These im Check Sind Verbote wirklich Innovationstreiber?

Annalena Baerbock bei einem Wahlkampfauftritt am 8. September in Frankfurt am Main
Annalena Baerbock bei einem Wahlkampfauftritt am 8. September in Frankfurt am Main
© Hannes P. Albert / IMAGO
Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock sagte im Triell, dass jedes Verbot auch ein Innovationstreiber sei. Ein Aufreger für viele Wirtschaftsliberale. Doch bei Umweltregulierungen hat sie recht

Das Wort „Verbot“ ist bei den Grünen im Wahlkampf eigentlich verboten. Zu groß war die Aufregung nach dem Veggie-Day-Vorschlag von 2017, der den Deutschen einen Tag die Woche das Würstchen in der Kantine gestrichen hätte. Zu oft versuchten die politischen Gegner, die Partei als Verbotspartei abzustempeln. Doch am Sonntagabend konnte Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock in Verboten doch wieder etwas Gutes erkennen. „Jedes Verbot ist auch ein Innovationstreiber“, sagte die Kandidatin der Grünen da.

In seiner Gesamtheit kann das natürlich nicht zutreffen. „Wenn Verbote etwa zu eng sind und Unternehmen keinen Spielraum lassen, stimmt das nicht“, sagt Innovationsökonom Knut Blind, Leiter des Geschäftsfeldes Innovation und Regulierung am Fraunhofer ISI. Beispielsweise seien im Bereich der Gentechnik aufgrund der strengen EU-Regulierung forschende Unternehmen abgewandert. „Doch gerade im Umweltbereich hat sich gezeigt, dass Regulierungen Innovationen fördern können“, sagt Blind.

Technologien zur Luftreinhaltung als Positiv-Beispiel

Dahinter steht die sogenannte Porter-Hypothese. Schon 1991 beobachtete der amerikanische Ökonom Michael Porter, dass die stärksten und innovativsten Firmen in einem Bereich oft dort angesiedelt sind, wo die Regulierungen besonders streng sind.

Auch Deutschland findet in seinem damaligen Aufsatz Erwähnung. Das Land habe, so Porter in seinem Aufsatz von 1991, im Bereich der Luftreinhaltung die strengsten Standards. Die deutschen Firmen waren damals auch führend bei den Patenten auf Technologien zur Luftreinhaltung, während die USA sie hauptsächlich importierten. Anhand zahlreicher Beispiele schließt er, dass Regulierungen Anreize bieten, neue Technologien zu entwickeln.

Die Porter-Hypothese gibt es aber auch in einer noch stärkeren Version. Die besagt, dass Unternehmen durch die Verbote langfristig sogar produktiver werden. Die Mehrausgaben, die Firmen entstehen, werden dann durch die Profite durch Innovationen über einen längeren Zeitraum wettgemacht. Dann gäbe es sogar einen doppelten Gewinn der Verbote – für die Umwelt und die Unternehmen.

Als Porter seine These aufstellte, war sie noch umstritten. Man ging davon aus, dass Verbote die Kosten für Unternehmen generell erhöhen und ihre Wettbewerbsfähigkeit senken – eher ein Innovationshemmnis. Zahlreiche empirischen Studien seit den 90er Jahren zeigen nun aber, dass Umweltregulierungen Innovationen fördern können.

Auch Christian Rammer, stellvertretender Leiter im Bereich Innovationsökonomik am Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, stimmt dem zu. Er testete auch die stärkere Version der Porter-Hypothese. Die konnte er in einer Untersuchung für Deutschland teilweise bestätigen. „Innovationen, die die Ressourceneffizienz eines Unternehmens in Bezug auf den Material- oder Energieverbrauch pro Produktionseinheit erhöhen, wirken sich positiv auf die Rentabilität aus“, schreibt er in einem Forschungspapier.

Besser nicht pauschalisieren

Bei regulierungsbedingten Innovationen sei die positive Auswirkung sogar höher. Wenn es durch umweltfreundliche Innovationen keinen geringeren Energie- oder Ressourcenverbrauch gab, ließ sich das aber nicht bestätigen. Die Innovationen hatten dann keinen Effekt auf die Rentabilität oder einen leicht negativen.

Rammer hält wenig davon, eine pauschale Aussage über die Innovationswirkung von Verboten zu treffen. „Viele Verbote schränken Entwicklungsmöglichkeiten auch ein“, sagt Rammer. Im jährlichen Innovationspanel des ZEW, das deutsche Unternehmen zu Innovationsaktivitäten befragt, antworteten 2019 von allen befragten Unternehmen 14,1 Prozent, dass Regulierungen und Gesetze Innovationen angestoßen hätten, 42,2 Prozent antworteten, dass sie in Innnovationen eingeschränkt wurden, 51,6 Prozent merkten keinen Effekt.

Baerbocks Aussage, dass jedes Verbot Innovationen vorantreibt, ist also in seiner Pauschalität nicht ganz richtig. Doch besonders Verbote, die der Umwelt zugutekommen sollen, regen Innovationen an und können so einen positiven Effekt auf die Umwelt haben und womöglich sogar auf die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen. Man denke an ein Enddatum für die Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren. Und um diese Themen geht es schließlich im Wahlkampf.

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