Gerade einmal vier Monate ist es her, dass einer der schärfsten Crashs der Weltgeschichte die Börsen erschütterte – und schon wirkt alles wieder so normal: Der deutsche Leitindex Dax kratzte diese Woche schon wieder an der Marke von 13.000 Punkten , die jahrelang als oberster Deckel des Dax galt. Und er verfehlte es nach einem 500-Punkte-Anstieg am Mittwoch nur ganz knapp. Der Eurostoxx legte auch über 100 Punkte bis zur Wochenmitte zu, also beachtliche 3,4 Prozent. Der amerikanische Dow Jones strebte 500 Punkte nach oben, was für ihn immerhin ein Plus von rund zwei Prozent bedeutete. Und inzwischen scheint es, als sei der rasanteste Absturz der Börsen bereits wieder Geschichte, weil er vom schnellsten je dagewesenen Aufschwung abgelöst worden ist. Zumindest hievte die jüngste Rally die Kurse in Rekordzeit wieder auf Normalnull, also fast aufs Vor-Corona-Niveau. Beflügelt wurde der Kursanstieg von den Hoffnungen auf einen Impfstoff gegen die Pandemie.
Doch sind diese Zeiten alles andere als normal, weder für die Märkte, noch für die Anleger, schon gar nicht für die Wirtschaft. Deswegen erlebten die Weltbörsen am Donnerstag auch einen neuen Schockmoment. Plötzlich brachen Chinas Kurse ein. In Scharen flohen die Anleger aus den Aktien und bescherten dem CSI-300-Index einen Einbruch von 4,6 Prozent, das war der kräftigste Rutsch seit der Wiedereröffnung der Märkte nach dem dortigen Corona-Shutdown. Der Rest der Börsenwelt hielt daraufhin erst einmal den Atem an. Was also ist passiert?
Man kann es ungefähr so sagen: Der chinesischen Führung war offenbar der jähe Kursanstieg der letzten Zeit nicht ganz geheuer. Zuvor hatten die Staatsmedien noch ausdrücklich den Börsenhype befeuert und zu Aktieninvestments ermuntert. Woraufhin die Bürgerinnen und Bürger in Scharen in die Banken strömten und neue Tradingkonten eröffneten, um sich Anteilsscheine zu sichern. Offenbar zu reichlich. Die Börsenkurse schnellten dadurch über ihre Marken vom Jahresbeginn hinaus. Daraufhin änderten die Staatsmedien jetzt ihre Meinung und säten Zweifel, ob die Kurse nicht längst zu hoch seien. Ausdrücklich prangerten sie auch den Preis einer der beliebtesten Spirituosen des Landes als zu hoch an – und brachten damit die Aktie des Herstellers zum Absturz. Es ist eine der meistverkauften Aktien der Volksrepublik, das löste die Flucht aus den Aktien aus.
Privatanleger befeuern den Boom
Fragt man Analysten, was die chinesische Staatsspitze wohl bewogen hat, die Aktieneuphorie zu dämpfen, dann sagen sie Folgendes: Das Land habe zwar die erste Welle der Corona-Infektionen samt wirtschaftlichem Lockdown offenbar gut überstanden, zumindest ziehe das Wachstum deutlich an. Doch nach und nach zeichne sich ab, dass auf das große Aufatmen angesichts der Wiederöffnung wohl doch nicht der ganz große Konsumschub folgt, den viele erhofft und erwartet hatten. Die Chinesen üben sich vorerst in vornehmer Zurückhaltung, was die Kauflaune betrifft. Was natürlich auch an den Einkommenseinbußen liegt, die viele durch die Krise erlitten haben.
Die chinesischen Ereignisse könnten den heimischen Anlegern als Warnung dienen. Natürlich muss es hierzulande nicht genauso kommen, zumal keine Staatsmedien die Märkte regieren. Deutsche Anleger hat auch niemand im großen Stil zum Aktienkauf aufgerufen. Sie haben es jedoch ganz von selbst getan. Aus Absatzstatistiken, von Marktvertretern und Investmentgesellschaften wissen wir inzwischen: Auch bei uns waren es die Privatanleger, die den jüngsten Boom befeuert haben. Sie begriffen den Kurscrash als eine riesige Einstiegschance – um endlich noch diejenigen Aktien und Fonds zu kaufen, deren Kurse ihnen zuvor enteilt waren. Die institutionellen Investoren dagegen hielten sich zunächst auffällig zurück und horteten lieber Cash. Inzwischen sehen sie sich gezwungen, ebenfalls wieder in den Markt einzusteigen, wenn sie nicht abgehängt werden wollen. Soweit, so gut für Anleger.
Allzu euphorisch sollten sie dennoch nicht sein. Zum einen ist längst nicht ausgemacht, dass es hierzulande besser gelingen wird, den Konsummotor wieder anzukurbeln. Obwohl sich die Regierung dafür allergrößte Mühe gibt – mit dem Kurzarbeitergeld (gegen größere Einkommenseinbußen), mit der Mehrwertsteuersenkung (zur Förderung der Kauflaune) und mit milliardenschweren Hilfspaketen (zum Stützen der Firmen und Finanzmärkte). Ihre Wirksamkeit müssen diese Maßnahmen aber erst noch beweisen.
