Anzeige

Geldanlage Wer hat Angst vor der Rezession?

Händler an der Frankfurter Börse
Händler an der Frankfurter Börse
© Getty Images
Niemand, denn zurzeit stehen die Zeichen auf Erholung. Und wenn sie doch kommt? Dann wird sie schwer, warnen Ökonomen. Deswegen ist bei der Geldanlage gerade jetzt eine Portion Vorsicht besser als zu große Euphorie über den Dax-Rekord

Das Schöne an Wahrscheinlichkeiten und Prognosen ist ja, dass sie die Welt ein Stückchen berechenbarer machen. Das Dumme an ihnen ist nur, dass trotzdem nicht unbedingt passieren muss, was sie errechnet haben. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit dafür enorm hoch klingt. 90 Prozent zum Beispiel – ein Ereignis, das mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit eintreten sollte, hielten viele für gesetzt: Zu Beginn des vergangenen Jahres sagte die Mehrheit der Profianleger, das Jahr 2019 werde schlecht laufen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es bis Ende 2020 zu einer Rezession komme, lag laut statistischen Auswertungen bei 90 Prozent. Extrem wahrscheinlich war also, dass die Märkte abschmieren würden. Und tatsächlich schwächte sich das Wachstum 2019 auch gehörig ab. Inzwischen wissen wir aber: Der große Absturz blieb aus – im Gegenteil. Der Dax eilte gerade erst zu einem neuen Rekord.

Inzwischen nämlich gaben nicht nur etliche anerkannte Ökonomen, sondern auch die jüngsten Wirtschaftsdaten Entwarnung: Ja, das Wachstum sei im zweiten Halbjahr 2019 etwas weggeknickt, doch der Anfang vom Abschwung war das nicht. Eher eine kleine Schwächephase. Für 2020 jedenfalls stünden die Zeichen nun wieder auf Erholung: Das Wachstum werde nicht einbrechen, sondern erst einmal nur etwas geringer ausfallen, aber gegen Ende 2020 dann wieder anziehen. Bei rund einem Prozent soll der BIP-Zuwachs hierzulande im laufenden Jahr liegen (nach einem halben Prozent im Vorjahr), in der Eurozone vielleicht etwas höher. Die Rezession ist erstmal abgesagt. Die große Frage ist nun: Wenn sie nicht jetzt kommt, wann dann?

Ewig wird sie schließlich nicht auf sich warten lassen, denn noch immer befindet sich die Welt im längsten Aufschwung, den die Märkte je gesehen haben. Entsprechend sagen auch große Vermögensverwaltungen: Der Abschwung verschiebe sich erst einmal nach hinten. Wie weit nach hinten, wagt derzeit keiner zu sagen.

Es geht aufwärts

Immerhin nennt einer der weltweit größten Anleihenverwalter, die Gesellschaft Pimco, ein paar schlüssige Gründe dafür, warum es 2020 keine Rezession geben werde , sondern es wieder leicht bergauf gehe: Erstens drehe der „Financial Conditions Index“ bereits wieder nach oben, der klassischerweise ein Frühindikator für die Wirtschaftsproduktion sei. Der hauseigene Index betrachtet eine Reihe von finanziellen Variablen wie Anleihenkurse, Aktien- und Währungskurse sowie Wohnungspreise weltweit. Und üblicherweise bewegt er sich recht genau im Gleichlauf mit dem weltweiten Wachstum, nur dass er ihm eben einen Hauch vorauseile. Derzeit jedenfalls dreht der Index bereits recht kräftig nach oben. Nur das Wachstum hat bisher noch nicht reagiert.

Zudem hätten etliche Staaten bereits ihre Fiskalpolitik umgestellt, um das schwächelnde Wachstum wieder zu unterstützen. Die Steuerreformen Donald Trumps in den USA sind ja bekannt, Japan zieht neuerdings nach. Dort hat zwar Ministerpräsident Shinzo Abe gerade erst die Mehrwertsteuer erhöht, doch nicht auf Produkte des täglichen Bedarfs. Zudem locken jetzt vergünstigte Steuersätze für bargeldlose Kartenzahler und zudem kurbelt der Staat mit neuen Ausgaben den japanischen Konsum kräftig an. So will Abe verhindern, dass Japan in die Rezession abdriftet.

