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Finanzpolitik des Vatikanstaats „Der Papst hat finanziell keinen Überblick – das nutzen Kriminelle im Staat aus“

Papst Franziskus bei der Weihnachtsmesse im Vatikan
Der Papst 2021 bei der Weihnachtsmesse im Petersdom
© picture alliance / Haring/Pool/Spaziani | Haring/Pool/Spaziani
Korruption, Missbrauchsskandale, Austritte: Im Podcast „Wirtschaft und Welt“ diskutieren Vatikan-Experte Ulrich Nersinger und ntv-Italienkorrespondent Udo Gümpel die Schwächen im heiligen Staat

Mitten in der italienischen Hauptstadt Rom liegt der kleinste Staat der Welt: Die Vatikanstadt besteht aus Petersdom und Petersplatz, der Sixtinischen Kapelle sowie weltweit bekannten Museen und Gärten. Ihre Kirchen und Kulturschätze konzentrieren sich auf einer Fläche von nur 0,44 Quadratkilometern. Rund 800 Menschen leben dort aktuell. Der bekannteste Einwohner des Staates Vatikanstadt ist Papst Franziskus, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche.

Die religiöse Ausbildung des 86-Jährigen ist unumstritten, seine Wirtschaftskompetenz hingegen halten Experten für ausbaufähig. Vatikan-Kenner Ulrich Nersinger übt scharfe Kritik, nicht nur an Papst Franziskus, sondern auch an seinem deutschen Vorgänger, Papst Benedikt XVI.: „Die letzten beiden Päpste haben, was Finanzen angeht, keinen Überblick“, sagt Nersinger im Podcast „Wirtschaft Welt & Weit“. Und in ihrem Umfeld gebe es Menschen mit krimineller Energie, „die das eiskalt ausnutzen“. Als eigener Staat fehle es dem Vatikan an entsprechender Wirtschafts- und Finanzexpertise. Und das äußere sich in Korruptions-Skandalen.

Prozess um Luxusimmobilie

Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Gerichtsprozess um eine Londoner Luxusimmobilie, die der Vatikan für rund 350 Millionen Euro erworben haben soll. Grundsätzlich ist es gängige Praxis, dass der Vatikan in Immobilien investiert. Es gehört zur Geldanlage-Strategie des Vatikans, um Einnahmen zu erwirtschaften.

Allerdings gehen mit dem Kauf dieser Immobilie auch viele Vorwürfe einher: Veruntreuung von Geldern, Geldwäsche und Betrug. Dafür müssen sich mehrere Beschuldigte, unter anderem auch zum ersten Mal ein Kardinal, nun vor Gericht verantworten. Mittlerweile hat der Vatikan die besagte Immobilie mit rund 100 Millionen Euro Verlust an den US-Finanzinvestor Bain Capital verkauft. Auch ein heiliger Staat scheint also nicht vor korrupten und kriminellen Praktiken gefeit.

Als ntv-Korrespondent in Rom beobachtet Udo Gümpel diesen Prozess ganz genau. Angehörige des Vatikans hätten sich mit Hilfe obskurer Finanzmanager bereichert, berichtet er in der neuen Folge des Podcasts: „Da ist der Vatikan im Grunde genommen das Opfer.“ Allerdings sieht Gümpel auch eine gewisse Mitschuld, da die eigene Inkompetenz in finanziellen Angelegenheiten diese kriminellen Machenschaften überhaupt erst möglich mache.

Wenig kompetent in Finanzfragen wirkte auch schon Papst Paul VI. im Jahr 1968: Damals verbot er den katholischen Gläubigen künstliche Verhütungsmittel, hatte dabei aber übersehen, dass der Vatikan in das deutsche Pharmaunternehmen Schering investiert war und somit an der Herstellung der Anti-Baby-Pille mitverdiente. Die Folgen: der Spitzname „Pillen-Paul“ und ein massiver Verlust an Glaubwürdigkeit.

Letzteres ist auch ein Problem der Gegenwart: Der Umgang mit den Opfern der Missbrauchsskandale ließ viele Gläubige nicht nur an der katholischen Kirche zweifeln, sondern hat auch zu einer zu massiven Austrittswelle in Deutschland geführt. Weniger Kirchensteuern bei uns bedeuten zugleich weniger Einnahmen für den Vatikan. Ein gutes Beispiel also, wie eng Glaubwürdigkeit und Finanzdaten zusammenhängen.

Für Vatikan-Kenner Udo Gümpel ist eines klar: „Die einzige Waffe des Papstes ist seine moralische Autorität“. Die gilt es, für die Zukunft zu bewahren. Denn mit Wirtschaftskompetenz, so auch Nersingers Erwartung, wird das Staatsoberhaupt der letzten absoluten Monarchie in Europa auch im Jahr 2023 voraussichtlich nicht punkten.

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