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Impact Investing „Blinde Passagiere wollten von der Euphorie dieses neuen Marktes profitieren“

Greenpeace-Aktivisten haben bei ihrem Protest gegen Greenwashing im Foyer der DWS-Gruppe „Exit Fossils“ an die Wand gesprüht
Greenpeace-Aktivisten haben bei ihrem Protest gegen Greenwashing im Foyer der DWS-Gruppe „Exit Fossils“ an die Wand gesprüht
© Boris Roessler / picture alliance/dpa
Um Greenwashing zu unterbinden, will die EU-Kommission die Regeln für nachhaltige Fonds ändern. Doch damit sind nicht alle Probleme gelöst und Nachhaltigkeitsziele können sogar in Gefahr geraten, warnt Jens Peers von der auf Impact-Fonds fokussierten Fondsgesellschaft Mirova
Jens Peers
Jens Peers ist US-Chefanlagestratege der auf Impact-Fonds fokussierten Fondsgesellschaft Mirova
© PR

Herr Peers, viele Anbieter von so genannten „dunkelgrünen“ Artikel 9-Fonds laut der EU-Offenlegungsverordnung haben diese in den vergangenen Monaten zu „hellgrünen“ Artikel 8-Fonds herabgestuft. Wie kam es dazu?
JENS PEERS:In der ersten Welle hat die EU-Richtlinie durchaus ihr Ziel erreicht: Sie hat die Fonds mit den ehrgeizigsten Nachhaltigkeitszielen identifiziert, und der Markt hat diesen Produkten einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Richtig ist allerdings auch, dass danach viele blinde Passagiere von der Euphorie dieses neuen Marktes profitieren wollten. Jetzt will die EU-Kommission nachsteuern und die Offenlegungsverordnung mit wesentlich restriktiveren Präzisierungen und Definitionen von Nachhaltigkeit versehen.

Sind damit die Probleme gelöst?
Die Präzisierung birgt die Gefahr, dass für die Einordnung quantitative Kriterien wie etwa der Anteil an fossilen Energieträgern in einem Unternehmen dominieren. Wenn allerdings durch eine sehr restriktive Quantifizierung die Artikel-9-Fonds erst einmal weniger als ein Prozent des Marktes ausmachen und alle übrigen Fonds sich in Artikel 8 tummeln – welchen Nutzen hat dann eine solche Regulierung für den Anleger? Vielmehr sollte der Regulierer den Markt in Richtung mehr Transparenz voranbringen.

Mirova bezeichnet sich selbst als Anbieter von Impact-Fonds, also Produkten mit Wirkung. Wie handhaben Sie es mit Artikel 9-Fonds?
Wir investieren nicht in Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern, und berichten über alle unsere Produkte nach Art. 9 der Offenlegungsverordnung. Wir möchten aber auch Unternehmen unterstützen, die eine glaubwürdige Strategie in Richtung Pariser Abkommen verfolgen – auch wenn sie derzeit teilweise noch fossile Energieträger nutzen. Ob ein Unternehmen wie zum Beispiel Orsted, das wir für einen wichtigen und glaubwürdigen Akteur der Energiewende halten, auch nach den neuen Richtlinien Platz haben kann in einem Artikel 9-Fonds, müssen wir abwarten.

Neben den Herabstufungen verunsicherten im vergangenen Jahr Greenwashing-Vorwürfe viele Anlegerinnen und Anleger.
Es entstand häufig eine Dissonanz zwischen dem Handeln des Fondsmanagements und den Teams, die sich um den Dialog mit den Unternehmen oder das Abstimmungsverhalten auf Hauptversammlungen kümmerten. Bei uns sind beide Aufgaben integriert, das Research-Team ist auch für das Engagement gegenüber dem Unternehmen verantwortlich, beides ist also aufeinander abgestimmt.

Wie kam es zu den Diskrepanzen in der Branche?
Es gab damals einfach keine Standards und keine Überprüfung von nachhaltigen Investoren. Das hat sich geändert, die Vorschriften der EU-Offenlegungsverordnung sind ein guter Anfang. Sie reichen aber nicht aus. Es gibt Vorwürfe von Greenwashing bei Fondsgesellschaften, obwohl von diesen die Regeln des Gesetzes eingehalten wurden.

Was muss noch getan werden?
Aktuell bestehen noch zu viele unterschiedliche Definitionen von Impact oder Nachhaltigkeit. Deshalb muss es mehr Vorschriften für Unternehmen zur Berichterstattung von Daten geben, und das ganze viel mehr standardisiert. Der nächste Schritt müssen dann Kontrollen durch die Aufseher sein. Anleger müssen zudem verstehen, dass es nicht nur darum geht, einen Haken in ein Kästchen zu setzen, sondern eine Anlagestrategie wirklich zu verstehen.

Wie verstehen Sie Impact-Investing?
Mit meinem Team in Boston verwalte ich rund 9 Mrd. Dollar in einem diversifizierten globalen Aktienportfolio. Alles, was wir tun, ist von dem Gedanken des Impact bestimmt. Das heißt, wir sind angetrieben vom Gedanken, über das gesamte Portfolio hinweg negative Auswirkungen zu vermeiden und positive Effekte nach Möglichkeit zu maximieren. Aber das heißt nicht, dass wir immer wirklich mit tiefer Wirkung investieren. Das liegt auch an der Größe unseres Portfolios, weshalb wir in große und liquide Werte investieren müssen. Je größer ein Unternehmen wird, in das sie investieren, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht in ein reines Geschäft mit Impact investieren. Es gibt zahlreiche Industrieunternehmen, die hochwirksame Dinge tun, aber eben auch Produkte mit negativen Auswirkungen im Sortiment haben.

Sie kaufen Aktien von bereits bestehenden Unternehmen. Braucht es nicht auch Investitionen in neue Techniken oder Lösungen, also im Grunde grünes Private Equity?
Ich habe früher einmal einen Wasserfonds verwaltet und dessen Impact ist quasi per Definition höher als bei einem multithematisch diversifizierten Portfolio. Wenn sie in ein Unternehmen mit einem klaren Fokus, sagen wir auf Windkraft, investieren, ist Ihr impact schon mal größer als in einem Mischkonzern wie etwa Siemens. Wenn es sich dann auch noch um ein relativ kleines Unternehmen handelt, erreichen Sie als Anteilseigner auch noch einen größeren Einfluss auf die Strategie und können so Ihren Impact noch vergrößern.

Wenn ich Aktien von beispielsweise Vestas kaufe, wie ist dann der Impact meiner Investition, denn an der Arbeit des Unternehmens ändert sich deshalb ja nichts?
Diese Frage haben mir vor unserem Interview auch schon ein paar Investoren gestellt. Die Antwort hängt davon ab, wie man Impact definiert. Als Aktionär kann man durchaus etwas bewirken, indem man das Verhalten eines Unternehmens positiv verändert. Das ist möglich, weil man eine Stimme hat. Oder das Unternehmen hat bereits gute Arbeit geleistet, dann schafft man zwar als Aktionär keinen Impact, aber man besitzt ihn als Investor.

Es gibt also zwei verschiedene Ansätze von Impact-Investing? Genau. Ein Element des Marktes sind aktivistische Investoren, die eine große Beteiligung an einem Unternehmen eingehen und versuchen es zu verändern. Andere Investoren wie wir gehen nicht aktivistisch vor, aber engagieren sich natürlich im Unternehmen oder kaufen solche, die schon gewisse Mindeststandards erfüllen. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass es genügend Raum für unterschiedliche Investoren gibt. Und die Anleger müssen unterscheiden können. Daher ist die Regulierung in erster Linie zur Korrektur von Marktversagen unerlässlich.

Es macht also einen Unterschied zwischen Finanzierung und Investition.
Ja. Finanzierung bedeutet, an einem gut funktionierenden Primärmarkt zum Beispiel grüne Anleihen für ein Projekt oder neue Aktien zu begeben. Wir als Assetmanager investieren hingegen am Sekundärmarkt und kaufen anderen Leuten ihre Aktien ab. Wenn man also zehn verschiedene Menschen fragt, was Nachhaltigkeit für sie bedeutet, erhält man wahrscheinlich zehn verschiedene Antworten. Wir müssen als Investoren einen Rahmen finden, der für alle funktioniert.

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