Leitzinsen Fed-Ankündigung: Bluff oder kommunikatives Meisterstück?

Das Gebäude der US-Notenbank in Washington
Das Gebäude der US-Notenbank in Washington
© IMAGO / Xinhua
Ein rasches Auslaufen der Anleihekäufe und möglicherweise drei Zinsanhebungen im nächsten Jahr: Die US-Notenbank enteilt dem Krisenmodus mit großen rhetorischen Schritten. Doch so ganz glaubt der Zinsmarkt das noch nicht

Die US-Notenbank Federal Reserve enteilt mit Riesenschritten dem Krisenmodus. Sie hat angesichts der sehr hohen Inflationsraten eine rasche Straffung ihre Geldpolitik angekündigt. Die DZ Bank spricht von einer „doch recht aggressiven geldpolitischen Ankündigung“. Das war nicht ganz unerwartet nach dem Anstieg der US-Verbraucherpreise um knapp sieben Prozent im November. Doch gänzlich vorbereitet waren die Kapitalmärkte nicht. Dass die Zinsmärkte verhalten und die Aktienmärkte fast schon euphorisch reagieren – der Dax legte bis zum Mittag um rund 1,5 Prozent zu –, ist vor allem ein kommunikatives Meisterstück von Fed-Präsident Jerome Powell.


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Die wesentliche Ankündigung der Fed vom späten Mittwochabend europäischer Zeit dürfte das rasche Auslaufen der krisenbedingten Anleihekäufe sein. Dieses als Tapering bezeichnete Verfahren sieht bislang die Reduzierung der Käufe um 15 Mrd. Dollar pro Monat vor, so dass im Sommer Schluss gewesen wäre. Nun verdoppelt die Fed das Ausstiegstempo auf 30 Mrd. Dollar pro Monat und will im März schon durch sein mit dem Exit.

Zweitens stellt sich die Federal Reserve auf eine länger anhaltende Phase höherer Inflation ein, auch wenn diese zuletzt nach Einschätzung von Volkswirten bereits die Spitze erreicht hatte. Die Fed strich das Wort „vorübergehend“ („temporary“) aus ihrer offiziellen Kommunikation für die Inflationserwartungen. Mit diesem Begriff hatten Powell und sein Team zuletzt begründet, warum sie trotz steigender Inflationsraten die Geldpolitik nicht straffen wollten. Höhere Zinsen helfen dabei, eine heiß laufende Wirtschaft abzukühlen und nehmen damit Preisdruck aus dem Markt – allerdings in der Regel um den Preis von weniger Beschäftigung und geringeren Lohnzuwächsen.

Signal für schnellere Zinserhöhung

Powell bestätigte zudem, dass nach dem Ende des Tapering sehr schnell der Leitzins angehoben werden könnte. Beim Tapering des Jahres 2014 nach der globalen Finanzkrise und drei großen Anleihekaufprogrammen zog sich der Zeitraum bis zur ersten Zinserhöhung lange hin.

Drittens signalisierte die Fed eine schnellere Zinserhöhung als sie es bislang kommuniziert hatte. Das zeigen die so genannten „Dots“: Mit diesen Punkten geben die Mitglieder im Offenmarktausschuss der Notenbank – vergleichbar dem Rat der Europäischen Zentralbank – ihre Prognosen für die Zinsentwicklung an. Die Ausschussmitglieder rechnen nun mit jeweils drei Zinserhöhungen in den beiden kommenden Jahren sowie einer weiteren im Jahr 2024. Da der Leitzins in aller Regel um 0,25 Prozentpunkte verändert wird, spricht dies für ein Leitzinsniveau von 2,125 Prozent im Jahr 2024. „Um die Kontrolle über die Preisentwicklung nicht zu verlieren, ist ein rasches Ende des monetären Gasgebens nötig“, heißt es bei der Commerzbank. „Das beschleunigte Ende der Anleihekäufe macht den Weg frei für mehrere Zinserhöhungen im nächsten Jahr.“

Steigende Leitzinsen sind normalerweise Gift für die Aktienkurse, weil dem System Liquidität entzogen wird. Zudem werden Zinsanlagen relativ betrachtet wieder attraktiver als Aktien. Außerdem sind künftige Gewinne bei höheren Zinsen heute weniger wert, so dass bei unveränderten Bewertungen die Kurse fallen müssen. Dies ist nach der deutlichen Ansage Powells allerdings an diesem Donnerstag nicht geschehen. Zum einen wird am Markt darauf hingewiesen, Powell habe von einer gut laufenden Wirtschaft gesprochen und die Risiken der Omikron-Variante des Covid-Virus als nicht sehr hoch eingeschätzt. Damit würden die Unternehmen weiterhin gut verdienen und steigende Aktienkurse wären gerechtfertigt.

Oder nur ein Bluff?

Es gibt allerdings auch Stimmen, die Powells Aussagen für einen Bluff halten und die angesichts der niedrigen US-Impfquoten dessen Optimismus in Sachen Omikron nicht teilen. Sie finden sich eher am Anleihemarkt, der kaum eine Reaktion zeigte. Die zehnjährige US-Rendite verharrte mehr oder minder bei 1,45 Prozent und auch die der zweijährigen Papiere, die meist stärker auf die Notenbank reagieren, bewegten sich kaum und rentierten mit 0,65 Prozent. Wenn die Marktzinsen nicht steigen, belastet eine Notenbank-Ankündigung auch nicht die Aktienmärkte. „Niemand spricht von einer drastischen Verschärfung", sagte Brian Nick, Chef-Anlagestratege von Nuveen, der Nachrichtenagentur Reuters. „Und so sollte dies immer noch ein gutes Umfeld für die Risikobereitschaft der Anleger sein.“

Zu den Skeptikern im Hinblick auf eine schnelle Straffung der US-Geldpolitik gehört auch die DZ Bank. Sie erwartet nur einen Zinsschritt der Fed im kommenden Jahr – und zwar erst im vierten Quartal. Die Commerzbank rechnet dagegen mit drei Zinsschritten, einem ersten bereits im Frühjahr. Die Handelsräume der beiden Institute liegen in Frankfurt nur wenige hundert Meter voneinander entfernt. Da unterschiedliche Meinungen über die Entwicklung eines Assets oder eines Marktes immer die Grundlage des Tradens sind, könnte zwischen den beiden Handelssälen eine rege Aktivität entstehen.

Am Anleihemarkt könnte als eine Phase erhöhter Volatilität bevorstehen. Jason England, Manager eines globalen Anleiheportfolios bei Janus Henderson Investors, warnte vor einer „Friktion im Rentenmarkt“. Ein Index für die Volatilität der Bondsmärkte, der ICE Bank of America MOVE Index, bewegt sich aktuell in der Nähe seiner Höchststände vom April 2020. „Ich bin zuversichtlich, dass die Volatilität hoch bleiben wird, während wir versuchen, uns aus diesem massiven Stimulus herauszuwinden“, sagte Lon Erickson, Portfolio Manager bei Thornburg Investment Management.

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