Der Immobilienmarkt in Hannover
Hannover - günstige Alternative im Norden
Von Christian Baulig
Von ihrem Schlafzimmer aus können Sandra und Konstantin Erb mit ihren beiden kleinen Töchtern die Schiffe auf dem Mittellandkanal beobachten. Daran hat sich seit ihrem Umzug innerhalb des Stadtteils List nichts geändert. „Wir sind bloß zwei Brücken weiter gezogen“, sagt Erb. Antonie und Josephine besuchen weiter dieselbe Kita, die Familie kauft ihre Lebensmittel nach wie vor im selben Supermarkt. Das Wohngefühl ist dennoch ganz neu: Statt einer knapp geschnittenen Drei-Zimmer-Mietwohnung bewohnen die Erbs jetzt ein Reihenhaus mit fünf Zimmern auf 126 Quadratmetern.
Sandra Erb ist Lehrerin, ihr Mann arbeitet in einem Verlag. Vor sieben Jahren sind sie der Jobs wegen aus Hamburg hergezogen. „Jetzt war es an der Zeit, etwas zu kaufen“, sagt Konstantin Erb. Das Reihenhaus – eines von 49 in einer Neubausiedlung auf dem ehemaligen Gelände einer Autoverwertung – gefiel der Familie sofort. Rund 460.000 Euro hat sie für die Immobilie bezahlt. Eine sinnvolle Investition, findet Konstantin Erb: „Die monatliche Belastung ist kaum höher als unsere frühere Miete.“
Ein architektonisch ansprechender Neubau in gesuchter Lage für weniger als 4000 Euro pro Quadratmeter? Davon können die Hamburger Freunde und Bekannten der Erbs nur träumen. „Die wohnen bis auf eine Ausnahme zur Miete“, erzählt Sandra Erb, „während hier fast alle aus unserem Umfeld etwas gekauft haben.“ Durchschnittlich kosteten Neubauwohnungen in Hannover laut iib-Institut zuletzt 4700 Euro pro Quadratmeter, Bestandswohnungen sind im Mittel sogar schon für 3000 Euro zu haben. Unter den Großstädten, die im Capital Immobilien-Kompass vorgestellt werden, sind nur Dresden und Leipzig günstiger.
Zugleich zählt die niedersächsische Landeshauptstadt zu den dynamischsten Immobilienmärkten. Seit 2009 haben sich laut iib-Institut Neubauwohnungen um gut 112 Prozent verteuert, bei Bestandsobjekten kletterten die Preise um fast 147 Prozent. „Aufgrund der Corona-Krise werden die Preise 2020 wohl stagnieren“, sagt Nadine Haepke. Mittelfristig erwartet die Geschäftsleiterin bei Engel & Völkers in Hannover jedoch weitere Wertzuwächse.
Vor allem in B- und C-Lagen könnte es deutlich teurer werden – weil noch mehr Nachfrage aus den begehrten A-Lagen herüberschwappt. „Wer in der List preislich nichts Passendes findet, weicht häufig auf Bothfeld, Groß Buchholz oder das Heideviertel aus“, sagt Haepke.
Teure Bauprojekte beschleunigen den Aufstieg von Lagen, da sie oftmals eine zahlungskräftige Klientel in sozial schwächere Stadtteile locken. Ob dies überall gelingt? Haepke ist skeptisch. Dass etwa Sahlkamp, wo in Sichtweite einer Großsiedlung auf einem einstigen Kasernengelände 775 Wohnungen entstehen sollen, einen spürbaren Aufschwung erleben wird, bezweifelt sie.
Neben Selbstnutzern suchen zunehmend auch Kapitalanleger Objekte in Hannover. „Wir haben sogar Anfragen aus Berlin, Hamburg und Düsseldorf von Kunden, die in ihren eigenen Städten nicht mehr investieren wollen.“ Wer an der Leine eine Wohnung kauft und vermietet, erzielt im Schnitt noch Renditen zwischen 3,2 Prozent (Neubau) und 3,7 Prozent (Bestand).