Ich werde mich diese Woche kurz fassen, weil ich nicht weiß, ob diese Kolumne von der NSA überwacht wird. Ich war schockiert zu hören, dass dieser Geheimdienst jahrelang rund 200 Stangen Menthol-Zigaretten und hunderte Glühbirnen gehortet hat, und das im Auftrag der SPD, und dazu noch im Hause von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück. Die Amerikaner machen eben vor nichts mehr Halt.
Aber die Amis beobachten nicht nur Sie oder mich, ich beobachte auch sie, und zwar jeden Tag aus meinem Fenster. Da schaue ich auf die US-Botschaft (mehr über meinen Blick, vgl. Casual Friday vom 24. Mai). Bisher konnte ich nichts Auffälliges feststellen, obwohl ich oft stundenlang, vor allem bei Konferenzen und Meetings, auf diese Botschaft schaue.
Mir tun sie ja Leid, diese Geheimdienstler. Bevor Sie entrüstet wegklicken, lassen Sie mich das kurz begründen: Aus meiner Sicht ist es eine Pein, knapp 100 Milliarden Daten pro Monat sammeln zu müssen. Ich stelle mir vor, meine Aufgabe bei der NSA wäre es, die Tiervideos auf Youtube auszuwerten. Oder Likes auf Facebook, die das Rülps-ABC von Manni Maguster aus Hoyerswerda eingebracht hat. Oder die Tatsache, dass Tobi und Kati beim „Schuster's“ in Düsseldorf über Foursquare eingecheckt haben. Da würde ich lieber jenes Referat leiten, das Anrufe abfangen muss, die Ich-bin-in-fünf-Minuten-zu-Hause-Botschaften enthalten. Jeden Mittag würde ich mich in der Kantine mit dem Unser-Zug-steht-seit-zehn-Minuten-auf-der-Strecke-zwischen-Leipzig-und-Saalfeld-Referatsleiter und dem Sonderbeauftragten für Weinbestellungen mit Gratisgläsern von Spiegelau unterhalten. Einmal im Monat hätten wir einen Call mit Spionen anderer Länder, und wir würden die Ich-bin-in-fünf-Minuten-zu-Hause-Botschaften abgleichen. „Die Syntax ist seit Jahren unverändert“, würde ich melden, und einmal pro Woche einen Bericht nach Fort George G. Meade in Maryland kabeln, wo ein Officer meine Analysen mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen und mir Schecks mit beträchtlichen Summen schicken würde.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir bewusst, dass es genau umgekehrt ist: Es ist eine Unverschämtheit, der NSA und anderen Geheimdiensten zu unterstellen, dass sie sich für derlei Daten interessieren.
Ein Experte - von denen derzeit viele hervorgekramt werden, viele scheinen seit 30 Jahren nicht mehr angerufen worden zu sein - sagte neulich in einer Zeitung, dass etwa 99 Prozent der Daten von den Supercomputern ohnehin sofort als unbrauchbar herausgefiltert werden.
Und das ist der eigentliche Skandal, dass diese Daten ignoriert werden. Sie werden als unwerte Daten abgestempelt. Wie hieß es noch gleich: „We are the 99 Percent!“ Es ist Zeit für eine neue globale Massenbewegung, die endlich deutlich macht, dass auch diese 99 Prozent es wert sind, von der NSA gelesen zu werden.
Horst von Buttlar schreibt jeden Freitag den Casual Friday. Letzte Folgen: So lebt es sich in der Zone, Warum Obama unsere Nähe sucht und Machen Sie den Dachbodencheck
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