Zum anderen ist es natürlich schön, dass die Privatsparer das Vertrauen in die Aktienmärkte bisher nicht verloren haben. Doch das muss natürlich auch so bleiben, selbst wenn es bei uns ebenfalls noch einmal zur Flucht aus den Aktien käme. Und genau deswegen ist es zurzeit besonders interessant sich anzusehen, in welche Produkte die hiesigen Sparer gerade investieren. Die Frage lautet, ob das wohl langfristig eine gute oder weniger gute Idee ist, und welche Aussichten sich daraus für Anleger wohl ergeben. Das Fazit fällt zwiespältig aus.
Vertrauen in Fonds-Flaggschiffe
Spannend ist zunächst einmal, dass Privatanleger größtenteils jenen Fondsprodukten die Treue halten, die sie auch bereits vor der Corona-Krise gekauft haben. Das lässt sich an den Beliebtheitslisten und den häufigsten Suchanfragen ablesen, die zum Beispiel die Ratingagentur Morningstar regelmäßig ermittelt. Zu den All-Time-Favorites gehören Fonds wie der Flossbach von Storch Multiple Opportunities und der DWS Top Dividende. Zwei Flaggschiffe, die stark auf Aktien setzen, schon seit Jahren immer wieder in Fondsrankings oder Favoritenlisten weit vorn rangieren und die sich in der Vergangenheit zumeist gut gegen die Konkurrenz behaupten konnten. Übrigens auch in den Krisentagen vom März: Beide Fonds schafften es durch frühe Absicherung und Umschichtungen, die Verluste zumindest zu begrenzen. Das sorgte für viel Vertrauen. Man muss jedoch auch sagen: Zu den allergrößten Renditebringern gehörten sie deswegen im zweiten Quartal nicht. Da sie überwiegend defensiv unterwegs waren, hinken sie seit dem Blitzaufschwung deutlich hinterher und schafften „nur“ rund 5,5 beziehungsweise 4,5 Prozent Rendite. Da schafften andere deutlich mehr.
Genauso interessant ist, dass rund die Hälfte jener Fonds, die zurzeit enorm gefragt sind, zuvor eben nicht in den Bestenlisten auftauchte. Es sind die New-Entries der Liste, die viel über die derzeitige Anlegerstimmung aussagen: Der Fidelity Sector Technology Fund gehört zum Beispiel dazu, der Bellevue Adamant Asia Pacific Healthcare ebenso, außerdem einige Large Cap Growth Funds, die stark auf Wachstumsunternehmen weltweit setzen, die extrem groß kapitalisiert sind. Was also bedeutet das?
Beruhigenderweise sind es vorwiegend Fonds mit gutem Rating und positiven Analystenbewertungen, die hiesige Anleger zurzeit favorisieren. Soweit die gute Nachricht. Und es sind Fonds, die auffällig hohe Renditen eingefahren haben, die neu in die Liste gerutscht sind: Sie erzielten teils 20 bis 27 Prozent Plus im zweiten Quartal. Vor allem die Tech-Aktien gelten ja seit Beginn der Pandemie stärker denn je als Papiere der Stunde: Sie sind die Krisengewinner, denen nicht einmal der große Shutdown etwas anhaben konnte. Im Gegenteil: Homeoffice, Homeshopping und virtuelles Sozialleben beflügelte ihre Geschäfte und Kurse noch. Genau deshalb stehen die Technologietitel so hoch in der Gunst. Aber werden sie das noch lange durchhalten können?
Sind Tech-Aktien überbewertet?
Das ist die große Frage. Einige Analysten warnen bereits, dass Tech-Aktien längst überbewertet seien. Im Schnitt notieren sie rund 25 Prozent über ihrem fairen Wert, sagt Morningstar. Das könnte bedeuten, dass sich diese Übertreibungen wieder nach unten korrigieren könnten, je weiter der neue Aktienmarktzyklus voranschreitet. Es muss allerdings nicht so sein. Denn allgemein sprechen Marktanalysten zwar von der „Mean Reversion“, also von der Rückkehr aller Abweichler zum Mittelwert, doch die muss natürlich nicht in jedem Fall passieren. Positive Abweichler gibt es auch immer wieder, die sich stattdessen nach oben aus dem Feld herauskatapultieren. Weil sie neue Märkte besetzen, neue Nischen erobern und neue Techniken über die gesamte Gesellschaft ausrollen. Nicht alle Einzelfirmen oder Branchen streben daher stets zurück zum Mittelmaß.
