US-Wahl Was Biden in der Wirtschaftspolitik anders machen will

Joe Biden plant für eine mögliche Präsidentschaft Milliardeninvestitionen in öffentliche Güter von moderner Infrastruktur über saubere Energie bis hin zu Bildung und Gesundheit.
Joe Biden plant für eine mögliche Präsidentschaft Milliardeninvestitionen in öffentliche Güter von moderner Infrastruktur über saubere Energie bis hin zu Bildung und Gesundheit.
© IMAGO / ZUMA Wire
Noch steht nicht fest, wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird. Sollte Joe Biden ins Weiße Haus einziehen, könnte sich in der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik einiges ändern

Viele Demokraten hoffen, dass einPräsident Joe Bidenmit seiner Wirtschaftspolitik dem Land schnell aus der Corona-Krise hilft – und Menschen zügiger wieder in gut bezahlte Jobs bringt, als in dem verhaltenen Aufschwung nach der globalen Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren. Sie wollen aber auch ein anderes Wachstum: ein besseres Leben für Niedriglohnempfänger und Minderheiten, eine grünere Gesellschaft und eine besser ausgebildete Arbeitnehmerschaft.

Bidens Plattform „Build Back Better“ – der bessere Wiederaufbau – entspringt seinen schon als Vizepräsident unter Präsident Barack Obama vertretenen Vorstellungen, Mehrausgaben mit moderner Strukturpolitik zu verbinden.Geplant sind Milliardeninvestitionen in öffentliche Güter von moderner Infrastruktur über saubere Energie bis hin zu Bildung und Gesundheit zu stemmen – und sie über höhere Steuern auf Wohlhabende zu finanzieren. Eine Sparpolitik ist von Biden nicht zu erwarten. Wie viel Gewicht die Linken in seinem Team haben werden, ist aber noch unklar.

Eine Art ökonomischen Ritterschlag erhielt Biden für sein Programm von 13 Wirtschaftsnobelpreisträgern (von George Akerlof bis Richard Thaler), die seine wirtschaftspolitische Agenda als Wegbereiter für eine „schnellere, robustere und gerechteres Wirtschaftswachstum“ lobten. „Trotz unterschiedlicher Meinungen über Details glauben wir, dass die allgemeine Agenda unsere Nation gesünder und gerechter macht und Investitionen, Nachhaltigkeit, Resilienz, Jobchancen und Beschäftigung schafft – und dabei der kontraproduktiven Wirtschaftspolitik von Donald Trump weit überlegen ist.“

Investitionsklima

In jedem Fall wird Biden, sollte er Präsident werden, ein Land im Ausnahmezustand vorfinden. Gegen die Krise will der Präsidentschaftsanwärter mit einem Wirtschaftsprogramm angehen, das Millionen von Jobs schaffen und der Konjunktur ordentlich Schwung verleihen wird, so das Versprechen. Amtsinhaber Donald Trump verdammt die Pläne als zerstörerischen Weg in die Rezession. Aber positiv gewürdigt haben sie neben Biden-freundlichen Ökonomen auch große Wirtschaftsberater wie Moody’s Analytics und Goldman Sachs.

Moody’s erwartet – im Falle eines weiter republikanisch beherrschten Senats im Kongress – zwar erhebliche Hürden, die Wirtschaftsagenda umzusetzen. Biden müsste wie Trump mit Dekreten regieren. Aber zumindest für ein Anti-Corona-Krisenpaket würde der Kongress wohl schuldenfinanzierte Ausgabenpläne absegnen, so die Erwartung. Biden ist ein Versöhner und kein Spalter. Seine jahrzehntelange Erfahrung im Senat und als Wächter über Präsident Barack Obamas Milliarden-Hilfsprogramm nach der globalen Finanzkrise hat ihm den Ruf eines geschickten Verhandlungsführers eingebracht.