Nur Deutschland – tja, Deutschland unternimmt in dieser Hinsicht bisher nichts. Sondern es ruht sich eher auf seinen unvermutet großen Steuereinnahmen aus und klammert sich weiter fest an die schwarze Null und das Gebot, bloß keine neuen Schulden zu machen. Obwohl das Geldausgeben in dieser Situation ungleich wirkungsvoller wäre, als die rigide Sparpolitik. Warum? Weil die Geldpolitik der Notenbanken längst an ihre Grenzen geraten ist und es längst nicht mehr vermag, die Wirtschaft anzukurbeln. Und genau darin liegt die große Gefahr für die Zukunft.

Die Fiskalpolitik ist am Zug

Denn, so mahnen die Analysten auch: Wenn der nächste Abschwung kommt, dann könnte er – genau deswegen – drastisch ausfallen. Weil die Geldpolitik der Notenbanken nämlich kaum noch positive Impulse bewirkt – zumindest nicht auf die Wirtschaft, sondern nur noch auf die Assetmärkte, vor allem auf Aktienkurse. Sinken aber wirklich irgendwann die Wachstumsraten und damit auch die Kurse an den Märkten, welche Möglichkeiten hat die Europäische Zentralbank dann überhaupt noch, um das abzumildern? Die Zinsen kann sie dann nicht senken, um die Ausgaben der Firmen anzukurbeln. Denn was schon auf Null steht, kann nicht noch tiefer sinken.

In so einer Situation wäre die Fiskalpolitik der Regierungen das Einzige, was die Menschen noch bei Kauflaune halten könnte. Deswegen warnen die Ökonomen auch: Die Gefahr, dass es in der nächsten Rezession recht große Verluste geben wird, ist hoch.

Wie also stellen sich die Profiinvestoren derzeit darauf ein? Zum einen halten sie an Aktien fest und erhöhen deren Anteil in ihrem Depot sogar leicht. Dass sie das nicht nur anderen raten, sondern auch selber umsetzen, davon zeugt der neue Höchststand des Dax . Auf über 13.600 Punkte kletterte das deutsche Aktienbarometer dieser Tage erstmals in seiner Geschichte. Ein Zeichen dafür, dass Firmenanteile eben kein überteuertes Auslaufmodell sind, sondern die derzeit gefragtesten Anlagepapiere. Und wenn sich die Wirtschaft gegen Ende des Jahres wieder erholt, dann ist auch wieder von stärker wachsenden Gewinnen bei den Unternehmen auszugehen und von einem weiteren Kurswachstum.

Infografik: Dax steigt auf Rekordwert | Statista

Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Den Anteil an Anleihen verringern sie dagegen. Und vor allem bei Unternehmensanleihen raten sie zurzeit zu äußerster Vorsicht: Denn sie wären besonders anfällig, sollte die Wirtschaft in eine Krise rutschen. Zuletzt seien deutlich mehr Kredite an Unternehmen vergeben worden, davon rund 35 Prozent im spekulativen Bereich. Es haben sich also auch viele Firmen mit Geld vollgesogen, die finanziell nicht gerade zu den allersolidesten gehören. Was passiert, wenn die Wirtschaft ein paar Gänge zurückschaltet, kann man sich gut vorstellen. Besser also, man reduziert sein Engagement hier, bevor es wirklich so weit kommt.

Für andere Bereiche sind etliche Analysten dagegen optimistisch: In den Schwellenländern zöge das Wachstum schon wieder deutlich an. Auch sie seien ein Beleg dafür, dass die Talsohle der Wachstumsschwäche bald durchschritten sei. Das verarbeitende Gewerbe entwickle sich auch wieder gut. Zudem favorisieren große Fondsmanager derzeit Value-Aktien gegenüber Wachstumswerten (obwohl gerade die Wachstumstitel zuletzt so gut liefen). Der Grund dafür ist einfach: Es gebe inzwischen riesige Bewertungsabstände bei den Value-Titeln, während einige also den letzten Höhenflug am Aktienmarkt bereits voll mitgemacht hätten, lägen andere noch deutlich dahinter zurück. Genau deshalb sei nun der Zeitpunkt, diese unterbewerteten Substanzaktien mit niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis zu kaufen. Damit wäre man dann auch gut gerüstet, wenn die Rezession wirklich käme. Und das wird sie tun. Höchstwahrscheinlich jedenfalls.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel