Fast alle Unternehmen beziehen Vorprodukte. Nicht immer stammen diese aus ethisch einwandfreien Quellen, sondern werden gewonnen durch Kinderarbeit, ökologischen Raubbau oder Sanktionsumgehungen. Um das zu verhindern, fordern die EU und die USA seit Jahren strengere Standards. Schon jetzt gibt es diverse Lieferkettengesetze – sei es der „Forced Labor Ban“ in den USA oder die „EU and US anti-greenwashing legislation“.
Ab dem kommenden Jahr dürfte die Debatte richtig Fahrt aufnehmen. Denn sowohl Deutschland als auch die EU legen neue Gesetze auf, die viele Unternehmen zum Handeln zwingen werden. Worum es geht, was in den Gesetzen steht und was Unternehmen nun tun müssen:
Welche Gesetze kommen wann?
Konkret geht es um das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und das europäische Lieferkettengesetz. Für letzteres gibt es bisher nur einen Entwurf mit dem sperrigen Namen „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDDD). Beide werden Schritt für Schritt umgesetzt.
Das neue deutsche Lieferkettengesetz gilt ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen ab 3000 Mitarbeitenden. Der europäische Entwurf wird voraussichtlich im Mai 2023 verabschiedet. Die Mitgliedsstaaten haben danach zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in ein eigenes nationales Gesetz umzuwandeln. Da die Regeln voraussichtlich deutlich strenger sein werden als das deutsche Gesetz, wird Deutschland wohl nachschärfen müssen.
Was steht im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Größere Unternehmen mit Sitz in Deutschland müssen ab dem 1. Januar bestimmte Sorgfaltspflichten einhalten. Darunter fallen zum Beispiel:
- die Einrichtung eines Risikomanagements, um die Risiken durch Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu verhindern
- die Identifizierung dieser Risiken muss entlang der gesamten Lieferketten erfolgen. Es reicht also nicht mehr, die direkten Zulieferer zu scannen. Auch deren Zulieferer müssen begutachtet werden
- ein Katalog mit elf international anerkannten Menschenrechten, gegen die Unternehmen nicht länger verstoßen dürfen. Dazu zählen zum Beispiel die Verbote von Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz darf nicht missachtet werden und es müssen angemessene Löhne gezahlt werden.
Ab 2024 greift das Gesetz bereits ab 1000 inländischen Mitarbeitenden. Überwacht werden die Regeln von der neu geschaffenen „Borna“ – einer Außenstelle des Bundesamts für Wirtschaft und Außenkontrolle. Verstoßen Unternehmen gegen diese Regeln, können Bußgelder verhängt werden. Diese können bis zu 8 Mio. Euro oder bis zu 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen. Außerdem können Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Was ist der Unterschied zwischen der deutschen und europäischen Regelung?
Einfach gesagt, geht der europäische Entwurf deutlich über das deutsche Gesetz hinaus.
- Unter die europäische Regulierung fallen deutlich mehr Unternehmen. Diese betrifft nämlich bereits europäische Unternehmen sowie in der EU tätige Firmen aus Drittstaaten ab 500 Mitarbeitenden und mehr als 150 Mio. Euro Umsatz. Dies betrifft rund 9.400 Firmen.
- Risikobranchen für Menschen und Umwelt fallen bereits ab 250 Angestellten und 40 Mio. Umsatz unter die geplante Richtlinie. Dazu gehören beispielsweise die Textil- und Lederindustrie, die Land- und Forstwirtschaft und der Bergbau. Insgesamt sind dies rund 3.400 Firmen.
- Firmen müssen nicht nur die komplette mittelbare Lieferkette identifizieren und prüfen, sondern auch deren Nutzer und Entsorger
- Die neue EU-Regelung wird voraussichtlich eine zivilrechtliche Haftung für Firmen enthalten, Betroffene können somit Schadensersatz vor europäischen Gerichten einklagen.
Was bedeuten die Regeln für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)?
Zunächst noch nicht viel. Aber: KMU sind indirekt betroffen, wenn sie Zulieferer für eines der regulierten Unternehmen sind. Die Regeln dürften für Belastungen bei den KMU sorgen, beispielweise durch zusätzliche Bürokratie. Um die Unternehmen hier zu entlasten, sind verschiedene Maßnahmen geplant. Im Bedarfsfall können Staaten beispielsweise Firmen finanziell bei den Kosten unterstützen, die diese durch die neuen Anforderungen haben.
Wie funktioniert die Umsetzung in der Praxis?
Firmen, die unter die Regulierung fallen, können zum Beispiel sogenanntes Supply-Chain-Mapping betreiben. Das heißt: Sie sollten ein Organigramm über ihre Zulieferer zeichnen, das sich aus eigenen Daten und denen der Unternehmen speist. Hierfür gibt es mehrere Software-Anbieter wie Trustrace oder Sourcemap.
Das gilt unter Experten zwar als aufwendig, auch weil der Integrationsprozess zwischen 90 Tagen und einem Jahr dauern kann. Am Ende soll es aber Vorteile bringen. Zum einen werden die Berichtspflichten standardisiert und sind aktuell; zum anderen ergeben sich Einsparpotenziale, sagt Leonardo Bonanni, CEO von Sourcemap. „Unsere Kunden kommen durchschnittlich auf 30.000 Zulieferer, von denen sie selbst noch nicht wussten. Da gibt es die verrücktesten Konstellationen und Doppelstrukturen. Viele lassen sich aufbrechen und einsparen.“
Da viele Reportings erst in frühestens einem Jahr fällig werden, sei jetzt auch noch genug Zeit, um die Software in die Systeme der Unternehmen einzupflegen, so Bonanni. „Über die Zeit werden die Regeln sowieso strenger. Und als verschlossenes KMU steht man dann zunehmend mit solchen Unternehmen im Wettbewerb, die Transparenz bieten. Insofern wird Transparenz zum Wettbewerbsvorteil.“