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Karl-Heinz Gass Vom Metzgermeister zum China-Türöffner

Vom Metzgermeister zum Völkerverständiger: Der Pfälzer Karl-Heinz Gass
Vom Metzgermeister zum Völkerverständiger: Der Pfälzer Karl-Heinz Gass
© PR
Er ist ein kleiner Wegbereiter der engen deutschen Handelsbeziehung mit China: Der Metzgermeister Karl-Heinz Gass hat jahrzehntelang Unternehmen und Politiker in China eingeführt. Im Interview mit Capital erzählt er, wie es dazu kam

In China ist er eine kleine Berühmtheit, hier dagegen eher unbekannt: Der 79-jährige Karl-Heinz Gass, gelernter Metzgermeister aus der Pfalz, war über Jahre Netzwerker zwischen Deutschland und China - ein früher Wegbereiter für deutsche Firmen in China sowie chinesischen Firmen hierzulande. Der Sohn eines Eisenbahners war dabei kein gelernter Berater, sondern vom Beruf her Metzgermeister ohne diplomatische Vorkenntnisse. Angefangen hat alles in den 1980er Jahren mit einer ungewöhnlichen Freundschaft. Gass lernte damals zufällig den Generalstabschef der chinesischen Volksbefreiungsarmee kennen. Seitdem hat er nach eigenen Angaben über 1000 Nächte im Kempinski-Hotel in Peking verbracht. Er hat zahlreiche Unternehmen und Politiker aus Deutschland und China miteinander bekanntgemacht, Firmenverträge eingefädelt und sogar in seinem eigenen Betrieb Chinesen ausgebildet, von denen manche später hohe Verwaltungsposten einnahmen - und es als einer der wenigen Ausländer ins chinesische Militärmuseum geschafft.

Capital: Herr Gass, Sie haben 1981 den damaligen Generalstabschef der chinesischen Volksbefreiungsarmee Yang Dezhi kennengelernt. Wie kam es dazu?

Karl-Heinz Gass: Das war ein Schicksalstreffen. Ich wollte damals während eines Kurzurlaubs mit meiner Frau aufs Schweizer Schildhorn. Als wir oben waren, sahen wir eine chinesische Delegation mit dem Schweizer Botschafter. Der hat einen Vortrag gehalten über die Schweiz und die Stabilität Europas. Und da habe ich mich dann eingemischt und gesagt, 'Halt mal, Deutschland garantiert die Freiheit für Europa und nicht die kleine Schweiz'. Das hat das Interesse des Generalstabschefs geweckt und wir kamen ins Gespräch.

Worüber ging das Gespräch denn genau?

Ich habe ihm gesagt, dass wir von China ja gar nicht viel wüssten durch die Presse und dass China sich hinter dem Bambusvorhang abgeschottet habe. 'Macht den Vorhang auf, wir kommen hin und wir helfen euch', habe ich gesagt. Ich wusste ja damals gar nicht, was für ein mächtiger Mann er ist. Bei der Verabschiedung hat er mich dann nach China eingeladen. So hat alles angefangen.

Und dann wurden Sie eine Art Hobby-Diplomat in beiden Ländern?

Zunächst konnte ich wegen meiner Verpflichtungen nicht direkt nach Peking und stand mit der chinesischen Botschaft und dem Generalstabschef in schriftlicher Verbindung. Ich habe Vorschläge gemacht zur besseren Verarbeitung von Produkten in China und ich habe mit Firmen in Deutschland Kontakt aufgenommen. Wir haben in Heidelberg eine Arbeitsgemeinschaft China gegründet und 1985 war ich dann zum ersten Mal mit den Firmen in China auf verschiedenen Messen und habe den Generalstabschef wiedergetroffen. Für unsere Politiker war das natürlich unverständlich. Ich war in keiner Partei, ich war frei und konnte meine Meinung sagen. Ich glaube, ich habe die Chinesen mit meiner Offenheit und meinem Unverständnis von Diplomatie überrascht.

Anschließend haben Sie jahrelang Unternehmen und Politiker zwischen Deutschland und China vermittelt.

Genau. Ab da waren wir durch meine Beziehungen jedes Jahr in verschiedenen chinesischen Städten auf zwei bis drei Messen. Ab 1986 war ich für Krupp als Berater tätig. 1994 habe mich selbstständig gemacht und für verschiedene große Firmen in China Kontakte hergestellt und sie unterstützt. Und ich habe 1988 eine deutsch-chinesische Freundschaftsgesellschaft gegründet.

Wie haben Sie denn diesen besonderen Zugang in der damals noch sehr verschlossenen Volksrepublik bekommen?

Ich war ja in keiner Partei und nicht an politische Zwänge gebunden wie ein Politiker vielleicht. Vier, fünf Mal habe ich Helmut Kohl in Peking getroffen, aber ich war nie in der Delegation dabei bei ihm. Es ist ja so, dass wenn Politiker etwas sagen, man dann immer warten muss, was Zuhause das Parlament sagt, was abgestimmt wird. Wenn ich in Peking war, konnte ich immer sagen: 'Für das, was ich sage, garantiere ich und dann machen wir das so.'

Empfangen wie ein Regierungsmitglied

Die Chinesen haben Ihnen offenbar sehr vertraut...

1986 habe ich dem Generalstabschef ein Zehn-Punkte-Programm vorlegt und 1988 bekam ich den größten Orden von der chinesischen Armee, den roten Stern. Man hat die zehn Punkte in verschiedenen Ministerien durchgesetzt. Das war für mich ein Höhepunkt in China. Von da an war ich im ganzen Land unterwegs.

Wie ist das heute?

Ich war im Januar in Peking, um mich zu verabschieden. Ich bin 79 Jahre alt und einer derjenigen, die am längsten in China tätig sind. 291 Mal war ich dort. Im letzten Jahr war ich sehr krank und konnte das erste Mal seit 30 Jahren nicht nach China. Als ich jetzt da war, wurde ich vom Militär und von den alten Botschaftern empfangen. Eigenlob stinkt ja, aber die haben gesagt 'Der Herr Gass, der steht bei uns ganz oben'. Für mich ist das eine einmalige Sache, bald 80 Jahre alt zu werden und in China noch so geehrt zu werden. Erst vor 14 Tagen war das chinesische Fernsehen hier bei mir zuhause.

Eine ganz besondere Freundschaft

Was hat sich aus Ihrer Sicht in China über die Jahre verändert?

Vor allem in Peking hat sich vieles geändert. Die ganzen kleinen Geschäfte sind weg, die Leute müssen zurück in ihre Provinzen. Früher konnte man in Peking das ganze China erleben, mit all seinen Minderheiten und alles. Das wird zurückgefahren. Peking wird auf Hauptstadt getrimmt. Da geht schon etwas verloren, was ich früher an Peking geliebt habe.

Woran erinnern Sie sich besonders gern?

An die vielen Treffen mit dem Generalstabschef und seiner Familie. Die Freundschaft besteht jetzt schon in der vierten Generation. Jedes Mal wenn ich in China bin, lege ich einen Kranz an seinem Grab nieder. Da werde ich immer begleitet von der Armee und von der Familie. Da hat sich eine Freundschaft gebildet, die sich nicht wiederholen lässt. Denn ich bin kein Soldat, ich bin ein einfacher Metzgermeister, der Berater wurde.

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