Groß und breit wurden die jüngsten Trippelschritte der US-Notenbank Federal Reserve zu einem möglichen Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik diskutiert. Auch wir bei Capital haben darüber berichtet, dass Fed-Präsident Jerome Powell den Ausstieg, das Tapering, angekündigt hat , bislang aber nichts so recht in Washington passiert ist.
Ganz anders könnte es am Donnerstag in Frankfurt kommen: Dort wird EZB-Präsidentin Christine Lagarde um 14.30 Uhr ihre Pressekonferenz im Anschluss an die aktuelle Ratssitzung beginnen. Die Erwartung ist hoch, dass sie dann einen ersten Schritt zu weniger Anleihekäufen verkünden wird, ein Tapering á la européen.
„Diese EZB-Sitzung dürfte für die Anleger von großer Bedeutung sein“, sagt Paul Diggle, leitender Volkswirt bei der Fondsgesellschaft Aberdeen Standard Investments. „Es ist gut möglich, dass der EZB-Rat eine Reduzierung der laufenden PEPP-Käufe ankündigt. Eine Vielzahl von EZB-Politikern, von den üblichen Befürwortern wie Jens Weidmann bis hin zum Chefvolkswirt Phillip Lane haben angedeutet, dass es an der Zeit ist, die EZB-Notfallhilfen zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie zu reduzieren.“
Derzeit kauft die EZB im Zuge des „Pandemic Emergency Purchase Programme“ (PEPP) monatlich Wertpapiere im Volumen von 80 Mrd. Euro. Hinzu kommen im Rahmen des regulären Asset Purchase Programme (APP) monatlich weitere 20 Mrd. Euro. Mit Stand vom 3. September hat die EZB im Zuge des PEPP-Programms nach eigenen Angaben 1341,8 Mrd. Euro an Staatsanleihen gekauft.
„Wir gehen daher davon aus, dass die EZB in ihrer geldpolitischen Stellungnahme nicht mehr davon sprechen wird, die monatlichen PEPP-Käufe in erheblich größerem Umfang durchzuführen als während der ersten Monate des Jahres“, erwartet Daniel Hartmann Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Bantleon. „Konkrete Zahlen wird man zwar nicht nennen, wir halten es jedoch für plausibel, dass die Käufe im vierten Quartal auf monatlich etwa 60 Mrd. Euro zurückgefahren werden.“ Hingegen rechnet Hartmann nicht mit Aussagen dazu, ob das Programm im März wie bislang geplant auslaufen wird. „Hier werden sich die Währungshüter angesichts der möglichen konjunkturellen Risiken und neuer Pandemiewellen im Herbst und Winter alle Optionen offenhalten wollen.“
„Peak Asset Purchases“
Die Ankündigung wird voraussichtlich in Zusammenhang mit den neuen Konjunkturprognosen des EZB-Stabs stehen. Spannend dürfte sein, wie die Notenbank die Inflationsentwicklung prognostiziert, nachdem die Preise zuletzt in der Eurozone um 3 Prozent gestiegen waren. Die EZB strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von 2 Prozent an. „Ein langsamerer Pfad der PEPP-Käufe ist unausweichlich“, sagt Mark Wall, Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Er spricht davon, dass der Höhepunkt der Anleihekäufe („Peak Asset Purchases“) somit überschritten sei.
Investoren haben sich nach Einschätzung von Marktakteuren weitgehend auf dieses Szenario eingestellt. Die Marktreaktion dürfte am Donnerstagnachmittag also solange verhalten ausfallen, wie die EZB nicht in die eine oder andere Richtung abschweift. Doch selbst wenn es zu einer leichten Straffung käme, würde dies den Grundtrend an den Kapitalmärkten nicht verändern. Diese Ansicht vertritt Blackrock-Kapitalmarktstratege Martin Lück. „Trotz vorübergehend hoher Inflation spricht also alles für fortgesetzt üppige Liquidität und sehr niedrige Zinsen, mit anderen Worten: weiteren Treibstoff für die Aktienmärkte.“

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