Ein erhebendes, aber auch merkwürdiges Gefühl ist es, innerhalb kurzer Zeit zur zentralen Redaktion Deutschland geworden zu sein. Das sind wir ja nicht nur wegen des neuen Magazins, das wir herstellen. Auch nicht wegen des Wettbewerbs zu „Bestaussehendsten Redaktion Deutschlands“, wo wir es neben dem „Spiegel“ und der Fachzeitschrift „bergen & abschleppen“ unter die letzten Drei geschafft haben.
Nein, wir sind so zentral, weil wir die einzige Redaktion sind, die in Berlin in der Sicherheitszone ist, die für den Staatsbesuch von Barack Obama eingerichtet wurde.
Der US-Präsident steigt direkt neben uns ab, im Ritz Carlton, eine „überraschende Hotel-Wahl“, wie die „Bild“ analysiert hat.
Das finde ich nicht. Zum einen haben wir damit gerechnet, dass der Präsident die Nähe zu uns suchen würde, arbeiten wir doch schließlich an einer großen, alles erschlagenden Analyse zur Zukunft der USA (These: „Das wird schon“).
Außerdem haben wir im Ritz seit einiger Zeit übergangsweise unsere Kantine eingerichtet, und ich kann die Brasserie dort nur empfehlen. Beim Mittagstisch bekommt man ein Softgetränk und einen Espresso gratis dazu. Da auch die USA sparen müssen, wegen dieses „fiscal cliff“, war dieses Angebot sicher ausschlaggebend.
Für uns bedeutet die neue Bedeutung als geistiges Zentrum in der Sicherheitszone natürlich eine Einschränkung, nicht nur, weil die Brasserie wegen „einer exklusiven Veranstaltung“ geschlossen ist, wie sie auf der Homepage den Staatsbesuch umschreibt.
Die Frage wird sein, ob wir überhaupt ungehindert in die Redaktion kommen – ein verträumter Mann im Cordanzug, der sich durch staatsempfängliche Kolonnen seinen Weg zu bahnen versucht, kann leicht für Verwirrung sorgen. Vorsorglich habe ich auch einige Redakteure gebeten, ihre Drogen wegzuschließen.
Wir sind also einige Tage stark in der Analyse der Weltwirtschaft beeinträchtigt. Dafür haben wir den besten Blick, die komplette Obama-Achse vom Brandenburger Tor, entlang des Holocaust-Mahnmals bis zum Ritz. Wir haben die 360-Grad-Sicht auf Obama.
Es hat Vorschläge in unserer Redaktion gegeben, Sitzplätze für den Staatsbesuch zu vermieten, was ich natürlich abgebügelt habe. „Online first, das war doch die Parole, die ich ausgegeben habe“, sagte ich barsch. Nun planen wir eine „Obamacam“, einen Lifestream im Internet direkt auf die Straße, auf der er fahren wird. Keine Angst, wir werden die Aktion nicht „Yes, we Cam“ nennen. Alles weitere, was sonst noch die Welt bewegt, finden Sie in der neuen Capital, die am 20. Juni erscheinen wird.
Foto: © Trevor Good