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US-Wahl Was einen deutschen Manager „selbst nach 30 Jahren USA“ schockiert

Trump-Kappen
Teil des US-Wahlkampfs sind auch politische Souvenirs, hier in Form von Trump-Kappen
© Robyn Stevens Brody / Picture Alliance
Mathias Kirchmer leitet die Niederlassung eines deutschen Unternehmens im Swing State Pennsylvania. Mit Nachbarn vermeide er inzwischen, über Politik zu sprechen. Er stellt sich auf „nervenaufreibende“ vier Jahre Trump ein

Capital: Herr Kirchmer, die Amerikaner haben zum zweiten Mal Donald Trump zum Präsidenten gewählt. Wie stehen Sie zu dem Ergebnis? 
MATHIAS KIRCHMER: Ich lebe seit 30 Jahren in den USA und habe selbst schon zum fünften Mal hier gewählt, seit 18 Jahren habe ich die doppelte Staatsbürgerschaft. Wen ich gewählt habe, verrate ich nicht. Für mich war das Wichtigste, dass wir wieder zu einer stabileren Situation kommen. Für das Land war es ein großes Problem, dass es keinen Kandidaten gab, der oder die klar geführt hat. Damit war für die Wirtschaft immer unsicher, was passieren würde. Und da Trump und Harris extrem unterschiedliche Vorstellungen haben, zum Beispiel zum Thema Steuern, wurde vieles erst mal verschoben. Die Unternehmen haben abgewartet. Insofern ist es gut, dass es ein klares Wahlergebnis gibt und dass die Unternehmen jetzt wieder planen können.

Und wie finden Sie das Ergebnis persönlich?
Ich glaube, dass es kurzfristig der wirtschaftlichen Situation helfen könnte. Aber ich habe große Zweifel, ob Trumps Politik des „America first“ mittel- und langfristig der richtige Weg ist. In einer Zeit, in der alles so eng vernetzt ist, scheint mir eine Isolationspolitik mit hohen Zöllen kein erfolgversprechender Weg. Ich habe hier über die letzten Jahre aber erlebt, wie die US-Wirtschaft sich auf jede Situation einstellen kann, solange die Rahmenbedingungen einigermaßen stabil sind. Unabhängig vom Ergebnis und davon, ob es mir persönlich gefällt oder nicht, wird es also einen Weg geben, das Beste draus zu machen.

Mathias Kirchmer ist Managing Director des Beratungsunternehmens Scheer Americas
© privat

Mathias Kirchmer ist Managing Director von Scheer Americas, der US-Niederlassung des Saarbrücker Beratungsunternehmens Scheer, das weltweit rund 1200 Menschen beschäftigt. Kirchmer lebt in West Chester im Swing State Pennsylvania, den der neue amerikanische Präsident Donald Trump für sich entschied.

Aber aus deutscher Sicht wirken Importzölle von 10 oder 20 Prozent, die Trump angekündigt hat, ziemlich bedrohlich.  
Aus amerikanischer Perspektive sieht man das große Handelsbilanzdefizit mit Deutschland natürlich skeptisch. Deswegen finden die Zollpläne hier durchaus auch Unterstützung. Trumps Wahl kann für Deutschland und Europa eine Chance sein, sich nicht immer nur auf andere zu verlassen. Wenn ich nach Deutschland und Europa schaue, dann wird dort versucht, alles zu regulieren, zum Beispiel beim Datenschutz. Mein Eindruck ist: Es geht sehr viel darum, Dinge einzuschränken, und viel zu wenig darum, echte Innovationen zu schaffen: Wie bekommen wir es zum Beispiel hin, dass wir nicht nur etwas erfinden, sondern Neues auch auf den Markt bringen? Der Druck, der jetzt entstehen wird, kann helfen, Dinge in eine andere Perspektive zu rücken. Die Wahl Trumps wäre dann so etwas wie ein heilsamer Weckruf. 

Gleichzeitig sprechen wir von einem verurteilten Straftäter, der ins Weiße Haus gewählt wurde.
Das schockiert mich auch. Selbst nach 30 Jahren USA. Laut Umfragen ist es aber so, dass auch hier die Mehrheit der Leute die Person Trump ablehnt. Die meisten Menschen teilen seine extremen Sichtweisen nicht. Einige davon haben ihn aber trotzdem gewählt, einfach weil sie eine andere Politik wollen und die Regierung Biden/Harris für die hohe Inflation verantwortlich machen. Dafür nehmen sie die Person Trump in Kauf.

Ihre Kunden sind amerikanische Unternehmen. Wie schaut die US-Wirtschaft auf den Ausgang der Wahl? 
Das ist schwierig zu sagen. Viele Business-Leute sagen erst mal, dass niedrigere Steuern für Unternehmern und auf Einkommen, wie Trump sie angekündigt hat, eine gute Sache sind. Aber es brechen trotzdem nicht überall Jubelstürme aus. Hightech-Unternehmen sind ja zum Beispiel darauf angewiesen, günstige Teile aus China zu kriegen. Hohe Zölle hätten da große Auswirkungen auf die Preise hier. Der riesige Markt in China würde zusammenbrechen, weil die Chinesen natürlich Gegenmaßnahmen einsetzen würden.

Wie sind die Reaktionen in Ihrem persönlichen Umfeld? Wie geht es den Menschen in den USA kurz nach der Wahl?
Das ist schon schwer. Nicht nur heute, sondern die ganze Zeit. Ich wohne in West Chester, Pennsylvania. Das ist einer der Vororte von Philadelphia. Wenn man durch die Straßen fährt, wechseln sich Trump-Schilder und Harris-Plakate in den Vorgärten ab. In unserer Nachbarschaft haben wir zwölf Häuser, und es ist ziemlich klar, dass die eine Hälfte republikanisch und die andere demokratisch gewählt hat. Wenn wir als Nachbarn zusammenkommen, wird das Thema Politik weitgehend vermieden, damit es keinen Streit gibt. Bei größeren Veranstaltungen, etwa von Industrieorganisationen, gibt es schon ab und zu unangenehme Situationen, in denen Leute extreme Meinungen vertreten. Es kommt zu Konflikten. Das habe ich früher so nicht erlebt, und es hat im Trump-Wahlkampf zugenommen. Es wird wohl auch noch lange dauern, bis sich das wieder ändert. 

Haben Sie Hoffnung für eine Versöhnung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen? Oder glauben Sie, es wird eher weiter in Richtung Spaltung gehen?
Ich bin von Natur aus ein optimistischer Mensch. Deswegen habe ich Hoffnung, dass sich das wieder einspielt. Es gibt ja auch bei den Republikanern Leute mit gemäßigteren Ansichten. Dennoch werden die nächsten vier Jahre immer mal wieder nervenaufreibend sein. 

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