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Neue Banken-Regeln Green Asset Ratio: Warum die neue Kennzahl umstritten ist

Frankfurter Bankenviertel
Frankfurter Bankenviertel
© picture alliance/dpa | Helmut Fricke
Die Green Asset Ratio (GAR) soll Anlegern und Investoren ab 2024 zeigen, wie nachhaltig Unternehmen wirtschaften. Doch unter Banken regt sich Widerstand gegen die neue Aktien-Kennzahl

Der Finanzsektor spielt bei der Veränderung hin zu nachhaltigem Wirtschaften eine wichtige Rolle. Die Europäische Union (EU) hat deshalb mit ihrer Taxonomie ein Regelwerk erlassen, dass sowohl die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten als auch die von Kreditinstituten regeln und für Investoren transparent machen soll. Ziel ist es, die Angaben der Unternehmen durch einheitliche Standards vergeichbar zu machen und Greenwashing zu verhindern.

Eine zentrale Kennziffer namens Green Asset Ratio (GAR) soll ab 2024 angeben, welcher Teil der Bilanz von Kreditinstituten ökologisch-nachhaltige Kriterien erfüllt. Schon bei den Nachhaltigkeitsstandards für Fonds und andere Finanzprodukte gab es 2022 Kritik aus der Finanzbranche, weil die EU-Kommission unter anderem Atomkraft und Erdgas ein grünes Label verpasst und sie als nachhaltig definiert hat. Nun stören sich Marktteilnehmer auch an der neuen KPI (Key Performance Indicator).

In die GAR fließt ein, wie es um das Ausfallrisiko von Geschäften einer Bank bestellt ist, in welchem Maße Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden und welche Art der Vermögenswerte das Kreditinstitut hat. Daraus lässt sich ein Nachhaltigkeitsprofil für eine Bank ableiten. „Diese Informationen, die bisher nicht verfügbar waren, können auch Diskussionen zwischen der Geschäftsleitung und den Anteilseignern oder anderen Interessengruppen über die künftige Nachhaltigkeitsstrategie von Kreditinstituten anstoßen“, so Volker Brühl, Professor für Banking und Finance sowie Geschäftsführer des Center for Financial Studies an der Goethe-Universität Frankfurt, in einer Ananlyse.

Die Banken beäugen die geplante strengere Regulierung kritisch. Zumal erste Bewertungen zeigen, dass die EU-weite GAR deutlich unter 10 Prozent liegen könnte. Denkar ist deshalb laut Brühl, dass die EU Mindestgrenzwerte festlegt, um die Finanzinstitute dazu zu bewegen, nachhaltiger zu wirtschaften und die Quote nach oben zu drücken. Außerdem könnten, angestoßen durch die Einführung der GAR, weitere Vorschriften für Banken folgen, etwa der sogenannte Green Supporting Factor. Er sieht vor, die Eigenkapitalanforderungen für nachhaltige Kredite zu verringern.

Banken fürchten Wettbewerbsnachteile

All das passt den Kreditinstuten nicht. „Die GAR bildet die Nachhaltigkeitsprofile der Banken nur unzureichend ab“, kritisiert Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes (BdB). Er verweist auf eine Untersuchung des BdB von 450 Unternehmen. Demnach sind die Taxonomie-Regeln derzeit nur auf 30 Prozent der Wirtschaft anwendbar. Die Bilanzen der Banken spiegeln hingegen die Gesamtwirtschaft wider. „Die Green Asset Ratio ist als Steuerungsgröße für die Transformation ungeeignet“, folgert Herkenhoff. „Wir stehen erst am Anfang der Transformation und sollten uns vom ‚Grün oder Nicht-Grün‘-Denken verabschieden.“

Die Finanzinstitute der Sparkassen-Gruppe fordern gleich eine Reform der GAR. Die Kennzahl berücksichtige die Finanzierung nachhaltiger Investitionen in kleinen und mittleren Unternehmen nicht, moniert Karolin Schriever, Mitglied im Vorstand des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) in einem Gastbeitrag für den „Tagesspiegel Background“.

Als Beispiel nennt Schriever Windkraftanlagen. Das seien „unzweifelhaft grüne Vermögenswerte“, doch die Kreditinstitute dürfen die Finanzierung einer Anlage demnach nur dann in der GAR ausweisen, wenn das finanzierte Unternehmen selbst einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt – was kleinere Betriebe im Gegensatz zu börsennotierten meist nicht müssen. In der Folge könnten viele regionale Sparkassen und Volksbanken niedrigere GARs aufweisen und hätten einen Wettbewerbsnachteil, fürchtet Schriever.

Auch Wissenschaftler wie Banken-Experte Brühl sehen darin eine berechtigte Sorge, wenn sich die Berichtspflichten aufgrund des Geschäftsmodells, der Größe oder des jeweiligen regulatorischen Umfelds unterscheiden. Doch ob und wenn ja, wie sich die Nachhaltigkeits-Offenlegungspflichten auf die Wettbewerbsposition von Finanzinstituten auswirken, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Erst nach Einführung der GAR kann untersucht werden, „ob ein Zusammenhang zwischen dem Nachhaltigkeitsniveau eines Unternehmens, z.B. gemessen durch die GAR, und seiner Aktienkursentwicklung oder seinen Kreditratings beobachtet werden kann oder nicht“.

Mehr Investments in nachhaltige Unternehmen

Carmelo Latino, Forscher am Frankfurter Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, nennt einen weiteren Kritikpunkt: Die GAR enthalte keine grünen und nachhaltigen Anleihen von staatlichen oder überstaatlichen Emittenten wie der Europäischen Investitionsbank. „Diese Auslassung hat das Potenzial, die Vergleichbarkeit von Anlageportfolios zu beeinträchtigen, und könnte als belastender Faktor für das Wachstum und die Entwicklung des Marktes für staatliche und supranationale nachhaltige Anleihen wirken“, so Latino.

Alles in allem hält Latino die Klassifizierung, die der GAR zugrunde liegt, für wissenschaftlich fundiert, „aber bei der praktischen Umsetzung kann es Probleme mit der Datenverfügbarkeit geben“. Es sei also durchaus denkbar, dass nach der Einführung der neuen Kennziffer noch etwas verändert und angepasst werde. „Meiner Ansicht nach wird GAR zu einem guten Kompromiss, wenn die genannten Kritikpunkte berücksichtigt werden“, sagt Latino. Ob das die Banken auch so sehen, darf allerdings zumindest zum jetzigen Zeitpunkt bezweifelt werden.

Für Anlegerinnen und Anleger jedenfalls könnte die Green Asset Ratio irgendwann durchaus zu einem wichtigen Entscheidungsfaktor für oder gegen ein Investment werden. Das dürfte Banken noch mehr dazu motivieren, in nachhaltige Produkte zu investieren, um ihre Kapitalkosten zu senken, vermuten Wissenschaftler. Die Anreize für Finanzunternehmen, verstärkt in solche Unternehmen zu investieren, um die Angleichung an die Taxonomie zu fördern, könnte also zu einer noch größeren Nachfrage nach grünen Produkten führen. Dann wäre die Rechnung der EU – sofern Greenwashing unterbunden wird – aufgegangen.

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