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Unternehmenspleite Was Sie über die Insolvenz der Signa-Holding wissen müssen

Signa-Logo am Unternehmenssitz in Wien
Die Signa-Gruppe hat ihren Unternehmenssitz in Wien
© Alex Halada / IMAGO
Die Signa-Holding hat Insolvenz angemeldet. Was passiert nun mit dem Imperium des österreichischen Milliardärs René Benko? Was bedeutet die Pleite für die Kaufhauskette Galeria? Und was kommt auf Benko zu? Wir beantworten die wichtigsten Fragen

Was passiert nach dem Insolvenzantrag der Signa Holding?

Die Dachgesellschaft der Signa-Gruppe strebt ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung an. Die Holding, unter deren Dach das Immobilien-, das Handels- und das Mediengeschäft des Signa-Konzerns in separaten Sparten gebündelt sind, hat ihren Sitz in Wien, entsprechend wird das Verfahren nach dem österreichischen Insolvenzrecht ablaufen. Ähnlich wie in Deutschland zielt das von Signa beantragte Verfahren darauf ab, eine Sanierung zu ermöglichen – etwa indem Verträge gesondert gekündigt oder rückabgewickelt und Einigungen mit Gläubigern herbeigeführt werden können. Ziel sei „die geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs im Rahmen der Eigenverwaltung und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens“, teilte Signa am Mittwoch mit. Das Verfahren liegt in den Händen eines von einem Gericht bestellten Verwalters. Wer dies sein wird, war am Mittwoch zunächst nicht bekannt. Klar ist nur, dass es sich dabei nicht um den deutschen Sanierungsexperten Arndt Geiwitz handelt, den der langjährige Signa-Herrscher René Benko auf Druck von Miteigentümern im Oktober als Berater ins Unternehmen geholt hatte.

Sind weitere Insolvenzen zu erwarten?

In den nächsten Tagen dürfte es im Immobiliensegment der Signa-Gruppe zu weiteren Insolvenzanträgen kommen. Betroffen könnten auch die beiden wichtigsten Immobilienunternehmen des Konzerns sein: die Signa Prime Selection, in der die wertvollsten Bestandsimmobilien wie das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg oder das Goldene Quartier in Wien gebündelt sind, sowie die Entwicklungstochter Signa Development Selection. Bei der Signa Prime Selection wird am Donnerstag eine Anleihe in Höhe von 200 Mio. Euro fällig. Sie könnte dann die Insolvenz auslösen.

Wie erfolgversprechend ist das Verfahren in Eigenverwaltung?

Das Unternehmen kann – in deutlich abgespeckter Form – nur dann überleben, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Zum einen muss die Signa-Gruppe ihre immensen Schulden, die nach Angaben von Konzern-Insidern mindestens 15 Mrd. Euro betragen, massiv reduzieren, etwa durch Einigungen mit Kreditgebern. Zum anderen steht der Verwalter vor der gleichen Mammutaufgabe, an der Benko und sein Berater Geiwitz jetzt gescheitert sind: frisches Kapital auftreiben – sei es durch Finanzspritzen von Eigentümern und neuen Investoren oder durch Verkäufe von Vermögenswerten. Bis zuletzt hatte die Signa-Führung noch versucht, Geldgeber zu überzeugen. Verhandelt wurde unter anderem noch mit dem saudischen Staatsfonds PIF, der bereits in der Handelssparte von Signa investiert ist, und dem Hedgefonds Elliott Management von Paul Singer. Aber selbst Geldgebern, die auf hochriskante, aber auch hoch verzinste Investments bei schwer angeschlagenen Unternehmen spezialisiert sind, hatten zuletzt abgewunken – nicht zuletzt, weil die Strukturen im Signa-Konzern von außen kaum zu durchschauen sind. Welche Deals mit bisherigen Finanzierern geschlossen wurden, weiß nach Schilderungen mehrerer Signa-Insider tatsächlich nur eine Person: Benko selbst. Selbst im Fall einer erfolgreichen Sanierung dürfte von dem Unternehmen, wie wir es heute kennen, nicht viel übrigbleiben.

