Capital: Herr Lenz, das Liberale Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung untersucht seit Jahren in Studien, wie es mit der ökonomischen Bildung bei Jugendlichen und Kindern aussieht. Warum eigentlich?
JUSTUS LENZ: Zunächst einmal geht es aus unserer Sicht um Lebenschancen, also darum, dass Kinder und Jugendliche mit ganz praktischen Fragen vertraut werden: Welche Versicherung brauche ich? Wie kann ich Geld anlegen? Aktuell liegt es fast nur am Elternhaus, ob dieses Wissen vermittelt wird. Und das ist aus Sicht der Chancengerechtigkeit schwierig.
Warum betrifft das die öffentliche Bildung?
Aus meiner Sicht gehört ökonomische Bildung zur Staatsbürgerkunde. Im Idealfall bekommt man in der Schule zumindest ein Grundverständnis für demokratische Institutionen, das klappt ja auch ganz gut. Diese Grundlage wird in der ökonomischen Bildung aber nicht vermittelt. Dabei spielen ökonomische Fragen bei ganz vielen politischen Entscheidungen eine große Rolle.
Was zeigen die Studien Ihres Instituts hinsichtlich dieser ökonomischen Allgemeinbildung?
Die Haupterkenntnis: Das Wissen, das vermittelt wird, ist nicht besonders gut. Und das hat sich auch nicht verändert. Unsere jüngste Studie hat ein Forscherteam der Universität Siegen für uns erstellt. Die haben sich 40 Schulbücher und Lehrkräftebände angeschaut. Da ging es um Fragen wie: Wie werden Unternehmer dargestellt? Wie wird soziale Gerechtigkeit behandelt? Welche Rolle spielt der Staat? Das wichtigste Ergebnis ist, dass Unternehmerinnen und Unternehmer nur sehr wenig vorkommen. Der Staat hingegen kommt sehr häufig als Akteur vor, als universeller und paternalistischer Problemlöser, wie die Wissenschaftler schreiben.
Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass dieses Thema so vernachlässigt wird?
Zum einen wird Wirtschaft in aller Regel nicht als eigenes Fach unterrichtet, sondern meistens im Zusammenhang mit Geschichte oder Politik, also von fachfremden Kräften. Es wäre wichtig, dass es ein Schulfach Wirtschaft gibt, das auch von ausgebildeten Wirtschaftslehrern unterrichtet wird, die sich mit ökonomischer Methodik auskennen.
Es gibt ja die Befürchtung, dass in einem solchen Unterricht ideologische Einflüsse zum Tragen kommen könnten, dass vielleicht sogar Unternehmen versuchen, Unterrichtsmaterialien zu stellen. Ist das nicht ein Risiko?
Es ist ja so: Wenn man nicht an Schulen über Wirtschaft unterrichtet, dann holen sich die Kinder und Jugendlichen ihre Informationen an anderen Stellen. Ich verstehe, dass manche Leute Bedenken haben, aber man sollte Wissenschaftlern, die ein solches Fach gestalten vertrauen, dass sie das auch objektiv tun. Aus unseren Umfragen geht klar hervor, dass es ein Interesse an solchen Themen gibt, die Kinder und Jugendlichen wollen das.
Jetzt würden manche vielleicht sagen: Naja, die Friedrich Naumann Stiftung ist eine FDP-nahe Einrichtung, natürlich haben die ein Interesse daran, dass über Geldanlage unterrichtet wird, die stehen ja der Finanzbranche nahe. Was sagen sie denen?
Wir sind zwar unabhängig, aber parteinah, das stimmt, so ist es ja mit den politischen Stiftungen. Und natürlich arbeiten wir auf Grundlage des Liberalismus. Ich könnte mir aber vorstellen, dass in der Finanzbranche gar nicht alle ein großes Interesse an Aufklärung über die Geldanlage hätten, zum Beispiel am Thema ETF. Das sind ja sehr günstige Produkte.
Hören Sie in der neuen Folge von „Die Stunde Null“
- Warum Frauen eine seltsame Rolle in der ökonomischen Bildung spielen
- Wie an der Schule über Geldanlage berichtet wird
- Wer die wirtschaftliche Bildung vorantreiben könnte
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