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Rohstoffe Der Ölpreis und das große Pipelineleck

Öl ist ausgetreten wegen eines Lecks in der Keystone-Pipeline
Öl ist ausgetreten wegen eines Lecks in der Keystone-Pipeline
© dpa
Der Ölpreis hat ein neues Hoch erklommen. Doch nicht die größere Nachfrage von Verbrauchern oder Investoren ist dafür verantwortlich, sondern eine Panne in der Prärie. Nadine Oberhuber über die Aussichten auf dem Ölmarkt.

Wenn jemand auf der Leitung steht, dann hat er einen Zusammenhang noch nicht ganz verstanden. Das behindert dann den freien Fluss im Gehirn und verhindert, dass wichtige Teilchen von A nach B fließen können und damit auch wichtige Erkenntnisse. Beim Ölpreis passiert derzeit ungefähr das gleiche, zumindest ist das Ergebnis das gleiche: Das Öl fließt nämlich nicht mehr, zumindest nicht mehr so reichlich wie früher. Das hat seinen Preis in den vergangenen Wochen enorm getrieben: Von rund 50 Dollar im September auf gut 63 Dollar pro Barrel zuletzt.

Doch wenn einige Marktbeobachter bereits jubelten, es gehe nun endlich wieder mit dem Rohstoff bergauf und das Öl finde vermutlich schon bald wieder zu seiner alten Preisstärke zurück, so steht bei ihnen vermutlich jemand auf der Leitung. Der wahre Grund für den Ölpreisanstieg ist nämlich ein Leck in einer der wichtigsten Leitungen in. Deshalb fließen nun viel weniger Teilchen von Nord nach Süd. Das treibt zurzeit den Preis.

Die Panne passierte in South Dakota, mitten in der Prärie. Genau dort, wo Bewohner, Umweltschützer und Indianer schon lange davor warnen, dass die Keystone-Pipeline, die das geförderte Öl von Kanada nach Texas transportiert, ihre Schwächen hätte und daher die Umwelt gefährde. Sogar größere Proteste gab es deswegen. Nun brach die Pipeline tatsächlich an einer Stelle und Öl floss hinaus. Folglich klemmte der Betreiber die Leitung vorsichtshalber weitgehend ab und drosselte den Ölfluss um 85 Prozent. Es versickerte nicht nur eine bisher nicht näher bezifferte Menge des Rohstoffs – was die ohnehin hohen Lagerbestände zumindest ein bisschen reduziert. Sondern durch die Drosselung wird nun das Öl in den südlichen Raffinerien zunehmend knapp. Sie können weniger weiterverarbeiten. Genau das führt dazu, dass der Ölpreis inzwischen eine Höhe erklommen hat, die er zuletzt im Juni 2015 erreicht hatte. Ein Zweijahreshoch also.

Kein Höhenflug beim Ölpreis in Sicht

Den Terminmarkt freut es, denn so kommen auch einmal wieder diejenigen Spekulanten zum Zug, die bereits länger auf den Anstieg des Preises gewettet haben. Zuletzt hatten auch Verhaftungen in Saudi-Arabien für Zuckungen beim Ölkurs. Und der Hurrikan, der über Amerika hinwegfegte, trieb den Preis ebenso an. Er sorgte dafür, dass einige Raffinerien ihre Arbeit einstellen mussten. Und immer wieder hoffen Marktteilnehmer, dass endlich die Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) drastischere Produktionskürzungen beschließen werde . Vor allem die Kürzungen in den klassischen Erdölländern des Mittleren Ostens wären tatsächlich eine nötige Voraussetzung dafür, dass der Ölpreis sich auch auf dem Niveau halten kann, das er nun erklommen hat.

Es sieht jedoch noch nicht danach aus, als ob er lange dort verweilen wird: Denn das Leck in der Keystone-Pipeline wird sicher demnächst gestopft sein. Dann wird das Unternehmen den Ölhahn wieder aufdrehen und die gewohnten hundert Prozent durchleiten. Auch die vom Hurrikan geschädigten Raffinerien werden ihre Produktion wieder hochfahren und genau das machen, was amerikanische Förderunternehmen seit geraumer Zeit machen: Sie pumpen Öl in den Markt, was das Zeug hält. Die enorme Steigerung des Angebots war ja auch der Grund dafür, dass der Preis des schwarzen Goldes in den letzten Jahren derart abstürzte. Es ist beileibe nicht mehr so selten und knapp wie früher, sondern sprudelt in Massen aus dem Boden. Vor allem die Frackingindustrie der Vereinigten Staaten hat einen großen Anteil daran. Sie macht mit ihren neuen technischen Methoden immer mehr Schieferöl nutzbar, das bis dahin nur im Boden schlummerte. Damit überschwemmte sie den Markt geradezu.

Seit Mitte 2016 jedenfalls steigt die Menge geförderten Öls stetig an, wie Zahlen der Branche belegen. Und sie wird es auch weiter tun, sagen Analysten. Es gebe jedenfalls keinen wichtigen Grund, warum sie es nicht tun sollte. Die einzige große Unwägbarkeit zurzeit ist der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, der sich augenblicklich im Jemen entlädt. Geht man einmal optimistisch davon aus, dass sich das Spiel beider Mächte nicht zu einem kriegerischen Akt ausweiten wird, so dürfte die Fördermenge ohne externe Disruption erst einmal nahezu gleich bleiben. Gleich hoch.

Kann der Markt die Ölschwemme aufsaugen?

Es bleibt also wahrscheinlich eher beim Produktionsüberhang. Denn die Weltwirtschaft läuft zwar prächtig, sie kann das enorme Angebot an Öl aber trotzdem nicht aufsaugen. Die Bank JP Morgan erwartet für das kommende Jahr, dass die Produktionskürzungen zeitlich verlängert werden, die von der OPEC bereits für das laufende Jahr beschlossen und umgesetzt wurden. Letztlich aber werden sie eher dazu führen, dass der Ölpreis nicht wieder stärker absackt, sondern ihn stabil halten. Dass er dagegen rasch wieder in große Höhen steigt, erwarten die meisten Analysten derzeit nicht.

Zuletzt bewies der Markt zudem, dass die Lenkungsmechanismen auch schnell ins Leere laufen, mit denen die Ölexporteure versuchen das Preisniveau zu stützen. Ende Oktober sackte der Ölpreis unvermittelt ab, weil sich verschiedene Markteinschätzungen unsicher waren, in welcher Höhe sich die künftige Nachfrage bewegen wird. Steigt sie wirklich oder sinkt sie womöglich sogar? Das nährte auch Skepsis, ob der Markt tatsächlich die Ölschwemme werde aufsaugen können, die ihn stetig flutet.

Zuletzt meldete Russland noch deutliche Zweifel an, ob es beim Treffen der OPEC-Staaten am 30. November wirklich zu einer Verlängerung der Produktionskürzungen über den März 2018 hinaus kommen werde. Denn die Kürzungen waren beschlossen worden, um die Lagerbestände beim Öl auf einen „normalen“ Fünfjahresdurchschnitt zu drücken. Das ist inzwischen geschafft. Falls weitere Kürzungen also nicht beschlossen würden, könnte aus dem Rohstoffkurs noch viel mehr heraussickern als aus der nordamerikanischen Pipeline. Dann könnte man die Hoffungen jener Investoren, die auf einen stark steigenden Ölpreis setzen, bald dorthin schicken, wo die Leitung gebrochen ist: in die Wüste.

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