Überzeugend ist zumindest, welche Performance die Technologiebranche auch auf lange Sicht hingelegt hat: Auf Dreimonatssicht führte sie das Feld mit rund 30 Prozent Kursplus an, das ist gewaltig aber angesichts des tiefen Absturzes nicht mehr als eine Rückkehr zum vorherigen Niveau. Doch auch auf fünf Jahressicht kommt sie auf eine Rendite von 16 Prozent – pro Jahr wohlgemerkt. Auf Zehnjahressicht waren mit ihr 15 Prozent jährlich zu machen. Wer davon ausgeht, dass diese Erfolgsstory noch nicht zu Ende ist, der kann jetzt tatsächlich auf einen Technologiefonds setzen. Er sollte nur nicht erschrecken – oder schlappmachen – wenn es doch zur Mean Reversion kommt. Und wenn die Kurse der Techies nicht im selben Maße weiter anziehen, sondern sich stattdessen ein bisschen mehr zu ihren fairen Werten zurückorientieren.
Wie sieht es mit der Healthcarebranche aus? Sie ist durch Corona zu einem der großen Hoffnungsträger geworden – und darauf beruhen die großen Kursanstiege der letzten drei Monate. Mit immerhin 14 Prozent Kursplus belegten sie Platz drei unter den Branchen. Auf Fünfjahressicht schafften sie immerhin neun Prozent pro Jahr, auf zehn Jahre waren es stolze 13 Prozent jährlich. Also nur unwesentlich weniger als bei den Tech-Titeln. Zudem gelten sie derzeit nicht gerade als über- sondern sogar als leicht unterbewertet. Das sind gute Aussichten für alle Anleger, die sich jetzt Healthcarefonds ins Depot legen. Zumal sie in Krisenzeiten gewöhnlich als sehr stabil gelten. Sie bieten also moderates Risiko und weitere Aufstiegschancen.
Durchhalten ist gefragt
Wovon man eher die Finger lassen sollte, das sind Aktien und Fonds aus den Bereichen Energie, Finanzdienstleistungen und zyklischer Konsum. Letzterer gilt als inzwischen überbewertet. Und erstere sind zwar unterbewertet, versprechen aber nicht gerade eine rosige Zukunft mit ihren teils veralteten Geschäftsmodellen. Zudem wird sich bei den Banken und Finanzdienstleistern erst in den kommenden Monaten und Jahren zeigen, wie schwer sie an möglichen Kreditausfällen durch die Corona-Krise zu tragen haben . Wer keine bösen Überraschungen erleben will, tut also gut daran, lieber auf die defensiveren Exemplare der Aktien-Flaggschifffonds zu setzen oder auf jene Favorisierten, die auf stabile Wachstumswerte setzen als ausgerechnet auf solche schrumpfende Branchen. Die Kombination aus Large Caps und Growth war gerade zuletzt eine sehr gewinnbringende. Auch bei den europäischen Pharmafonds übrigens.
Ganz wichtig ist aber ohnehin etwas anderes bei der Fondsanlage, auch das belegen die neuesten Auswertungen wieder: Damit bei den Anlegern am Ende auch jene Rendite ankommt, die Fondsgesellschaften in ihren Prospekten ausweisen, müssen Anleger vor allem eines tun – die Papiere stoisch halten. Egal, welche Stimmung an den Märkten gerade herrscht. Der jüngste Blitzcrash mit Blitzrally hat es ja gerade erst demonstriert.
Welche Anleger das wohl schaffen werden? Auch darauf hat die Statistik eine Antwort. Die Morningstar-Analysten haben dazu die Handelsdaten ausgewertet und daraus die typischen Umschichtungen sowie Ein- und Ausstiegszeiten der Anleger in den einzelnen Fonds ermittelt. Aus allem errechneten sie dann die durchschnittliche Rendite, auf die Anleger mit den Fonds wirklich kamen. Also nicht nur die theoretische Rendite laut Halbjahresbericht, sondern die praktische Rendite laut Anlageverhalten. Und diese Zahlen sprechen vor allem für ein paar der Flaggschifffonds, zum Beispiel für den Flossbach von Storch und den DWS Top Dividende.
Das bedeutet: Vor allem die All-Time-Favorites schaffen es anscheinend, die Kaufen-und-Halten-Anleger anzuziehen und sie auch lange genug bei der Stange zu halten – auch in schlechten Börsenzeiten – damit sie am Ende wirklich die Renditen erzielen, die in den Fondsstatistiken stehen. Das schaffen längst nicht alle Konkurrenten. Bei etlichen anderen erzielen die Anleger zwei oder sogar vier Prozentpunkte weniger Rendite als möglich gewesen wären – nur weil sie zur Unzeit umschichten.
Auf kurze Sicht – also auf ein Jahr gesehen – müssen sich zwar viele Anleger tatsächlich mit kleineren Renditeeinbußen gegenüber den Jahresfondsrenditen abfinden. Das liegt auch daran, dass sie oft in Boomzeiten spät einsteigen – wodurch ihnen die Kurse schon enteilt sind. Gerade auf lange Sicht aber nähert sich die Fondsrendite und die tatsächliche Anlegerrendite immer mehr an – wenn man die Fonds wirklich laufen lässt. Vor allem Technologiefondskäufer sollten sich das merken und Ruhe bewahren. Nur so wären sie bisher auf die 15 Prozent Jahresrendite gekommen, die in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt möglich waren. Und es ist ja zumindest möglich, dass das auch in den nächsten zehn Jahren klappt.
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