Welche Folgen hat die Insolvenz für Benkos Geldgeber?

Der Insolvenzantrag bei der Signa-Dachgesellschaft dürfte die Nervosität bei Benkos Geldgebern aus der Banken- und Versicherungsbranche massiv erhöhen – in Österreich, wo Banken mit mehr als 2 Mrd. Euro bei Signa engagiert sein sollen, aber auch in Deutschland, wo sich Darlehen, Schuldscheine und andere Finanzierungsinstrumente ebenfalls auf einen Milliardenbetrag summieren. Zwar haben die Fremdkapitalgeber in der Regel keine Kredite an die nun insolvente Signa Holding vergeben. Aber bei Folgeinsolvenzen, etwa bei der Signa Prime Selection oder auf Ebene einzelner Projektgesellschaften für Immobilienprojekte, drohen auch bei ihnen Ausfälle. Viele Darlehen sind mit Immobilien und Grundpfandrechten besichert – wobei allerdings die Frage ist, ob sich die veranschlagten Werte der Objekte im Fall von Notverkäufen tatsächlich realisieren lassen. Sollte es infolge des Benko-Bebens zu Abschreibungen kommen, werde es an der Spitze deutsche Landesbanken, anderer Geldhäuser und Versicherern zu einem „Massenexodus“ kommen, prophezeit ein Benko-Vertrauter. (Lesen Sie hier mehr zu den Signa-Risiken der deutschen Finanzbranche.

Wohl als Reaktion auf die sich verschärfende Finanzlage bei Signa haben in den vergangenen Monate einige Signa-Anteilseigner auch schon Vermögenssicherung betrieben – etwa indem sie sich Zugriff auf konkrete werthaltige Immobilien gesichert haben. So hat etwa die Commerzbank-Tochter Commerz Real im Sommer ihre Minderheitsanteile an einigen weniger attraktiven Galeria-Immobilien abgegeben – und dafür sämtliche Anteile an der Galeria-Filiale am Berliner Alex mitsamt dem dort im Bau befindlichen Büroturm Mynd übernommen. Die RAG-Stiftung, die als Aktionärin an der Signa Prime Selection und der Signa Development Selection beteiligt ist, übernahm rund ein Viertel des Wiener Goldenen Quartiers. Das Ziel wohl in beiden Fällen: Zugriff auf die Vermögenswerte. 

Was bedeutet die Insolvenz für die Warenhauskette Galeria?

Galeria befindet sich über mehrere Zwischengesellschaften im Besitz der nun insolventen Signa Holding. Dennoch hat der Insolvenzantrag der Konzernmutter zunächst keine unmittelbaren Folgen für die bald noch etwa 90 Galeria-Filialen in Deutschland. Gleiches gilt für die separat geführte KaDeWe Group, der das Handelsgeschäft in den Luxuskaufhäusern KaDeWe, Alsterhaus in Hamburg und Münchner Oberpollinger gehört. Der Geschäftsbetrieb bei Galeria läuft also normal weiter – erst einmal eine positive Nachricht für die Warenhauskette, die seit 2020 schon selbst durch zwei Insolvenzverfahren gegangen ist. Zwar kann Galeria nicht mehr damit rechnen, dass die Konzernmutter Signa Holding in den kommenden Monaten einen Sanierungsbeitrag in Höhe von insgesamt 200 Mio. Euro bereitstellen wird – so wie es Benko im Rahmen des jüngsten Galeria-Insolvenzverfahrens zugesagt hatte. Um kurzfristig zahlungsfähig zu bleiben, ist Galeria aber auf diese Zuschüsse aus Wien nicht unbedingt angewiesen. Entlastend dürfte dabei das anstehende, traditionell umsatzstarke Weihnachtsgeschäft wirken, das Liquidität in die Kassen bei Galeria bringen dürfte.

