Es gibt immer Dinge im Leben, die sehen ganz gut aus – aber leider nur auf dem Papier. Das gilt für manche Businesspläne und Bilanzen, für manches Design ebenso wie für manchen Lebensentwurf und sogar für einige Ehen. Auf dem Papier steht man damit gut da, nur sieht die Realität oft ganz anders aus. Viel weniger schön nämlich. Und genau diesen Effekt kennen auch Fondsanleger, besonders zurzeit: Zwar haben sich die Kurse an den Börsen schon wieder satt erholt seit dem Blitzcrash von März und auch viele Fonds können auf Jahressicht schon wieder zarte Pluszeichen bei der Performance verbuchen. Doch in vielen Privatanlegerdepots sieht es noch ganz anders aus. Da prangen noch immer Minuszeichen. Auch wenn sie bis zum Rückschlag in dieser Woche zunehmend kleiner geworden sind.
Wie das sein kann, ist schnell erklärt: Weil es eben nicht jedem Anleger gelungen ist, in den Chaostagen die Füße stillzuhalten. Einige haben in einem Anflug von Panik ihre Fonds verkauft. Genau zur Unzeit. Oder sie haben Geld von volatileren Aktienfonds in vermeintlich stabilere Anleihenfonds umgeschichtet. In der Hoffnung, dass sie mit denen besser durch die Krise steuern. Wieder andere sind mit bestimmten Investments einfach noch nicht lange genug dabei, weil sie erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 – kurz bevor der Markt seine Höchststände erreichte – eine gewisse Summe in Fonds gesteckt haben. Sie kauften rückblickend zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Zumindest aus heutiger Sicht. Und genau diese individuellen Geldbewegungen in den Depots bildet gemeinhin keine Fondsstatistik ab, erst recht nicht die Performancedaten der Branche.
Die nämlich sehen zwar insgesamt wieder ganz versöhnlich aus: Mit weltweiten Aktienfonds konnten Anleger auf Jahressicht sogar ein Renditeplus von 4,1 Prozent erzielen. Mit deutschen Aktien betrug die Wertentwicklung zwar plus minus Null. Doch auf Zehnjahressicht waren sowohl mit deutschen als auch mit globalen Aktienfonds im Schnitt fast sieben Prozent Jahresrendite drin. So hat es der Fondsverband BVI zum Stichtag 31. Mai für Einmalanleger errechnet.
Wer ausgestiegen ist, hat den Aufschwung verpasst
Doch solche Zahlen betrachten – ebenso wie die Performancedaten der Einzelfonds – stets nur ein theoretisches Konstrukt: den Daueranleger nämlich, der einen Fonds gekauft und dann ganz stoisch gehalten hat. Über genau diesen Zeitraum, womöglich auch über sehr viele Jahre. So wie es schon Altmeister Kostolany empfahl: Papiere kaufen und dann schlafen legen. Und erst wieder auf den Kurs gucken, wenn man die Aktien oder Fonds wieder abstoßen will. Praktisch aber schafft das kaum ein Mensch. Die meisten Durchschnittsanleger jedenfalls schichten ihre Bestände um, das sah man ja auch an den Mittelabflüssen der Fonds im März. Und an den Zukaufszahlen von April und Mai: Rund 143 Mrd. Euro zogen Anleger allein im März aus europäischen Anleihenfonds ab und rund 57 Mrd. Euro aus Aktienfonds, also rund 200 Mrd. Euro insgesamt. In den beiden Folgemonaten steckten sie zwar wieder Geld in den Markt, doch nur rund 50 Mrd. Euro flossen wieder hinein.
Das heißt: Viele waren nicht im selben Maße investiert wie zuvor. Etliche Investoren blieben also erst einmal an der Seitenauslinie stehen und warteten die weitere Marktentwicklung ab. Bis heute. Inzwischen aber hatten die Märkte zu einer enormen Aufholjagd angesetzt. Und das wiederum bedeutet: Bei diesem Aufschwung waren viele Aussteiger nicht dabei. Vor allem das ist der Grund, weswegen sich die insgesamt guten Zahlen der Branche nicht eins-zu-eins auf die Depots übertragen lassen. Und das gilt nicht nur für die Phase seit März oder Anfang dieses Jahres, sondern auch im Rückblick auf die vergangenen Jahre. Die waren nämlich auch bereits geprägt vom ständigen Auf und Ab der Börse auch wenn es rückblickend zehn Börsenboomjahre waren.
