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Börse Dax-Rekord – kein Grund zum Feiern

Der Dax - ein Aktienindex mit Konstruktionsmängeln
Der Dax - ein Aktienindex mit Konstruktionsmängeln
© dpa
Der jüngste Dax-Rekord verschleiert zwei gravierende Konstruktionsmängel des wichtigsten deutschen Aktien-Index

Überraschend kam der Rekord nicht. Der Dax hat sich schon seit Jahresbeginn an seinen Höchststand herangepirscht. Nun ist es soweit, die Kurstafel auf dem Frankfurter Börsenparkett sprang zum Handelsauftakt am Mittwoch über die Marke von 13.600 Punkten. Das mag viel Aufmerksamkeit bringen, für Anleger ist der Rekordstand allerdings kein Grund zum Feiern. Dies liegt an zwei Konstruktionsfehlern des bekanntesten deutschen Aktienindex.


DAX Index


DAX Index Chart
Kursanbieter: L&S RT

Doch zunächst einmal ein Blick auf den Grund für den Rekord. Er geht zurück auf zwei Entwicklungen aus dem vergangenen Jahr, der Höchststand war also nun überfällig. 2019 gab es große Sorgen, dass die Wirtschaft in eine Rezession abrutschen könnte. Inzwischen zeigt sich, dass diese Angst überzogen war: Die Wirtschaft boomt zwar nicht, ist aber entgegen den Erwartungen auch nicht abgerutscht. Deutschland hat im vergangenen Jahr ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent geschafft, und das trotz der Krise der Autoindustrie und einer Beinahe-Rezession im Sommer.

Die Wall Street deklassiert den Dax

Für 2020 lautet die Prognose der Bundesregierung für den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts auf 1,0 Prozent. Viel ist das gewiss nicht, aber besser als ein Rückgang allemal. Die Schweizer Bank Julius Bär spricht von „vorsichtigem Konjunkturoptimismus“. Und sind Anleger beruhigt, kaufen sie eben auch wieder Aktien.

Zweitens unterstützt die Geldpolitik die Aktienmärkte. Mit den wachsenden Rezessionssorgen taten die beiden wichtigsten Notenbanken, Federal Reserve und Europäische Zentralbank (EZB), was zu tun ist in solchen Fällen: Sie lockerten ihre Geldpolitik, um der Konjunktur neuen Schub zu geben. Das zeigt auch Wirkung am Aktienmarkt. Auch die US-Aktienmärkte haben jüngst Rekorde verbucht, der Leitindex S&P 500 erreichte kürzlich 3329 Zähler.

Doch Rekord ist aus Anlegersicht nicht gleich Rekord. Das zeigt sich im direkten Vergleich des Dax mit dem S&P 500 seit dem März 2009, als an den Aktienmärkten quasi die Zeit nach der globalen Finanzkrise begann. Der US-Aktienindex steht heute rund viereinhalb Mal so hoch, während der Dax nur einen Anstieg um den Faktor 3,6 schaffte. Mit anderen Worten: Der deutsche Aktienmarkt wurde von der Wall Street deklassiert - wobei Währungseffekte nicht berücksichtigt sind, der Dax also in Euro und der S&P 500 in Dollar gemessen wird.

Tatsächlich steht der Dax sogar im Vergleich sogar noch viel mieser da. Grund dafür ist der Konstruktionsmangels Nummer 1: Der Dax ist ein so genannter Total-Performance-Index – und das als so ziemlich einziger wichtiger Länder-Aktienindex. Eingerechnet werden nämlich nicht nur die Kurssteigerungen der 30 im Dax enthaltenen Aktien, sondern auch noch deren Dividenden. Es wird also unterstellt, dass Dax-Anleger die Ausschüttungen immer reinvestieren und weder irgendwo anders anlegen noch verjuxen – was zur deutschen Spar-Mentalität passt.