Darüber hinaus wurde bei Galeria nach Capital-Informationen aus Konzernkreisen schon vor Wochen ein Plan für den Fall einer Signa-Insolvenz entwickelt. Dieser sieht vor, dass Galeria für jene rund 20 Filialen, die im Eigentum der Signa-Immobiliensparte stehen, die Mietzahlungen stoppt – sozusagen als Reaktion darauf, dass der eigentlich zugesagte Zuschuss von 200 Mio. Euro nicht mehr fließt. Auf diese Weise könnte die Galeria-Kette kurzfristig hohe Mietausgaben sparen. Parallel könnte dann mit dem Verwalter der Signa Holding eine Einigung verhandelt werden – oder aber es würde zu einer juristischen Auseinandersetzung mit der Konzernmutter kommen, die sich allerdings hinziehen würde. Dies würde dem Galeria-Management Zeit geben, Alternativen zu sondieren.

Investoren prüfen Strafanzeigen und Klagen gegen Signa-Gründer Benko. Was kommt jetzt auf den Signa-Gründer zu? 

Schon im Oktober hieß es in Gesellschafterkreisen, man prüfe, juristisch gegen Benko vorzugehen. Viele Signa-Investoren fühlen sich von Benko nicht richtig über das wahre Ausmaß der Krise informiert. Die Rede ist von Insolvenzverschleppung. Auch die jüngste Kapitalerhöhung bei der Signa-Dachholding, mit der Benko in diesem Sommer wohl auch dem Eindruck begegnen wollte, sein Konzern habe Finanzprobleme, könnte noch zu einem Fall für Juristen werden. Mit der Kapitalerhöhung sollten die Gesellschafter 400 Mio. Euro nachschießen, aber nicht alle wollten mehr Cash bereitstellen. Die Frage ist nun, ob Benko seine Miteigentümer korrekt über die prekäre Lage bei der Holding informiert hat. Laut der jüngst bekannt gewordenen Bilanz verbuchte die Signa Holding 2022 nämlich einen Verlust von rund 500 Mio. Euro, die Schulden schossen nach oben. 

Bei der Frage nach einer möglichen Haftung wird eine Rolle spielen, welche Funktion Benko in seinem Unternehmen tatsächlich hatte. Schon nach einer Verurteilung wegen eines Bestechungsversuchs, die 2014 in Österreich rechtskräftig geworden war, hatte der Konzerngründer keinen Geschäftsführerposten in seinem Milliardenreich mehr inne, sondern war lediglich Vorsitzender eines nicht-operativ tätigen Beirats. Faktisch aber, so berichten es Konzernkenner unisono, habe Benko jede wichtige Entscheidung selbst getroffen und alle Fäden in der Hand gehabt. 

Welche Rolle spielte Benko in seinem Unternehmen? Auf offiziellem Briefpapier nannte sich Benko „Chairman and Founder“ der Signa-Gruppe 
Welche Rolle spielte Benko in seinem Unternehmen? Auf offiziellem Briefpapier nannte sich Benko „Chairman and Founder“ der Signa-Gruppe 

Keine Mail oder Präsentation, „nicht einmal ein Zettel“ habe ohne sein Wissen das Unternehmen verlassen, sagt ein langjähriger Wegbegleiter von Benko. Auf seinem offiziellen Briefpapier nannte er sich auch noch in der Zeit, als er kein Geschäftsführer bei Signa mehr war, „Chairman and Founder“. Zumindest international dürften viele bei dem Titel „Chairman“ nicht an den Vorsitzenden eines einflusslosen Beirats denken. Mit Blick auf mögliche Haftungsfragen dürfte sich deshalb die Frage stellen, ob Benko trotz fehlender formaler Funktionen auch noch bis zu seinem verkündeten Rückzug Anfang November als „faktischer Geschäftsführer“ der Signa-Gruppe agiert habe. Benko selbst hat sich zu diesen Vorwürfen in den vergangenen Wochen nicht geäußert.

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