Im Grunde gab es dabei drei Phasen: 2018 bewegte sich der Markt im wilden Zickzackkurs mit der Grobtendenz nach unten. Er startete bei rund 13.250 Punkten und beendete das Jahr beim Zählerstand von 10.500. Im Folgejahr 2019 dagegen ging es sehr steil bergauf: von rund 10.500 Punkten zurück auf 13.200. Und das Jahr 2020 begann mit einem weiteren Anstieg auf 13.800, bevor der irre Absturz auf 8.900 Zähler folgte, den der Markt aber inzwischen schon wieder weitgehend ausgebügelt hat. Mit 12.850 Punkten beendete der Dax den Mai. Und auch in den ersten Junitagen und diese Woche pendelte der deutsche Leitindex zwischen 12.500 und 12.700 Punkten. Bis Donnerstag: Da schloss der Dax dann wieder unter 12.000 Punkten. Und die allerwenigsten Anleger können wohl von sich sagen, sie seien schon lange vor den Turbulenzen von 2018 eingestiegen und hätten ihr Depot dann bis heute nicht mehr bewegt.
Halten zahlt sich aus
Gerade im zweiten Halbjahr 2019 übrigens verzeichnete der deutsche Fondsmarkt einen größeren Käuferschub, ermittelten die Analysten der Ratingagentur Morningstar. Was wieder einmal die These bestätigt: Anleger steigen besonders gern dann in den Markt ein, wenn der bereits eine ganze Weile gut gelaufen ist und sich dem Höhepunkt zuneigt. Die Fluchtreaktionen von März hatten wir ja oben schon beziffert. Aus all diesen beobachteten Rein-Raus-Bewegungen haben die Analysten nun jene Rendite errechnet, die ein bundesdeutscher Durchschnittsfondsanleger erzielt hätte, und zwar jeweils mit den größten und beliebtesten hierzulande verkauften Privatanlegerfonds. Das Ergebnis spricht nicht gerade für die Geduld und das Durchhaltevermögen der Privatanleger: In zwei Drittel der Fälle war die tatsächlich erzielte Rendite der Anleger geringer als die ausgewiesene Rendite der Fonds. Also als das Ergebnis, das möglich gewesen wäre, wenn man die Papiere im selben Zeitraum einfach gekauft und gehalten hätte.
Die Abweichung lag bei durchschnittlich 0,66 Prozentpunkten auf Jahressicht. Bei 0,39 Prozentpunkten auf Dreijahressicht und die Fünfjahresanleger lassen ebenfalls knapp einen halben Prozentpunkt Rendite liegen, weil sie ihre Depots zwischendurch umschichten. Das Hauptfazit daraus ist (wieder einmal): Es ist alles andere als clever, sich selbst im Market-Timing zu versuchen und sich als strategischer und taktischer Investor aufzuführen, statt einfach das Geld in den Markt zu stecken – und abzuwarten.
Besonders spannend aber ist, welchen Fondsanlegern das offenbar besser gelang – und welchen schlechter: Es gab nämlich einige Fonds, bei denen Privatleute klassischerweise eher die angegebene Fondsrendite erzielten (oder sogar geringfügig mehr). Während bei anderen Fonds typischerweise geringere tatsächliche Anlegerrenditen herauskamen als vom Fondsmanagement her möglich gewesen wäre. Hier also machten sich die Anleger die Renditen selber ein Stückchen kaputt, weil sie zu handelsfreudig waren und den Buy-and-Hold-Ansatz nicht durchhielten. Und dann gab es auch noch die Fonds, bei denen die Sparer zwar gut durchhielten und stoisch weitersparten – was immerhin kaum Renditeabweichungen zwischen Fonds und Anlegern bedeutete – aber was den Privatanlegern unterm Strich dennoch nichts nutzte.
Warum? Weil die übereinstimmend erzielte Rendite von Fonds und Anleger nämlich nur im Bereich von 0,1 Prozent lag auf Fünfjahressicht. Kumuliert wohlgemerkt. So war es etwa beim „PrivatFonds: kontrolliert“ aus dem Genossenschaftsbankvertrieb. Dessen Anleger hielten offenbar gut die Füße still, weil sie sich vom kontrollierten Fonds mehr Stabilität in den Marktschwankungen von 2018 und 2020 erhofften. Tatsächlich schwankte der Kurs auch so wenig, dass er sowohl auf Einjahressicht als auch auf drei und fünf Jahre so gut wie keine Rendite abwarf.
