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Kolumne Ungeniert nach Übermorgen

Die kalifornische Science-Fiction-Idee „Hyperloop“ fasziniert viele. Vielleicht auch deshalb, weil solche Projekte in Deutschland unvorstellbar geworden sind. Von Christian Schütte
Christian Schütte
Christian Schütte
© Trevor Good

Ein bisschen Technofreak sind wir Deutschen also doch noch. Als der Silicon-Valley-Star Elon Musk vor ein paar Tagen seine Skizze für einen „Hyperloop“ zwischen Los Angeles und San Francisco vorstellte, da leuchteten auch bei uns plötzlich überall die Augen. Mit weit über 1000 Stundenkilometern auf einem Luftkissen durch die Röhre – ja wie oberabgefahren ist das denn? Okay, etwas irre natürlich schon. Aber dieser Musk ist ja nicht irgendein Spinner. Mit Anfang 30 war er schon Multimillionär im Internetgeschäft, er ist ein vielfach ausgezeichneter Pionier der privaten Raumfahrt („Space X“) und so wie es derzeit aussieht auch der erste Unternehmer, der ein kommerziell wirklich erfolgreiches Elektroauto entwickelt hat – die Luxuskarosse Tesla S. Übrigens macht er das alles parallel – jede Woche ein paar Tage Tesla, ein paar Tage Raumfahrt und zwischendurch jetzt auch noch „Hyperloop“. Wow.

Wenn wir ehrlich sind, ist das alles wie von einem anderen Stern. Denn man muss sich nur einmal kurz vorstellen, wie die Diskussion verliefe, wenn in Deutschland jemand mit einer derartigen Idee um die Ecke käme. Hilfe, Herrgott, wer braucht denn so was? Energieverschwendung. Gesundheitsgefährdung. Geschwindigkeitsterror. Terrorgefahr. Bedrohung von Arbeitsplätzen bei Bus und Bahn. Bedrohung von Kiefern und Käfern entlang der Röhre. Vertiefte soziale Spaltung. Erhöhte CO2-Emissionen. Phallokratismus. Und überhaupt: Kriegt Montabaur wenigstens auch einen Halt? Am besten fangen wir erst mal mit einem original deutschen Shitstorm an. Parole #stoiberloop .

Revolutionäre Erfindungen überlassen wir heutzutage lieber anderen – oder wir richten dafür allenfalls ein gemeinsames EU-Forschungsprojekt ein, was den Vorteil hat, dass es auch nichts schadet, wenn am Ende nichts herauskommt. Das Ganze hat dann wenigstens die europäische Zusammenarbeit gestärkt.

Elon Musk: Visionär oder Spinner?
Elon Musk: Visionär oder Spinner?

Tatsächlich müsste man einen wie Musk in jedem Land der Welt sofort wieder nach Hause schicken, wenn er einfach nur Steuergelder für seine Visionen haben wollte. Aber so einfach ist es eben nicht. Musk bringt sein eigenes Geld für die Forschung mit. Dieser Mann ist sehr reich und – Schreck lass nach! –, er weiß mit seinem Geld sehr interessante, womöglich auch für die ganze Gesellschaft sehr nützliche Dinge anzustellen. Wenn sein irrer „Hyperloop“ nichts wird, dann ja vielleicht sein nächstes oder übernächstes Projekt.

Auch damit tun wir uns hierzulande extrem schwer. Wenn von „Zukunftsinvestitionen“ die Rede ist, dann versteht es sich in der politischen Debatte mittlerweile fast von selbst, dass diese nur vom Staat kommen können. Oder dass sie wenigstens - siehe Energiewende - staatlichen Richtungsvorgaben folgen müssen. Wer wie reich bleiben und reich werden kann – zum Beispiel mit Greentech -, das soll bei uns am liebsten die Politik bestimmen.

Wenn es um verblüffende Technologie aus der Abteilung Science Fiction geht, dann ist Deutschland heute am Liebsten ein Trittbrettfahrer anderer Regionen. Man kann argumentieren, dass das eine durchaus clevere und komfortable Position ist: Sollen sich doch die Anderen erst mal mit all den riesigen Kosten und Risiken herumschlagen. Wenn es schiefgeht, lachen wir uns einen Ast. Wenn es klappt, können wir´s immer noch kaufen und adaptieren. Oder wenigstens im Urlaub mal ausprobieren.

Ob das auf Dauer reicht, ist allerdings die große Frage. Die bereits recht alten Fundamente des heutigen Wohlstands in Deutschland sind schließlich auch erst von visionären Technofreaks geschaffen worden. Ein zwischen Mensch und Tier herumholpernder Dreiradwagen mit stinkendem Verbrennungsmotor und hoch explosivem Treibstoff aus der Stadtapotheke? Ja wie oberabgefahren war das denn, Herr Benz?

Christian Schütte schreibt an dieser Stelle jeweils am Dienstag über Ökonomie und Politik. Seine letzten Kolumnen: Die unsichtbare Hand des Staates, Was erlaube Künast und Schäubles Schuldengriechisch

E-Mail: schuette.christian@capital.de

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Fotos: © Trevor Good; Getty Images

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