„Sparbuch-Funktion“ überzeichnet Dax-Rekord

„Tatsächlich ist ein wesentlicher Teil des Dax-Aufschwungs nicht mit der ,Sexyness‘ der Indexunternehmen zu begründen“, schreibt die DZ Bank und weist auf die rechnerische Wiederanlage der Dividenden hin. „Performance ist damit garantiert.“ Je länger der Dax besteht, desto stärker wirkt dieser Zinseszins-Effekt der Dividenden – und macht ihn damit immer weniger vergleichbar mit anderen Indizes.

Andere Länderindizes haben diese „Sparbuch-Funktion“ nicht, sie überlassen den Anlegern die freie Wahl über die Verwendung von Dividenden. Rechnet man nun aus dem Dax die Dividenden heraus, so ist das Bild ziemlich ernüchternd. Die Deutsche Börse berechnet für diesen Zweck den Kurs-Dax . Aktuell liegt der Kurs-Dax bei etwas mehr als 6060 Punkten, also weniger als halb so hoch wie der „normale“ Dax mit den seit 1988 einberechneten Dividenden. Und vor allem: Der Kurs-Dax kommt seit langem nicht vom Fleck und liegt noch immer unter seinem Rekordstand von 6210 Zählern von Oktober 2017. Die Lage wäre noch trister, wenn nicht die beiden Dax-Schwergewichte SAP und Allianz sich sehr gut entwickelt hätten. Die SAP-Aktie, mit einem Anteil von 10 Prozent derzeit größter Dax-Wert, hat sich in den vergangenen rund fünf Jahren in etwa verdoppelt.

Das führt zum zweiten gravierenden Konstruktionsmangel im Dax: Er ist mit 30 Mitgliedern einfach zu klein. Sobald es bei einem Mitglied nicht gut läuft wie zuletzt bei der Deutschen Bank, schlägt dies sofort auf den gesamten Index durch. Dies gilt auch für Probleme einzelner Branchen wie zuletzt der Autoindustrie. Haben die Dax-Schwergewichte Volkswagen, Daimler und BMW Probleme, ziehen diese gleich den gesamten Index nach unten. Dies ist nicht neu, vor der Finanzkrise waren vier Banken in dem Barometer enthalten. Mit Thyssenkrupp und Salzgitter gehörten dem Dax auch einmal zwei Stahlkonzerne an, die inzwischen in den MDax bzw. SDax abgestiegen sind und Index-Performance gekostet haben.

Anleger sollten über den Tellerrand schauen

Bei der Konstruktion des Dax wurde also gerade das vermieden, was Anlegern immer wieder empfohlen wird: Diversifikation, also breites Streuen. In anderen Ländern klappt dies besser, der französische Leitindex Cac hat 40 Mitglieder und der britische FTSE sogar 100 Werte. In den USA wird aus dem Universum des S&P 500 zwar auch ein Auswahl-Index berechnet, aber auch der hat 100 Mitglieder. Der legendäre Dow Jones Industrial Average besteht wie der Dax aus 30 Mitgliedern, wird aber genau deshalb inzwischen von Investoren meist gemieden und hat heute vor allem folkloristischen Wert.

Es gibt also keinen Grund, wegen des aktuellen Dax-Standes die gern zitierten Sektkorken auf dem Parkett knallen zu lassen. Die Deutsche Börse sollte vielmehr über einen breiteren Index nachdenken, der vielleicht 50 Mitglieder hat. Und sie sollte Anleger selbst entscheiden lassen, was sie mit den Dividenden anfangen möchten, ganz wie dies bei ETFs mit thesaurierenden und ausschüttenden Varianten üblich ist. Ein Dax50 sollte also ein Kursindex sein.

In der Zwischenzeit sollten Anleger nicht ausschließlich in den Dax investieren . Wer gerne in Deutschland bleibt, sollte sich mindestens auch in den 50 Nebenwerte-Index MDax einkaufen. Besser ist es aber europaweit oder global in Aktien anlegen.

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