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Krise bei Signa Nach erster Insolvenz: Die Benko-Risiken der deutschen Finanzbranche

Baustelle des Elbtowers in Hamburg
Elbtower-Baustelle in Hamburg: Die Arbeit ruht, weil Signa Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte
© Chris Emil Janßen / IMAGO
Der Zusammenbruch der Signa-Gruppe hat offenbar begonnen. Auch deutsche Landesbanken, Versicherer und Versorgungswerke müssen nun bangen. Bei vielen stehen dreistellige Millionensummen im Feuer

Von den besseren Zeiten in René Benkos Signa-Konzern kündet ein Schild an der Einfahrt zu einer Straße neben dem Nobelkaufhaus KaDeWe in Berlin. Es ist golden und verweist auf große Pläne. Dort, wo früher das hässliche Parkhaus des KaDeWe stand, wollte Signa ein neues Bürogebäude hochziehen, der Rohbau steht bereits. Für die Immobilienentwicklung bei dem Projekt mit dem Namen No. 1 Passauer war – so steht es auf dem Schild vor der Baustelle – eine Konzerntochter namens Signa Real Estate Management Germany GmbH verantwortlich.

Doch wegen der Finanzkrise im Konzern ruhen auf der Baustelle nicht nur schon seit einigen Wochen die Arbeiten. Auch die für die Entwicklung zuständige Fima steht jetzt abrupt als Symbol für die ganze Misere bei Signa: Die Signa Real Estate Management Germany ist die erste Gesellschaft aus Benkos Immobiliensparte, die Insolvenz angemeldet hat. An diesem Freitag stellte das Management der Firma, eine Tochter der wichtigsten Immobiliengesellschaft Signa Prime Selection, wegen Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Charlottenburg.

Mit der ersten Pleite im Kernbereich von Signa scheint der Zusammenbruch des Konzerns begonnen zu haben – nur etwas mehr als zwei Wochen, nachdem sich der langjährige Konzernherrscher aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und das Kommando an den bekannten deutschen Sanierer Arndt Geiwitz übergeben hat. Der Insolvenzantrag der ersten Immobilientöchter zeigt, dass die Signa-Gruppe nicht mehr in der Lage ist, ihre operativen Unternehmen mit Liquidität zu versorgen. Dem Konzern fehlen Hunderte Millionen Euro. Zuletzt waren dem Vernehmen nach Verhandlungen mit einem Investor gescheitert, der auf Investments in extremen Krisensituationen spezialisiert ist. Schon am Donnerstag machten erste Gerüchte über Insolvenzanträge die Runde.

Damit spitzt sich allerdings nicht nur die Lage für Benko und seine Mitgesellschafter zu, sie müssen um ihre Signa-Anteile mit einem teils dreistelligen Millionenwert fürchten. Auch für Benkos Fremdkapitalgeber haben sich angesichts der möglichen Kettenreaktionen quer durch die Signa-Gruppe die Risiken schlagartig erhöht. Zu diesen Kapitalgebern, die Benkos schuldengetriebene Expansion über Jahre finanziert haben und jetzt Milliardensummen im Feuer haben, zählen nicht nur Banken aus Österreich – sondern auch eine ganze Reihe von Unternehmen aus Deutschland, darunter mehrere Landesbanken, Versicherer und Versorgungswerke. Einige hätten „riesige Tickets“ bei Signa, heißt es in Konzernkreisen. 

Dabei gehe es nicht nur um Kredite für konkrete Immobilienprojekte, sondern auch um andere Schuldpapiere, über die Benko sein Wachstum finanziert hat. Zudem sind mehrere institutionelle Investoren aus Deutschland wie der Versicherer R+V, die RAG-Stiftung und die Fondsgesellschaft Union Investment auch als Gesellschafter an wichtigen Signa-Unternehmen beteiligt – manche auch an der Sporthandelssparte Signa Sports United, die jüngst bereits Insolvenz beantragt hat und zerschlagen werden dürfte. 

Rückzahlungen teils erst nach 2040

In welchem Maße auch Institutionen, die ihr Geld in erster Linie sicher anlegen sollen, sich in den Nullzinsjahren bei Benko engagiert haben, zeigen Signa-Unterlagen, die Capital vorliegen. Demnach hat etwa die Landesbank Helaba Darlehen für mehrere Immobilienprojekte in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe vergeben – ebenso die Versicherer Signal Iduna und Ergo sowie die Bayerische Versorgungskammer, die die Pensionen von Beamten im Freistaat sichern soll. Auch die BayernLB gehörte zu den größeren Signa-Finanzierern, ebenso die Aareal Bank – wobei es im Fall der Aareal Bank um ein Projekt am Berliner Alexanderplatz geht, das Signa in diesem Sommer verkauft hat. Selbst einzelne Sparkassen haben sich den Unterlagen zufolge als Kreditgeber bei Benko-Projekten engagiert, teils sogar fernab der Heimatregion. 

Dabei ist ein Teil des Kreditvolumens in Projekte bei Bestandsimmobilien der wichtigsten Signa-Immobilientochter Signa Prime Selection wie das KaDeWe in Berlin oder das Hamburger Alsterhaus geflossen. Hier sind zumeist sehr lange Laufzeiten vereinbart, bis in die 30er- oder sogar frühen 40er-Jahre. Riskanter dürften die kürzer laufenden Darlehen für Entwicklungsprojekte sein. Diese leiden unter steigenden Bau- und Materialkosten, bei einigen ruhen derzeit die Bauarbeiten, weil Signa Rechnungen nicht bezahlt hat. Hierbei geht es etwa um Finanzierungen für Projekte wie die Alte Akademie in München (unter anderem BayernLB), die Hamburger Gänsemarktpassage (unter anderem Helaba) oder Benkos Prestigeprojekt Elbtower (unter anderem Signal Iduna), für das sich etwa auch der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz eingesetzt hat.