Fonds mit überzeugender Performance
Ein besonders positives Beispiel für Fonds, deren Anleger stillhalten können – was sich auch langfristig für sie auszahlt – ist der Flossbach von Storch Multiple Opportunities. Der war laut Morningstar einer der wenigen größeren Renditebringer, bei dem Fondsrendite und Anlegerrendite auch nahezu deckungsgleich sind – zumindest auf lange Sicht. Auf Zwölfmonatsbasis dagegen klafften Anlegerrendite und Fondsrendite gehörig auseinander. Was in diesem Fall aber nicht daran lag, dass so viele Anleger ihr Geld im März aus dem Fonds abzogen, sondern vielmehr daran, dass etliche erst spät im Jahr 2019 in den Fonds einstiegen. Wodurch ihnen ein Gutteil der Jahresrendite von 2019 entging. Der Multiple Opportunities warf auf Fünfjahressicht 4,2 Prozent Rendite ab. Damit lag er durchaus im vorderen Feld.
Auch einige DWS Fonds fielen in die vordere Performance-Kategorie, sie erzielten Fünfjahresrenditen von 4,5 bis 8,5 Prozent und bei ihnen klafften die Renditen von Anlegern und Fondsmanagern ebenfalls nicht weit auseinander, zum Beispiel beim DWS Vermögensbildungsfonds, Akkumula, und zwei Vorsorge Rentenfonds. Die DWS Fonds gehörten neben zwei Blackrock-Fonds übrigens auch zu jenen, die insgesamt die höchsten Renditen abwarfen, sowohl auf kurze Laufzeit als auch auf Fünfjahressicht. Bei ihnen also zahlt sich Durchhalten wahrlich aus.
Interessant war es beim Fonds DWS Top Dividende: Obwohl er ein Aktienfonds ist, der das Auf und Ab der Märkte stark mitnimmt, zählen seine Anleger offenbar ebenso zu den Stillhaltern, zumindest auf kurze Sicht und auf Fünfjahressicht. Das zeigt, dass er von Leuten gekauft wird, die ihm zutrauen, die Marktturbulenzen auf längere Sicht gut wieder auszusteuern. Besonders im Turbulenzjahr 2018 aber zogen viele Privatsparer dennoch ihr Geld aus dem Fonds ab, was ihnen rund 0,22 Prozentpunkte Renditeeinbußen brachte.
Teures Overacting
Spannend ist auch, welche Fonds für den Durchschnittsanleger deutlich weniger abwarfen als es ihre Performancedaten hergegeben hätten: Gerade bei eher konservativ aufgestellten Mischfonds wie Pimco GIS Income oder UniGlobal Vorsorge kam es zu größeren Abweichungen von zum Teil zwei bis vier Prozentpunkten. Das heißt: Anleger machten hier selbst einen Großteil der erzielten Rendite zunichte oder katapultierten sich sogar in den negativen Renditebereich, weil Besitzer dieser Fonds viel umschichteten. Und zwar prozyklisch: Immer wenn die Märkte stürzen, preschen sie aus diesen Fonds heraus und teils in noch konservativere Anleihenfonds hinein. Was natürlich genau kontraproduktiv ist. Die große Abweichung zwischen Fondsrendite und Anlegerrendite ist der Preis, den Anleger für ihr „Overacting“ zahlen.
Insgesamt also, das ist das Fazit der Analysten, belegen die jüngsten Branchenzahlen, dass die Grundstrategie Kaufen-und-Halten auch in diesem Crash nichts von ihrer Allgemeingültigkeit eingebüßt hat. Die beste Taktik am Aktienmarkt ist daher: Wenn Geld übrig ist (je mehr, desto besser), stecke man es in den Markt und warte möglichst lange – ohne es anzurühren. Nur in einem Fall sollten Anleger davon abweichen: Wenn sie eben keine größeren Beträge zum Investieren übrighaben. Sie befolgen dann eben stoisch ihre Sparplanstrategie und investieren laufend. So entgeht ihnen zwar der Zinseszinseffekt, den gerade große Einmalbeträge mit der Zeit entfalten. Doch auf sehr lange Sicht werfen die gestaffelten Kleinbeträge ebenfalls eine stattliche Rendite ab, weil sie das Fondsvermögen auf 30 Jahressicht ebenfalls mit rund 6 Prozentpunkten Rendite pro Jahr vermehren.
Aber eben nur unter einer Bedingung: Wenn man dieses Depotdesign nicht nur auf dem Papier entwirft, sondern es auch umsetzt. Mit einem strikten Sparplan. An dem man festhält, egal was kommt – in guten wie in schlechten Zeiten. Letztlich ist die Verbindung zwischen Fondsanleger und Fonds wie eine gute Ehe: Sie sollte eben nicht nur auf dem Papier stehen, sondern man sollte sie auch täglich leben und pflegen. Auch wenn das manchmal etwas mühsam ist.
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