Nachdem sein Aufstand gegen den Kreml in sich zusammenbrach, zerlegt nun das Moskauer Regime das Imperium von Jewgeni Prigoschin. In der Nacht zum Samstag wurde seine Medienholding „Patriot“ aufgelöst. Das wichtigste Medium des ehemaligen Wagner-Chefs „Nevskiye Nowosti“ hörte auf zu existieren. Hier wurden in der Vergangenheit kompromittierende Materialien über die Aktivitäten des Gouverneurs von St. Petersburg, Alexander Beglow, publik gemacht – einem engen Freund Putins, mit dem sich Prigoschin aber eine Fehde leistete.
„Wir schließen und verlassen das Nachrichten-Segment des Landes“, erklärte auch der Generaldirektor von Ria Fan Jewgeni Zubarew. Die Publikation zählte zu den bekanntesten Ausgaben der sogenannten „Medienfabrik“, der Nachfolgeorganisation der „Troll-Fabrik“, die unter der Ägide von Prigoschin das Informationsfeld manipuliert, Fake News verbreitet und das Narrativ des Kremls durch abertausende von „Trollen“ in die Welt getragen hat.
Zum Abschied veröffentlichte Zubarew ein zehnminütiges Video über die Arbeit der „Troll-Fabrik“ und gab dabei offen zu, gegen den inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny und andere Oppositionelle gearbeitet zu haben. Er bezeichnete seine Aktivitäten als „Arbeit für den Staat“: „Damals war es wichtig, die Arbeit oppositioneller Journalisten, die die Lage im Land destabilisierten und versuchten, unser Land zu zerstören, strategisch in Frage zu stellen“, sagte der nun arbeitslose Chef der Trolle.
„Es wird keine administrative Verantwortung für die Arbeit in der Holding geben“, versprach die Unternehmensführung den Prigoschin-Trollen. Dies geht aus einer Korrespondenz hervor, die ein Mitarbeiter von Ria Fan dem unabhängigen Medium „Sever.Realii“ zur Verfügung stellte. „Die Medienaufsichtsbehörde wird die Sperrung unserer Websites in naher Zukunft nicht aufheben, daher haben unsere Nachrichten überhaupt keinen Sinn. Es heißt also nun: ausruhen und auf Gehälter warten.“
Prigoschin-Trolls arbeiten nun gegen ihn
Doch einige der Trolls haben offenbar eine neue Arbeit gefunden. Wie die russische investigative Publikation „Agentur“ berichtet, arbeiten nun etwa 13.000 Prigoschin-Trolle gegen ihren ehemaligen Chef. Im russischen sozialen Netzwerk VKontakte (VK) verbreiten sie laut zwei Quellen bereits seit dem vergangenen Mai negative Kommentare über den gescheiterten Wagner-Anführer.
Diese Bots haben in den letzten Jahren wohl „für Prigoschin gearbeitet, aber jetzt arbeiten sie offensichtlich nicht mehr für ihn, weil sie auf klare und koordinierte Weise Kommentare gegen ihn schreiben“, erklärte ein Experte, der seit 2019 die Aktivität von rund 127.000 Bots auf VK überwacht.
„Ich vermute, dass diese Struktur Prigoschin einfach weggenommen wurde. Sie arbeitet genauso wie zuvor, nur dass sich ihre Aufgaben geändert haben“, sagte der Analyst. Gleichzeitig gibt es seiner Meinung nach nur noch etwa 1400 Profile bei VK, die Prigoschin unterstützen. Bis Mai 2023 seien es etwa 15.000 gewesen. Die meisten von ihnen würden aber jetzt gegen ihn arbeiten.
Auch das Prigoschin-Pendant zu Instagram, Jarus (Яrus), existiert nicht mehr. „Nachdem wir die aktuelle Situation analysiert haben, ist dies die einzig mögliche Entscheidung“, hieß es in einer Mitteilung des sozialen Netzwerks. „Aufgrund der instabilen politischen Lage ist die Unterstützung des Projekts beendet. Wir sind auf der Suche nach neuen Investoren.“ Offenbar hofft man bei Jarus noch auf ein Fortbestehen – unter der Ägide eines neuen Finanziers.
Kreml-Zensur wendet sich gegen den gescheiterten Wagner-Anführer
Während sein Medienimperium auseinandergenommen wird, soll Prigoschin auch keine andere Möglichkeit mehr haben, sich Gehör zu verschaffen. Bei VKontakte werden seine Botschaften und Mitteilungen, die sein Pressedienst publiziert, blockiert. Die Suchmaschine Yandex, das russische Pendant zu Google, entfernt Inhalte, die mit Prigoschin zusammenhängen. Und die in Russland sehr populären Marktplätze, Ozon und Wildberries, nehmen Artikel mit der Symbolik der Wagner-Söldner aus ihrem Angebot.
Dieser Artikel ist eine Übernahme von stern.de