„Mit der Aussicht auf eine noch schwächelnde Volkswirtschaft und wenig ausgeprägten Widerstand gegen Haushaltsdefizite, kann es einen Weg geben für einen Deal, der höhere Ausgaben für Infrastruktur und Soziales im Austausch für Steuersenkungen zugunsten von Haushalten mit mittlerem Einkommen vorsieht“, sagt Moody’s voraus. Die Wirtschaftsleistung sehen sie um jährlich rund 3,5 Prozent bis 2024 wachsen, mehr als unter einer Trump-Regierung. Der Verlust von rund zehn Millionen Jobs in der Corona-Krise würde bis 2024 mehr als wieder gut gemacht – mit einer schnelleren Rückkehr zur Vollbeschäftigung als unter Trump.

Ob Biden Trumps Abschläge der Unternehmenssteuern rückgängig machen kann, bleibt indes bei einem republikanischen Senat offen. Dass er Körperschaften wieder mit 28 statt 21 Prozent besteuern und auch Spitzenverdiener über 400.000 Dollar stärker zur Kasse bitten will, betrachtet Moody’s als Belastung für Investitionen und Produktionswachstum. In der Analyse von Goldman Sachs wiegen die Wachstumsgewinne stärker als die negativen Auswirkungen von Steuererhöhungen.

Schulden

Nicht nur Bidens Hilfspaket für die Wirtschaft ist viel größer als das von Trump, sein gesamtes Programm würde mit Kosten von mehr als 7 Billionen Dollar (Moody’s) Haushaltsdefizite und Staatsverschuldung kurzfristig stärker in die Höhe treiben als Trumps Programm. Vor allem öffentliche Investitionen in Verkehr, grüne Energie, Bildung und Schulen, Sozialsysteme und Wohnungen, Gesundheitsversorgung, Forschung und Innovation soll im Umfang von 2,4 Billionen Dollar zügig ausgegeben werden. Am Ende des Jahrzehnts würden Bidens wie Trumps Politikpräferenzen eine Verschuldungsrate von 130 Prozent zum BIP bedeuten – verglichen mit gegenwärtig 108 Prozent.

Gut angelegtes Geld, wie viele Ökonomen meinen. „In der heutigen Welt wollen wir doch, dass Regierungen Defizite anhäufen, weil sie überschüssiges Erspartes in Wert setzen“, schreibt etwa Paul Krugman in der New York Times. Produktive Defizite stärkten Investitionen und hätten langfristig positive Effekte auf die Wirtschaft – im Gegensatz zu Trumps Haushaltspolitik, die rote Zahlen schaffte, um Unternehmer steuerlich zu entlasten, aber die versprochenen Investitionen schuldig blieb. Bidens Pläne würden „viel mehr Bumms für jeden Dollar“ bringen.

Nachhaltigkeit

Einen großen Schritt in Sachen Klimapolitik hat Joe Biden bereits angekündigt. Auf Twitter schrieb er, eine Biden-Administration werde schon am Tag der Amtseinführung wieder dem Pariser Klimaschutzabkommen beitreten. Trump hatte vor drei Jahren den Austritt der USA aus dem Abkommen angekündigt, der nun auch offiziell wirksam wurde.

Diese Ankündigung, nur kurz nach der Wahl und noch bevor ein Ergebnis feststeht, zeigt: Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit dürften unter einem Präsidenten Biden einen deutlich höheren Stellenwert haben als sie es zuletzt unter Trump hatten. Der Demokrat will 2 Billionen Euro in Klimaschutz, saubere Energie und grüne Infrastruktur investieren. Wenn es nach Biden geht, sollen die USA bis 2050 CO2-neutral sein. Investiert werden soll in sauberen Energien und unter anderem auch in eine nachhaltige Landwirtschaft. Biden will die Energiewende beschleunigen und beispielsweise die Ladestationen für Elektroautos staatlich fördern. Zudem sollen unter anderem der Stromsektor bis 2035 CO2-frei werden, Gebäude saniert und in Innovation investiert werden.