Auf Anfrage von Capital wollten sich die meisten Finanzierer nicht zu ihrem Engagement bei Signa äußern. Die Bayerische Versorgungskammer erklärte lediglich allgemein, ihre Finanzierungen seien stets über „erstrangige Grundschulden“ abgesichert. Die Signal Iduna verwies darauf, dass ihre Kredite mit Grundpfandrechten besichert seien. Man erwarte „derzeit keine Kreditausfälle“ bei der Signa-Gruppe, teilte der Versicherer mit. Aber auch bei „eventuellen Kreditausfällen“ sehe man derzeit keine „wesentlichen Risiken“ für das eigene Unternehmen. Mit Blick auf den Elbtower, bei dem seit Ende Oktober ein Baustopp besteht, schloss die Signal Iduna nicht aus, ihr bisheriges Kreditengagement zu erhöhen, um das begonnene Megaprojekt abzusichern. „Auf Basis der bereits erfolgten Bautätigkeit ist für uns auch ein erhöhter Fremdmitteleinsatz grundsätzlich vorstellbar“, erklärte das Unternehmen. Dies würde man jedoch im Rahmen der üblichen Prüfungsprozesse „individuell bewerten“.

Union Investment stieg noch 2022 ein

Besonders betroffen von der Zuspitzung der Lage im Signa-Imperium sind in erster Linie jene Benko-Partner, die als Gesellschafter an wichtigen Konzerngesellschaften beteiligt sind und dadurch als Eigenkapitalgeber im Risiko stehen. Dabei geht es unter anderem um die R+V Versicherung und die RAG-Stiftung, die die Folgen des Steinkohlebergbaus in Deutschland finanzieren soll. Beide halten jeweils einen Anteil von fünf Prozent an der Signa Prime Selection und sind auch Aktionäre der Entwicklungstochter Signa Development Selection. Der Versicherer LVM hält einen Anteil von knapp drei Prozent an der Signa Prime Selection. Alle vier wollten sich auf Anfrage nicht zu diesen Signa-Beteiligungen äußern.

Sogar noch im Jahr 2022, als die Zinswende schon lief und der Immobilienmarkt bereits abkühlte, war auch die Fondsgesellschaft Union Investment in größerem Stil bei Signa eingestiegen. Wie aus dem österreichischen Handelsregister hervorgeht, zeichnete die Union Investment einen Anteil von fünf Prozent an der Signa Prime Selection für einen Spezialfonds für institutionelle Kunden. Zudem beteiligte sie sich auch an der Signa-Entwicklungstochter. Auf Anfrage betonte ein Sprecher von Union Investment, man halte keine Aktien der beiden wichtigsten Signa-Immobiliengesellschaften „in Publikumsfonds von Union Investment“. Zu den Investments von Spezialfonds könne man sich nicht äußern. 

Während es im Immobilienbereich noch unklar ist, wie hart die Restrukturierung wird und welche Projekte Geiwitz womöglich abstößt, zeigt das Signa-Drama bei den Eigentümern der insolventen Sporthandelstochter bereits konkrete Auswirkungen. Zu den Aktionären der bis zuletzt an der New Yorker Börse gelisteten Signa Sports United (SSU) zählten diverse langjährige Geschäftspartner und Finanzierer von Benko. Darunter finden sich etwa auch die R+V Versicherung und die RAG-Stiftung: Nach einer Meldung der SSU an die US-Börsenaufsicht SEC aus dem August 2023 hielt die RAG-Stiftung über einen Luxemburger Fonds einen Anteil von 1,3 Prozent, die R+V in Summe rund sechs Prozent.

Viele Deals auf Spitzenebene

Auf Anfrage von Capital bezifferte die RAG-Stiftung ihren Anteil an der insolventen Signa-Sporttochter auf zuletzt noch einen „einstelligen Millionenbetrag“. Die finanzielle Belastung durch die Pleite der SSU sei für die Stiftung aber „aufgrund des geringen Anteils verkraftbar“, teilte eine Sprecherin mit. Konkret beziffern könne man den Schaden erst nach dem Insolvenzverfahrens und der Verwertung von Unternmehmensteilen. Noch deutlich höher könnte am Ende der Verlust für die R+V Versicherung asufallen. Ein R+V-Sprecher lehnte eine Stellungnahme dazu ab.

Nicht nur für manche Unternehmen, die Benko ihr Geld anvertraut haben, könnte das Beben bei Signa zu unangenehmen Folgen führen, sondern auch für ihre Topmanager. Viele der Finanzdeals, so berichten es mehrere Signa-Insider, hat Benko mit den Chefs persönlich ausgehandelt. Einige von ihnen sitzen bis heute in Aufsichtsräten im Signa-Reich. Ein Immobilienvorstand des Großkreditgebers Helaba wechselte 2017 sogar direkt in die Führungsetage der Signa-Gruppe. Wenn es durch das Engagement bei Signa zu größeren Abschreibungen kommen sollte, werde es einen „Massenexodus“ an der Spitze vieler Banken und Versicherer sehen, prophezeit ein Benko-Vertrauter – nicht nur in Österreich.

Dieser Artikel erschien zuerst am 15.11. und wurde am 24.11. aktualisiert

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