie am Ende doch nur eine Religion und keine Wissenschaft? Ein brillantes Buch über eine Wissenschaft, in der allzu oft Konsens herrscht.
Oxford University Press - 37,30 Euro
von Guy Standing
Ozeane sind das ultimative Gemeingut, sie gehören uns allen. Guy Standing schildert in seinem Buch die Verwüstung der Weltmeere durch Überfischung, Müll und Bergbau. Auf der Suche nach einer Lösung überrascht der originelle Denker mit radikalen Ideen zu Eigentum und Gemeingut. Die Vorschläge sind ehrgeizig und wohl auch unrealistisch, aber angesichts einer unkontrollierten Ausbeutung unseres Planeten mehr als notwendig.
Pelican - 27,40 Euro
Von Paul Tucker
Paul Tucker lehrt in Harvard und ist ehemaliger Vizegouverneur der Bank of England. In seinem neuen Buch erforscht der britische Intellektuelle Machtinteressen, Werte und politische Legitimität in einer dahinsiechenden Weltordnung. Tucker hat ein wichtiges Buch zu der vielleicht größten Frage unserer Zeit geschrieben: Wird sich die Menschheit einig sein?
Princeton University Press - 36,27 Euro
von Zainab Usman
Nigeria gilt als das bedeutendste Land Afrikas, dessen wichtigste Einnahmequelle Erdöl ist. Im Land ahnt man inzwischen, dass das in Zukunft zum Problem werden könnte. Zainab Usman ist Afrika-Direktorin der Carnegie-Stiftung in Washington. In ihrem Buch gibt sie tiefe Einblicke in die instabilen Machtstrukturen des afrikanischen Landes. Und geht auf die Frage ein: Wie gelingt dem Land trotz der Sehnsucht nach Stabilität die große wirtschaftliche Transformation?
Zed - 119,34 Euro
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