Während also beispielsweise Unternehmen aus der Wind- und Solarenergie auf einen Wahlsieg Bidens hoffen dürften, könnten der Ölindustrie unter Biden harte Zeiten bevorstehen. Im dem zweiten TV-Duell der Präsidentschaftskandidaten sorgte die Aussage Bidensfür Aufregung, dass die Ölindustrie ein Auslaufmodell sei. Er kritisierte die staatlichen Subventionen für die Branche scharf. Biden dürfte sich für eine stärkere Regulierung von Öl- und Gaskonzernen einsetzen.

Biden will zudem in Straßen, Grünflächen und Breitband-Ausbau investieren, emissionsfreien öffentlichen Nahverkehr aufrüsten und 1,5 Millionen nachhaltige Häuser und Wohneinheiten bauen lassen. Dabei sollen in den betreffenden Sektoren Arbeitsplätze geschaffen werden, zum Beispiel eine Million neue Jobs in der Autoindustrie.

Soziales

Aber auch im sozialen Bereich plant Biden massive Investitionen. In den Bereich der Care Economy, zu dem auch Pflege und Betreuung zählen, könnten unter einem Präsidenten Biden rund 775 Mrd. US-Dollar fließen. Von diesem Geld soll laut Wahlprogramm unter anderem der Zugang zu erschwinglicher Kinderbetreuung garantiert, eine Vorschule für Drei- und Vierjährige angeboten und der Beruf von Betreuern und Erziehern aufgewertet werden. Zudem will der Demokratdenr Zugang zu Pflege für Ältere und Menschen mit Behinderung ausbauen.

Den von Obama verabschiedeten Affordable Care Act, der Millionen von Amerikanern eine Krankenversicherung garantiert, will Biden verteidigen und erweitern. So sollen beispielsweise US-Amerikaner mit einem niedrigen Einkommen einfacheren Zugang zu einer Krankenversicherung bekommen und die Investitionen in kommunale Gesundheitszentren verdoppelt werden.

Biden kündigte zudem ein Programm an, dass kleinen Firmen und Unternehmern helfen soll, die Corona-Krise zu meistern. Gleichzeitig will er„Corporate America“ dazu zu bringen, einen angemessenen Anteil Steuern zu zahlen. Zudem sollen die Arbeitsplätze von Pädagogen, Feuerwehrleuten und anderen wichtigen Arbeitern gesichert werden und die Absicherung für Arbeitslose in der Corona-Krise ausgeweitet werden.

Außenwirtschaft

Mit der Hoffnung auf einen Machtwechsel im Weißen Haus ist häufig die Hoffnung auf ein Ende der Handelsstreitigkeiten verbunden. Doch auch unter Biden dürften sich diese nicht so schnell in Luft auflösen. Denn auch der Demokrat dürfte sich nicht ganz vom protektionistischen Kurs seines Vorgängers lösen, auch unter ihm würden die Handelsungleichgewichte zwischen den USA und zum Beispiel Deutschland weiter ein Konfliktpunkt bleiben.

Es gilt als sehr unsicher, dass Biden die Strafzölle, die Trump verhängt hat, unmittelbar wieder aufheben würde. Auch gegenüber China dürften die USA unter Biden weiterhin einen harten Kurs fahren. Denn auch der Demokrat will die wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringern. Und auch in der Welthandelsorganisation WTO wird wohl kaum der Zustand vor Trump wiederhergestellt werden.

Was sich aber mit Biden wohl ändert, ist der Ton. Es wird erwartet, dass Biden die Handelskonflikte und -streitigkeiten weniger konfrontativ und eskalativ angehen würde als Trump. Auch dürfte er wohl stärker auf Kooperation und gemeinsame Lösungen – beispielsweise mit der EU – setzen. So will Biden die „Koalition mit Demokratien, die an unserer Seite stehen“ stärken und internationale Partnerschaften wiederaufbauen und erneuern.

Das gilt auch für die Streitigkeiten rund um die Ostseepipeline Nord Stream 2. Ob Biden an den Handelsstrafen festhalten würde, ist noch unklar. Auch hier wird jedoch davon ausgegangen, dass der Demokrat deutlich stärker auf Diplomatie als auf Eskalation setzen wird.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel